Predigt Himmelfahrt 2023 Waldhütte: Lk. 24,44-53

Liebe Gemeinde,
»einen schönen Feiertag«, so konnte man es gestern immer wieder hören, beim Bäcker, beim Einkaufen. Was feiern wir an diesem Feiertag Himmelfahrt eigentlich? Für jede Feier braucht es ja einen guten Grund.

Für den Evangelisten Lukas ist Himmelfahrt so wichtig, dass er diese Geschichte an das Ende seines Evangeliums setzt. Darauf läuft alles zu in seinem Evangelium. Und die Art und Weise, wie er die Himmelfahrt erzählt, zeigt uns schon viel darüber, was Himmelfahrt bedeutet und warum es allen Grund gibt, zu feiern. Wir hören auf den Predigttext: Lk. 24, 44-53:

Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose und in den Propheten und Psalmen.

45 Da öffnete er ihnen das Verständnis, dass sie die Schrift verstanden,

46 und sprach zu ihnen: So steht's geschrieben, dass der Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage

47 und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden bunter allen Völkern. Von Jerusalem an

48 seid ihr dafür Zeugen.

49 Und siehe, ich sende auf euch, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr angetan werdet mit Kraft aus der Höhe.

50 Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie.

51 Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.

52 Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude

53 und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.

Ich möchte anhand von vier Punkten mit ihnen an diesem Text entlanggehen.

1. es wird regiert

Himmelfahrt macht klar, wer der Herr ist auf unserer Welt. Wie komme ich darauf? Der Evangelist Lukas erzählt schlicht davon, dass die Jünger Jesus anbeteten. Davon ist sonst nirgends im Evangelium die Rede, dass Jesus angebetet wird. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an.

Was will Lukas uns damit sagen: Das, was allein Gott zukommt an Ehrerbietung, das gilt für Jesus, als er in den Himmel aufgenommen wird. Himmelfahrt heißt: Jesus geht zurück zu seinem Vater im Himmel. Und damit ist klar: Er ist Gott selber. In der Bibel wird es häufig in einem Bild ausgedrückt: Er sitzt zur Rechten Gottes. Wer zur Rechten eines Herrschers saß, der war mit diesem Herrscher auf einer Stufe. Himmelfahrt zeigt: Jesus ist der Herr.

Als der Theologieprofessor Karl Barth einmal von einem Freund auf die Not und Sorgen unserer Welt angesprochen wurde, hat er nur geantwortet: »Es wird regiert«. Das heißt Himmelfahrt: »Es wird regiert«.

Wenn wir auf unsere Welt schauen, dann mögen uns manchmal ganz andere Gedanken beschleichen: da haben wir die Bilder vor Augen von Menschen in Flüchtlingscamps, von zerstörten Städten in der Ukraine, von einer Fülle von Konflikten rund um die Welt, sei es im Sudan, in Israel oder zwischen Taiwan und China. Wo ist da etwas zu spüren von der Macht Gottes, von seinem Regieren?

Und auch wenn wir an unsere kleine Welt denken: wenn uns der Alltag vor Augen steht mit all dem, was uns umtreibt. Wer regiert uns? Da sind es doch oft die Sorgen, die regieren. Da regiert die Angst. Da regiert und bestimmt uns das, was andere uns angetan haben. Unsere Verletzungen regieren uns mehr als die guten Worte, die uns gesagt werden.

Himmelfahrt heißt: »Es wird regiert, dennoch, trotz allem. Es regiert der gekreuzigte und auferstandene Jesus Christus.« Er allein und niemand und nichts Anderes. Wie tröstlich: Jesus ist es, der regiert auf unserer Welt. Ihm entgleiten die Dinge nicht. Und auch im Blick auf unsere kleine persönliche Welt gilt es: Es wird regiert. Jesus regiert. Wenn ich innerlich zittere vor dem morgigen Tag, weil ich solche Angst habe vor dem, was kommt: Jesus Christus regiert. Wenn ich mir so schwer mit diesem einen Menschen tue. Und es regiert die Wut in mir, weil er mich so verletzt hat: Jesus regiert. Er kann Situationen verändern und Menschen umkrempeln. Selbst mich selber kann er verändern. Das will ich nicht vergessen, sondern darum bitten.

