Predigt über 2. Korinther 4, 3-6: Epiphanias 06.01.2023

Liebe Gemeinde, 

Zunächst eine Geschichte, die schon ziemlich bekannt ist, aber vielleicht passiert sie ihnen sogar selbst so ab und an: Es ist Sonntag zur besten Zeit. Die Gemeinde feiert Gottesdienst. Ein paar Leute sitzen in der Kirche. Der Pfarrer hält seine Predigt. Plötzlich bricht er ab, starrt oben in die Ecke des Kirchenraumes. Alle sind hellwach. Was ist los? Es ist eine Weile still, dann fährt der Pfarrer fort. Hinterher fragen einige: „Herr Pfarrer, was war denn los?“ „Ach, nichts weiter, ich hatte eine Erscheinung.“ Die Leute wollen mehr wissen, aber er vertröstet sie auf den nächsten Sonntag. Die ganze Woche läuft es durch die ganze Gemeinde: „Haben sie schon gehört: Der Pfarrer hatte eine Erscheinung!“

Am Sonntag drauf ist die Kirche übervoll. Alle sind gespannt. Schließlich rückt der Pfarrer mit der Sprache heraus: „Ich hatte eine Erscheinung. Eine Alterserscheinung. Ich wusste nicht mehr weiter!“

Die Erscheinung, dass wir stecken bleiben und nicht mehr weiter wissen, kennen wir alle aus unserem Leben. Das war die große Angst ganzer Generationen von Konfirmandinnen und Konfirmanden. So ein Quatsch, als wenn es bei der Konfirmation um eine Leistungsschau geht. Gott sei Dank haben wir heute andere Wege gefunden, wie jungen Leuten Glaubensinhalte vermittelt werden können. Aber ich kenne die Angst stecken zu bleiben auch von mir. Ich kann nicht frei predigen und muss mir vorher alles ausformulieren.

Aber zurück zu den Erscheinungen: Gott sei Dank gibt auch Erscheinungen, die uns nicht steckenbleiben lassen, sondern weiterbringen. Die uns aus unseren Sackgassen herausführen. Von so einer Erscheinung redet Paulus in unserem Predigttext heute. Ihm geht es um eine göttliche Erscheinung. Ich lese aus der Hoffnung für alle:

 Die rettende Botschaft, die wir bekannt machen, bleibt nur für die dunkel und verhüllt, die verloren gehen. 4 Sie hat der Satan, der Herrscher dieser Welt, so verblendet, dass sie nicht glauben. Deshalb sehen sie auch das helle Licht dieser Botschaft nicht, die von Christus und seiner Herrlichkeit spricht. Und doch erkennen wir Gott selbst nur durch Christus, weil dieser Gottes Ebenbild ist. 5 Nicht wir sind der Mittelpunkt unserer Predigt, sondern Christus, der Herr! Wir sind nur eure Diener, aus Liebe zu Jesus. 6 Denn so wie Gott einmal befahl: »Licht soll aus der Dunkelheit hervorbrechen!«, so hat sein Licht auch unsere Herzen erhellt. Jetzt erkennen wir klar, dass uns in Jesus Christus Gottes Herrlichkeit entgegenstrahlt.

Gott schafft Licht in uns. So wie er am ersten Schöpfungstag in das dunkle Chaos nur diese drei Worte sprach: „Es werde Licht.“ Und es wurde Licht. So kann er diese Worte auch einzelnen Menschen zusprechen. Plötzlich kommt Licht in dein Leben, etwas ganz Neues in das Leben hinein. Eine echte Erscheinung. Eine ganz neue Lebenssicht. Plötzlich kannst Du die Dinge noch aus einer anderen Perspektive sehen, aus Gottes Perspektive. Und da sieht die Welt manchmal wirklich anders aus als du und ich sie uns manchmal so zurechtgelegt haben.

