Predigt am 1. Advent 27.11.2022, in der Kreuzkirche: Offb. 3, 14-22

Liebe Gemeinde,

Die Adventszeit ist ursprünglich eine Bußzeit. Früher wurde in dieser Zeit sogar gefastet. Es wurden eben noch keine Weihnachtsplätzchen im Advent gegessen. Heute sind wir soweit, dass wir sie lieber vor Weihnachten essen, weil uns zu Weihnachten schon der Appetit dazu vergangen ist. Aber stellen wir uns doch neu dieser Ursprungsbotschaft von Advent. Sie gibt uns die Chance, uns zu überprüfen und uns neu auf unseren Herrn hin auszurichten. Dazu hilft uns das Sendschreiben nach Laodizea, das letzte der sieben Sendschreiben im letzten Buch der Bibel. Das war früher ein Bibeltext zum Buß- und Bettag. Infolge der Neuordnung der Predigttexte ist er auf den ersten Advent gerutscht. Schon das zeigt theologisch völlig richtig die Bedeutung der Adventszeit als Bußzeit.

Hört aus der Offenbarung Kapitel 3, 14–22:

Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes:
15 Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach dass du kalt oder warm wärest!
16 Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.
17 Du sprichst: Ich bin reich und habe mehr als genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.
18 Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest.
19 Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße!
20 Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.
21 Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron.
22 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

In vier Schritten möchte ich dieses Sendschreiben bedenken: Christus spricht uns an; Christus erkennt uns; Christus beschenkt uns; Christus lädt uns ein.

I. Christus spricht uns an

Christus lässt seiner Gemeinde in Laodizea durch den Seher Johannes sagen: »So sei nun eifrig und tue Buße!« Christus spricht jene Gemeinde in Kleinasien und mit ihr alle Gemeinden aller Zeiten an. Auch uns!

Trotz seiner langen Liste der Beanstandungen lässt Jesus seine Gemeinde in Laodizea nicht fallen. Trotz allem, was ihm nicht gefällt, gibt Christus seine Kirche nicht auf. Er spricht zu seiner Gemeinde, zu seiner Kirche. Ihm liegt sehr an ihr. Er will sie wach rütteln. Er eröffnet die Chance zur Prüfung und Kurskorrektur. Der »Amen« heißt, der treu und wahrhaftig ist, zwingt uns diese Chance nicht auf. Wir werden eingeladen, sie wahrzunehmen. Wir erschrecken, in welcher Direktheit Christus ausspricht, was ihm nicht gefällt. Weil er es ist, weil Christus uns den Spiegel vorhält, weil unser Heiland uns auf unsre schwierigen Seiten anspricht, wird es möglich, sie anzusehen. Sein Ruf zur Buße ist unsre Chance. Der Herr der Herren schenkt uns leidenschaftliche Zuwendung. Er hat ein Recht auf unsre Aufmerksamkeit.

Gewohntes zu lassen, Fehler anzusehen und einzugestehen, sich korrigieren zu lassen, eine Kurskorrektur vorzunehmen, das kostet Kraft und Entschlossenheit. Aber wer die Chance ergreift und sich ansprechen lässt, wird dies nie bereuen.

II. Christus erkennt uns

hristus spricht klare Worte. Er stellt eine schonungslose Diagnose. »Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist.« Unentschlossen, unentschieden, unverbindlich, undeutlich sei das Christsein der Christen von Laodizea. Weder kalt noch warm. Nicht Salz der Erde, nicht Licht der Welt.

Die Christen Laodizeas hatten sich an ihre Umgebung, an den mainstream, angepasst. Das Feuer der ersten Liebe war erloschen. Die tiefe Freude Christ zu sein, war verflogen. Lau und geschmacklos seid ihr geworden, sagt Christus. Lau wie ein abgestandenes Glas Wasser, ohne belebende Frische. Unappetitlich wie kalt gewordenes Essen. Zum Ausspeien.

Laue Christen, laue Gemeinden, eine laue Kirche sind für den Herrn der Gemeinde unerträglich. »Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.« Seine abgrundtiefe Abscheu lässt aufschrecken und erschrecken. Christus wird sich abwenden, wenn die Gemeinde nicht Buße tut. Die Härte, in der der erhöhte Herr zu seiner Gemeinde spricht, erschreckt.

Noch mehr erschreckt jedoch, dass jene Christen ein völlig anderes Bild von sich selbst hatten. Sie sprechen: »Ich bin reich und habe genug und brauche nichts.« Für sie war alles im grünen Bereich: das vielfältige Gemeindeleben, das differenzierte Gottesdienstangebot, die breiten diakonischen Aktivitäten und manches mehr.

Aber Christus machen sie Kummer: »Du weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß«. Vernichtend ist das Urteil des Herrn der Gemeinde. Er sieht in der selbstsicheren und selbstzufriedenen Gemeinde eine arme Bettlerin, eine todkranke Patientin. Ihr Zustand ist in den Augen ihres Herrn erbärmlich.

Ist laues, angepasstes, unentschlossenes, unentschiedenes, unverbindliches Christsein allein das Problem der Christen in Laodizea? Unsere Volkskirche gilt für viele als arme Bettlerin und kranke Patientin. Sie lebe nur noch vom Tropf der Kirchensteuer, hatte vor einigen Jahren jemand bissig bemerkt. Nicht durch Glaube und Geist, durch Geld allein werde sie künstlich am Leben gehalten. Dem stimme ich so pauschal nicht zu.