2. Du bist gesegnet!

Von dieser Macht von Jesus erzählt die Himmelfahrtsgeschichte. Unser Bibelwort malt uns ein wunderschönes Bild vor Augen: Das Letzte, was Jesus tut, ist: Er hebt die Hände und segnet seine Jünger. Und unter diesem Segen geschieht es, dass verängstigte Jünger fröhlich werden. Segen heißt in der Bibel, dass Gott einem Menschen verspricht: Ich bin mit Dir. Jesus verlässt seine Jünger und zugleich verspricht er ihnen mit seiner Segensgeste: Ich bin bei Euch, egal was kommt. Das feiern wir an Himmelfahrt: Dass Jesus der Herr der Welt ist und dass er zugleich uns verspricht: Ich bin mit euch.

Wir können Jesus nicht berühren, wie es seine Jünger vor seiner Himmelfahrt konnten, aber im Segen begegnet er uns. In jedem Segen im Gottesdienst, im Segen, den einer dem andern zuspricht, im Segen, der dem Kranken am Krankenbett zugesagt wird. Segen ist in der Bibel mehr als nur ein guter Wunsch. Sondern im Segen geschieht etwas. Wenn uns im Gottesdienst zugesagt wird: »Der Herr segne dich und behüte dich«, dann ist es, als ob Jesus selber sagt: Du kannst gewiss sein: Ich bin mit dir. Ich bin mir dir, wenn Dir angst und bange ist vor dem, was dich zuhause erwartet. Ich bin mit dir, wenn du davor zitterst, ob du der Nächste bist, der seinen Arbeitsplatz verlieren wird. Ich bin mit dir in dem, was dich so umtreibt. Im Segen geschieht etwas. Da legt Jesus Christus seine heilende und schützende Hand auf unser Leben. Eine ältere Mesnerin sagte einmal: »Wenn auch der ganze Gottesdienst nichts war, die Predigt unverständlich, dann habe ich zum Schluss wenigstens den Segen. Und den kann mir keiner wegnehmen«.

Wenn wir den Segen empfangen, dann legen wir unsere kleine Welt mit den kleinen und großen Dingen, die uns bewegen, in die Hand Gottes. Und es ist, als ob auf all das ein Lichtschein aus Gottes Welt fällt. Weil Jesus mit uns hinein geht in unser alltägliches Leben. In jedem Segen spricht Jesus es uns aufs Neue zu: Es wird regiert in deinem Leben.

3. Dir wird vergeben

Das Lukas-Evangelium erzählt uns, wie Jesus vor seiner Himmelfahrt den Jüngern vieles erklärt hat. Er hat ihnen die Augen dafür geöffnet, warum er sterben musste. So steht’s geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern.

Hier wird deutlich, wie Jesus regiert. Jesus regiert, weil er auch der Herr ist über die Schuld meines Lebens. Unsere alltägliche Erfahrung ist doch, dass Schuld regiert. Wenn wir Schuld mit uns tragen, dann regiert uns das schlechte Gewissen.

Wenn im Religionsunterricht das Thema »Gewissen« in der Mittelstufe behandelt wird, kann man mitunter Merkwürdiges beobachten: Da wird die Stimmung in einer aufgeweckten und lebendigen Klasse plötzlich ganz anders, wenn es um das »schlechte Gewissen« geht. Da wird es dann plötzlich still. Und manch einer von den Mutigen erzählt dann, wann er ein schlechtes Gewissen hatte. Und dann überlegt man gemeinsam, wie ein schlechtes Gewissen wieder gut wird. Die erschütternde Erfahrung von uns Menschen ist doch: Ein schlechtes Gewissen kann ich nicht ändern. Ich kann es manchmal verdrängen, aber irgendwann holt es mich ein.