So hat es Paulus erlebt. Lange Zeit hatte er Christen verfolgt. Er war auch dabei, als Menschen umgebracht wurden, weil sie an Jesus glaubten. Er konnte das mitansehen und hat das ausgehalten, so gefangen war er in seinem Irrglauben. So überzeugt war er davon, dass Jesus einer mehr der religiösen Scharlatane seiner Zeit war. Paulus konnte Jesus einfach nicht als Sohn Gottes anerkennen. Jesus war für ihn ein religiöser Spinner. Ein verrückter Wanderlehrer aus Nazareth, wie es sie damals öfters gab. Und dann kam dieses Erlebnis vor der Stadt Damaskus. Plötzlich umleuchtete ihn ein Licht vom Himmel. So stark, dass er vom Pferd fiel und für eine Weile erblindete. Jesus erscheint ihm. Und Paulus erkennt: „Ich habe mich ja schrecklich geirrt. Diese Sache mit Jesus ist ja wahr. Er ist wirklich der Sohn Gottes, der versprochene Retter.“ Und dann wird innerhalb kurzer Zeit aus einem der schlimmsten Christenverfolger einer, der Christus verkündigt. Was für eine radikale Lebenswende!

Nun haben solche drastischen Erlebnisse sicher Seltenheitswert. Bei vielen geht der Weg zum Glauben wohl viel ruhiger und weniger dramatisch zu. Jeder, der an Gott glaubt, wird seine eigene Geschichte erzählen können, wie es dazu kam. Hier gibt es kein bestimmtes Schema. Bei manchen geht es ganz plötzlich, bei anderen ist es ein langer Prozess durch viele Höhen und Tiefen. Aber in jedem Fall ist Gott am Werk. Gott muss es Licht werden lassen in unseren Herzen.

Was ist denn das für ein Licht? Es ist mehr als der ganze Lichterzauber der Weihnachtszeit. Es ist mehr als das Sonnenlicht. Es ist Gottes Licht.

Und dieses Licht kam in Christus leibhaftig auf die Erde. Mitten in das Dunkel dieser Welt. Darum feiern wir auch Weihnachten an den dunkelsten Tagen des Jahres. In der Krippe strahlt Gottes Licht auf. Und seitdem an vielen Orten und Zeiten. Zum Beispiel auch in jeder Predigt, wenn sie den Maßstab erfüllt, den Paulus hier setzt:

„Nicht wir sind der Mittelpunkt unserer Predigt, sondern Christus der Herr“ (V. 5a). Ein ernstes Wort. Es geht nicht darum, wer hier vorne steht. Ob Pfarrerin/ Pfarrer oder Lektor oder Prädikant. Nicht wir Hauptamtlichen sind der Mittelpunkt des Gottesdienstes, der Predigt. Wenn ich mich selbst verkündigen müsste, wäre ich schnell am Ende. Meine Biografie, meine Empfindungen, meine Sicht der Welt, die ist schnell erzählt. Und ermüdet. Kennen Sie das, wenn Menschen über Jahre eigentlich immer nur das Gleiche erzählen und sich und ihre Meinung in den Mittelpunkt rücken? Das kann in Gottes Augen nicht gut gehen.

Der Mittelpunkt der Predigt sind allerdings auch nicht sie als Gemeinde. Verstehen sie es nicht falsch: Es ist enorm wichtig, dass sie kommen. Und ich freue mich über jedes Gesicht, das ich hier sehe. Aus nah und fern, bekannt oder noch unbekannt. Und ich lade heute Sie und euch alle ein, die regelmäßig den Stream der Kreuzkirche anschauen: Kommt doch mal wieder vorbei. Seid live dabei. Ich bin wirklich dankbar, dass wir die Möglichkeit des Streams haben – vielen Dank an unsere Technik auch mal an dieser Stelle. Und es gab und gibt immer wieder mal gute Gründe, zuhause zu bleiben. Aber kommt doch mal wieder live vorbei. Wir brauchen die Begegnung mit Gott. Aber wir brauchen auch die Begegnung untereinander. Stream und live ist nicht das Gleiche. Live is more. Kommt, macht euch doch mal wieder auf den Weg. Ja, Sie sind alle in dieser Kirche, in unserer Gemeinde ganz, ganz herzlich willkommen.