Und dennoch müssen wir uns fragen lassen: Ist es nicht unsere Gefahr, uns der Temperatur unserer Zeit und Gesellschaft anzupassen? Ist es unser Bestreben, nur nicht aufzufallen, nur nicht anzuecken? Wo sind die Christen, die für die Sache Jesu brennen und gegen den Mainstream schwimmen? Wo sind Gemeinden, die Salz der Erde und Licht der Welt sind?

Letztes Wochenende hatten wir die beiden Stichwortveranstaltungen zum Thema: Gegen den Strom. Ich zitiere noch einmal eine kurze Passage: Es geht nicht darum, prinzipiell gegen den Strom zu schwimmen. Nur um anders oder in Opposition zu sein. Das ist ja gesellschaftlich gerade zunehmend in. Man ist gegen alles und jedes und hat dabei erschreckend wenig Ideen, wie man es denn sonst machen könnte. Darum geht es nicht. Sondern es geht darum, erkennbar als Christ zu leben. Und das geht manchmal eben nur, wenn ich mich gegen den Strom der Gottlosigkeit oder Beliebigkeit stelle.

Christus erkennt uns, so habe ich diesen Abschnitt genannt. So wie ein Arzt die Leiden eines Patienten erkennt. Nachdem wir nun zwei Jahre hier in Bayreuth wohnen, habe ich mir nach und nach neue Ärzte gesucht und mich auch einmal durchchecken lassen. Dabei wurde ich auch zu verschieden Fachärzten geschickt. Ich bin weitgehend gesund und habe allen Grund zur Dankbarkeit dafür. Und doch: nicht alles, was ich da über meinen Gesundheitszustand gehört habe, hat mir gefallen. Manches hätte ich lieber nicht gewusst. Aber wäre das besser gewesen? Mir als Patienten kann doch nur geholfen werden, wenn die Diagnose ehrlich und klar ist. Kein Arzt fragt, ob die Diagnose dem Patienten gefällt. Doch erst seine Erkenntnis gibt die Möglichkeit, helfend einzugreifen. Und so ist das Wort unseres Heilandes das Wort eines Arztes, der heilen will.

III. Christus beschenkt uns

Christus kennt seine Kirche, diese Gemeinde und auch uns. Er weiß Hilfe und schafft Hilfe. Er sagt: »Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest«.

Die Stadt Laodizea war durch Handel reich geworden. Zudem war die Stadt durch gute Ärzte bekannt. Besonders Patienten mit mancherlei Augenleiden suchten dort Hilfe. Die Menschen der Gemeinde lebten in Wohlstand. Das Wort von Christus trifft sie ins Herz. Es benennt schonungslos ihre Armut, ihre Blöße, ihre Blindheit.

So öffnet sich die Tür zur Heilung. Wer erkannt hat, nichts zu haben, wer mit leeren Händen vor ihn tritt, kann bei Christus das Notwendende bekommen. Er hat schon dafür bezahlt! Er hat, was wir brauchen. Er rät uns, bei ihm gratis – unverdient und ungeschuldet – zu kaufen: den Schatz seines belebenden Wortes. Den Reichtum seiner vergebenden Gnade. Seine unvergleichlich kost-bare Liebe. Das weiße Gewand für das große Fest bei Gott. Freude und Gemeinschaft, die ansteckend wirken. Lebendigen Glauben, der verbindlich und erkennbar ist. Feuer der ersten Liebe.

Liebe Gemeinde, Christus redet mit uns, mit seiner Gemeinde in strenger, aber zugleich in unermesslicher Liebe. So ist auch Buße keine unwürdig-entwürdigende Demütigung. Nein, Buße eröffnet die Chance zur Korrektur eines angepassten und lauen Christseins, für einen Neuanfang im Glauben. Christus will, dass wir für ihn brennen, dass unsre Begeisterung für ihn aus allen Knopflöchern scheint. Mit Freude und aus Überzeugung sollen wir seinen Namen tragen. Dass wir von Christus Beschenkte sind, das in aller eigenen Bruchstückhaftigkeit, aber doch so überzeugend wie möglich zu leben, das wird andere neugierig auf Christus machen.

IV. Christus lädt uns ein

Wir sind eingeladen: Kehrt um und findet zur Freude des Glaubens! Kehrt um in die Gemeinschaft mit mir! Kehrt um an den Tisch meiner Freude! Deswegen war mir wichtig, dass wir das ursprünglich auf den 2. Advent geplante Abendmahl auf heute verschieben. Schiebe deine Umkehr nicht hinaus. Mache es heute neu fest bei der Feier des Abendmahls, heute am Beginn eines neuen Kirchenjahres: Lass mich dein sein und bleiben, du treuer Gott und Herr. Von dir lass mich nichts treiben, halt mich bei deiner Lehr. Herr lass mich nur nicht wanken, gib mir Beständigkeit. Dafür will ich dir danken in alle Ewigkeit. (EG 157)

Wie könnten wir besser zur Freude des Glaubens geführt werden als durch die Feier des Heiligen Abendmahls? In der Beichte dürfen wir abladen und loslassen, was uns belastet und bekommen Vergebung zugesprochen. Christus versammelt uns Mühselige und Beladene, Bettler und Kranke um seinen Tisch. Er gibt sich im Brot des Lebens und im Kelch des Heils. Er lädt uns heute ein. Er will uns dabei haben. »Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl halten und er mit mir.« Mehr brauchen wir nicht. Zur ewigen Gemeinschaft mit ihm lädt er uns ein.

Sein Herz brennt in Liebe für uns. Das darf uns doch nicht lau oder kalt lassen! Amen.