Schuld hat immer die Eigenschaft, dass sie uns anhaftet, und wir sie nicht losbekommen. Sie klebt an dir dran wie Sekundenkleber. Wenn Du den selbst lösen willst, verletzt du dich. Wenn Du dich von deiner eigenen Schuld erlösen willst, verletzt du dich nur noch mehr. Sie gräbt sich ein im Herzen, in die Seele. Schuld verschwindet nicht einfach. Wir merken dies an uns selber: Wenn uns jemand verletzt hat, dann steckt das tief in uns drin. Wir können es nicht einfach auslöschen. Manchmal kommt es nach Jahren wieder hoch.

Und nun spricht Jesus von Buße zur Vergebung der Sünden. Die frohe Botschaft von Jesus Christus ist: Du kannst umkehren, du kannst neu anfangen in deinem Leben. Was für eine Perspektive für unser Leben: Es wird regiert. Jesus regiert und ist selbst der Herr über die Sackgassen meines Lebens, über meine Schuld. Es gibt immer ein Zurück. Gewiss, es gibt verfahrene Situationen in einem Leben, wo wir das Gefühl haben, hier gibt es kein Zurück. Da haben Menschen sich nichts mehr zu sagen und haben sich unendlich tief verletzt. Aber, wenn Jesus der Herr ist, dann kann doch auch das nicht das Letzte sein. Sicher, wir können einen Menschen nicht verändern. Aber weil Jesus der Herr ist, können wir uns verändern. Wir können beginnen zu vergeben und um Vergebung zu bitten. Manchmal geht das nur millimeterweise, wenn sich die Bitterkeit festgesetzt hat. Und doch: Weil Jesus der Herr ist, können wir neu anfangen.

4. Und schließlich: Gottes Kraft wirkt

Wenn sich unser Leben verändert, dann ist es immer seine Kraft, nie unsere. So wie es Jesus auch seinen Jüngern sagte: Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe. Jesus trägt seinen Jüngern auf, in Jerusalem zu warten auf die Kraft von oben. Erst dann, ausgerüstet mit dieser Kraft Gottes, können sie Zeugen sein für das Evangelium. Hier spüren wir etwas davon, dass wir Menschen abhängig sind. Abhängig von der Kraft Gottes. Das Wort, das hier für Kraft verwendet wird, lautet im Griechischen »dynamis«. Unser Wort Dynamit leitet sich davon ab. Wo Gottes Kraft unser Leben berührt, da werden verschlossene Türen aufgesprengt, da können sich Situationen ändern. Nicht, weil wir dies tun können. Sondern weil Gottes Kraft wirkt. Die Jünger damals und auch wir heute können nicht aus uns selber heraus Zeugen sein für das Evangelium. Wie viel Krampf, wie viel Überforderung entsteht da, wo wir meinen, aus unserer eigenen Kraft heraus für Gott uns einsetzen zu müssen. Was wäre wohl geschehen, wenn die Jünger in Jerusalem einfach losgezogen wären, um zu predigen, ohne auf diese Kraft aus der Höhe zu warten?

Aber die Jünger warten und beten. Sie waren jeden Tag im Tempel, um Gott zu loben. Und dann wird es Pfingsten. Und die Kraft des Heiligen Geistes verändert ihr Leben. Jesus begegnet uns da, wo wir die Hände falten zum Gebet und darauf zu warten, dass Gott uns seine Kraft schenkt.

Wenn wir beten und Gott unser Leben hinhalten, dann nehmen wir ernst, was Himmelfahrt bedeutet: Dass er der Herr ist und regiert, nicht wir. Die Bibel erzählt uns: Die Jünger sind mit großer Freude nach Jerusalem zurückgekehrt. Wo es unser Herz anrührt, dass Jesus regiert, da kann eine tiefe Fröhlichkeit in unser Herz einziehen. Und dann kann Himmelfahrt wirklich ein Feiertag sein. Ein Tag, an dem wir feiern: Jesus regiert. In unserer großen Welt und in unserer kleinen, persönlichen Welt auch. Und wir empfangen den Segen Gottes, auch heute wieder. Wie empfangen die Kraft des Geistes Gottes auch heute wieder. Und sind dadurch berufen in Gottes Namen loszuziehen in diese Welt. Nicht als Besserwisser, sondern als Frohmacher. Weil wir von Gottes guter Botschaft leben. Amen.