Und doch gilt zugleich: der Mittelpunkt in der Gemeinde sind wir alle nicht: weder der Verkündiger noch die Gemeinde. Der Mittelpunkt in diesem Hause, in der Verkündigung soll Jesus Christus sein. Darum ist es nicht nur eine liturgische Formel, wenn wir jeden Gottesdienst von Anfang an ganz bewusst im Namen Gottes feiern. Es ist ein Bekenntnis und ein Zurücknehmen der eigenen Person.

Aber deshalb, liebe Gemeinde, stehen wir nicht einfach am Rande. Dieser Mittelpunkt „Jesus Christus“ will unseren Mittelpunkt treffen. Unser Ich, unsere Herzen. Mit allem, was dazugehört.

Seit Weihnachten ist dies wesentlich erleichtert:

Gott ist Mensch geworden. In Jesus ist uns Gott ganz erschienen. Nicht nur ein Teil von ihm. Nein, „ganz der Vater“.

„Ganz der Vater“: Sie kennen diese Wendung vielleicht aus anderem Zusammenhang: Da ist gerade ein Kind geboren. Erste Frage: Ein Junge? Ein Mädchen? Zweite Frage: Wem sieht es ähnlich? Ich muss Ihnen gestehen: Ich bin da ziemlich unbegabt und sehe nicht viel. Aber meistens steht dann irgendeine Verwandte oder Oma/ Opa neben mir und klärt mich auf: „Ja, siehst du denn das nicht? Ist doch klar: die Haare sind von der Mutter. Die Nase ist vom Vater. Und die Ohren? --- na logisch: die sind von der Urgroßmutter väterlicherseits. --- Ich stehe dann staunend da und frage mich manchmal still, ob wir denn beide noch das gleiche Kind anschauen.

Wie dem auch sei. Bei Jesus stimmt es wirklich: „ganz der Vater“. Hinter Jesus verbirgt sich nicht noch irgendein ganz anderer Gott. Von der Krippe bis zum Kreuz, von Weihnachten bis Ostern: Jesus verkörpert die Liebe des Vaters zu den Menschen. Nichts Anderes. Leibhaftige Liebe Gottes: für uns ist er im Stall von Bethlehem geboren. Für uns hat er dreißig Jahre gelebt. Wieviel Not hat er sich ausgesetzt. Und wieviel davon hat er abgewendet! Wieviel Verachtung und Spott hat er getragen. Für uns ist er in den Tod gegangen. Und Gott sei Dank: für uns ist er auferstanden. Darum ist der Friedhof nicht die Endstation unseres Lebens.

Diese Liebe Gottes hat schon viele Widerstände überwunden. Sie hat Menschen verändert. Sie hat dazu geführt, dass Menschen ihr Leben diesem Gott anvertraut haben. In aller Unvollkommenheit und Schwachheit, wie es eben für uns Menschen so typisch ist. Da gibt es Tausende von Einzelgeschichten. Ich bin mir sicher, dass hier unter uns Menschen sitzen, die davon erzählen könnten, wie Gott in ihr Leben gekommen ist.

Paulus schreibt in unserem Text aber noch von einer anderen Erfahrung. Eine Erfahrung, die bis heute sehr weh tut: Es gibt Menschen, die lässt die Botschaft von Jesus Christus völlig kalt. Von seiner Liebe spüren sie nichts. Es spricht sie irgendwie nicht an. Alles prallt ab.

Für Paulus ist der Grund klar: Satan hat diese Menschen verblendet. In den Paulusbriefen ist sonst kaum von ihm die Rede. Als wollte uns Paulus damit sagen: „Tut dem Teufel nicht die Ehre an und redet so viel von ihm.“ Aber an der Existenz einer Macht des Bösen besteht für Paulus überhaupt kein Zweifel.

Und ich muss ihnen ganz ehrlich sagen: Für mich auch nicht. Vieles, was durch die Jahrhunderte und bis heute passiert, kann ich mir auch nicht anders erklären. Und es gibt einen Satanismuskult in bestimmten Kreisen, der nicht ins Lächerliche zu ziehen ist, sondern ernst zu nehmen.

Es gehört zum geistlichen Realismus, dass wir wissen: Unser Glaube, unser Christsein ist gefährdet. Wir können uns den Glauben an Gott nicht selber geben. Wir können uns ihn auch nicht selbst bewahren. Immer wieder können Zweifel kommen. Dinge und Erlebnisse, die uns den Glauben an Gott nehmen können. Oder die es uns schwertun, überhaupt an Gott zu glauben. Immer wieder wird unser Glaube vom Teufel angefochten oder in den Dreck gezogen.

Und darum können Christen auch nie irgendwie von oben herab, abschätzig auf andere Menschen schauen, die noch nicht an Gott glauben. Wo Christen das tun, stehen sie falsch. Als Menschen, die an Gott glauben, haben wir vielmehr die Aufgabe für andere zu hoffen und zu beten, dass sie auch zum Glauben kommen. Gerade auch im eigenen Freundeskreis und der Verwandtschaft. Da kann man manchmal sehr leiden, wenn die Eltern oder die eigenen Kinder nicht den Weg des Glaubens gehen. Aber auch dann nicht in der Fürbitte aufhören. Denn es besteht für jeden Menschen Hoffnung, dass er den Weg zu Gott zurückfindet.

Luther übersetzt an dieser Stelle übrigens nicht mit Satan, sondern mit: „Der Gott dieser Welt.“ Ich finde diese Übersetzung mutig, fast zu mutig. Ich würde Satan nie mit dem Titel „Gott“ belegen und habe deshalb heute auch eine andere Übersetzung gewählt. Und doch liegt in Luthers Übersetzung auch eine Stärke: „der Gott dieser Welt“ - das heißt doch: des Satans Macht ist begrenzt auf diese Welt. Seine Zeit wird ablaufen. Der wahre Gott aber ist stärker. Er ist ewig. Er kann noch viele Menschen zum Glauben führen. Ob das immer im Rahmen unserer landeskirchlichen Strukturen und der verfassten Kirche geschieht, weiß ich nicht. Ich freue mich, wenn es so ist, aber Gott hat auch andere Wege. Vielleicht müssen wir als verfasste Kirche kleiner werden. Vielleicht müssen auch andere Gruppierungen innerhalb und außerhalb der Landeskirche in dieser Stadt kleiner werden. Das mag sein und tut auch weh. Tausendmal wichtiger aber ist, dass der Name Jesu groß gemacht wird in dieser Stadt und darüber hinaus. Das ist die Hauptsache! In welcher Gemeinde oder Gruppierung dies geschieht ist im Horizont der Ewigkeit – und darum geht es ja eigentlich - letztlich Nebensache.

Gott sei Dank führt Gott Menschen immer wieder zum Glauben. Nicht umsonst werden heute am Epiphaniastag auch viele überregionale Missionsfeste gefeiert. Damit wird an die Weisen erinnert, die aus dem Orient nach Bethlehem kamen, um dieses Jesuskind zu suchen. Sie kamen jedenfalls aus einem ganz heidnischen Umfeld. Aber sie erkennen in Jesus den Sohn Gottes und beten ihn an. Auch das ist eine Geschichte einer Lebenswende hin zu Gott.

Gebe es Gott, dass es zu solchen Lebenswenden hin zu ihm kommt: ob zum ersten oder wiederholten Male und in welchen Gemeinden auch immer: Hauptsache Lebenswenden zu Jesus. Damit noch viele bekennen: Jetzt erkennen wir klar, dass uns in Jesus Christus Gottes Herrlichkeit entgegenstrahlt.

Denn es ist wahr, wie es in dem Lied heißt, das wir gleich hören werden: Herr Jesus Christus, Licht der Welt, voll Herrlichkeit und voller Pracht, du leuchtest aus der Ewigkeit zu uns hinein in unsere Nacht.

Amen.

Verfasser: Pfarrer Friedemann Wenzke, Dr. Martin Luther Str. 18, 95445 Bayreuth, Tel: 0921/41168; E-Mail: friedemann.wenzke@elkb.de