Predigt am 31.07.2022, Kreuzkirche Bayreuth: Joh. 6,1-15

Liebe Gemeinde,

Stars beherrschen unsere Welt und unsere Medien:

Alexandra Popp und Klara Bühl sind inzwischen deutschlandweit bekannt und werden hoffentlich mit ihrem Team heute Abend Europameister. Ich werde mitfiebern, Sie auch?

Ach und die letzten Wochen hatte ich manchmal den Eindruck, Robert Lewandowski sitzt bei uns am Mittagstisch- so oft war er aufgrund seines Vereinswechsels Gesprächsthema bei unseren Jungs.

Stars beherrschen unsere Welt und unsere Medien: man kann sich auch über das quietschgrüne Kleid der Ex Kanzlerin bei der Festspieleröffnung unterhalten oder den grauen Pullover, den Olaf Scholz im Flugzeug trägt.

Das Privatleben der Politiker reizt uns.

Wir sind begeistert von Menschen, die eine große Ausstrahlung haben. Wir sind hingerissen von Sängern, die eine geniale Stimme haben. Wir bewundern Leute mit besonderen Fähigkeiten. Und das mit Recht.

Es gibt ein paar Wenige, die können Massen mobilisieren. Die rufen Begeisterung hervor. Kaum vorstellbar, dass einer dieser Stars für viele Menschen auch mal Jesus war. Jesus, der Star, der einen ganzen Pulk von Menschen in den Bann zieht und den Sie am Ende sogar zu einem König machen möchten. In dem Predigttext für den heutigen Sonntag bekommen wir einen Einblick in seine Anhängerschaft:

Ich lese aus dem 6. Kapitel des Johannesevangeliums, die Verse 1-15:

(1) Danach fuhr Jesus weg über das Galiläische Meer, das auch See von Tiberias heißt.
(2) Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat.
(3) Jesus aber ging auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern.
(4) Es war aber kurz vor dem Passa, dem Fest der Juden.
(5) Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben?
(6) Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was er tun wollte.
(7) Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder ein wenig bekomme.
(8) Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus:
(9) Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das unter so viele?
(10) Jesus aber sprach: Laßt die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer.
(11) Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten.
(12) Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt.
(13) Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Körbe mit Brocken, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren.
(14) Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll.
(15) Als Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er selbst allein.


Liebe Gemeinde,

es ist eine große Menge, die da Jesus nachläuft. 5000 Männer und vielleicht noch mal so viele Frauen und Kinder. Eine riesige Menschenansammlung, die alle nur eines wollen: Jesus nachfolgen. Eigentlich eine tolle Sache!

Und doch muss man fragen: Warum und wie sind sie eigentlich ihm nachgefolgt? Was war der Grund, dass sie dazu so viele Mühen auf sich nahmen?

Auf diese Fragen darf man keine billigen Pauschalantworten geben. Denn wenn wir genau hinschauen, dann entdecken wir in unserem Text ganz unterschiedliche Gruppierungen und Typen. Dann sehen wir, wie Menschen auf ganz unterschiedliche Art und Weise Jesus nachfolgen. Diese verschiedenen Formen zu entdecken ist spannend, weil es sie in jeder Gemeinde gibt. Und so ist es gut, wenn wir uns im Folgenden fragen: Welche der folgenden Beschreibungen trifft denn am ehesten auf mich zu? Und was kann diese Positionsbestimmung dann für Folgerungen für mein Christsein haben?

Da ist zunächst einmal die breite Masse. Dass sie Jesus nicht aus geistlichen Beweggründen gefolgt sind, macht unser Text deutlich. Ihr ging es vor allem um Jesu Wunder. Einem Wunderheiler ist die Mehrzahl der Menschen nachgelaufen. Viele sind Fans von ihm. Man kann sich das so ähnlich vorstellen wie ich es eingangs mit den heutigen Stars geschildert habe. Diese Menschen, diese Fans von Jesus schauen auf die sichtbaren Taten, die Jesus tut. Davon sind sie begeistert und hingerissen.

Und die sind ja in der Tat beeindruckend: da werden Kranke geheilt, Blinde sehend, Lahme gehend, Schwermütige frei und sogar Verstorbene wieder ins Leben zurückgebracht. Wenn das nicht sensationell ist!! Da nimmt man sogar staatliche Wanderungen auf sich, um noch mehr von diesem Star Jesus mitzubekommen.

Diese Menschen sind fasziniert von dem, was an Jesu Wirken offensichtlich und augenfällig ist. Sie wissen, dass er ein guter Mensch ist. Einer, der überdurchschnittliche Fähigkeiten hat und den man sich zum Vorbild nehmen kann. Für sie ist Jesus der perfekte Mensch, das Ideal, an dem man sich orientieren sollte.

Aber nicht nur das: Für sie ist Jesus auch der, der für die Not zuständig ist. Da können sie ihn brauchen. Da können sie sich an seinen Fähigkeiten begeistern. Da wollen sie ihn sogar zum König machen, zum Brotkönig. Sie beziehen alles, was Jesus tut, allein auf das irdische Leben und übersehen, dass Jesu Auftrag viel umfassender ist. Sie verstehen nicht, dass alle diese Wundertaten Jesu Zeichen sind. Das Charakteristische von einem Zeichen aber ist, dass es auf etwas hinweist. Und so sollen diese großen Taten Jesu hin weisen auf Gottes Heil und auf seine neue Welt. Sie sollen bereits hin weisen auf das Ende seines irdischen Lebens, auf Kreuz und Auferstehung, wo uns Menschen ewiges Leben in enger Gottesgemeinschaft geschenkt wird.

Die Mehrzahl der Leute, die Jesus damals nachgefolgt ist, hat diese Tiefendimension von Jesu Wundern allerdings noch nicht verstanden. Für sie war Jesus ein Star, den es zu bewundern gilt und dessen Zeit auch mal wieder ablaufen wird.

Ich frage mich: Gehöre ich zu dieser Art von Nachfolgern Jesu, die nur oberflächlich von den Wundertaten Jesu begeistert sind und das Entscheidende übersieht? Worum drehen sich denn meine Gebete? Um die Bitte um irdische Wunder oder auch um die Bitte um das größte Wunder, dass der Herr mich ans Ziel bringt. Wir dürfen beides beten, aber die Priorität sollte klar sein.

Unser Text zeigt uns noch andere Menschen innerhalb der Menge, die Jesus nachfolgen. Das sind solche Menschen, wie Philippus einer war. Sie sind im Mitarbeiterstab von Jesus eingeteilt, also sozusagen berufsmäßig dabei. Es sind Menschen, die mit beiden Beinen im Leben stehen. Sie machen sich nichts vor, sondern schauen der Wirklichkeit ins Auge. Sie überschlagen die Kosten und überlegen, was so ein Einsatz einer Volksspeisung mal auf die Schnelle kostet. Und ich höre beinahe Philippus zu Jesus sagen: "Also Jesus, so 200 Silbergroschen musst du schon rechnen, wenn jeder der 5000 Leute wenigstens etwas zwischen die Zähne bekommen soll." 200 Silbergroschen - eine große Menge Geld, wenn man bedenkt, dass ein Silbergroschen der Tagelohn eines Arbeiters war. Also fast ein Jahresgehalt. Aber was ist diese Summe schon für mehr als 5000 Leute?

Philippus ist klar: "Selbst wenn wir das Geld hätten, ein solches Vorhaben wie Jesus es will, kann nicht gut gehen." Und er hat ja recht. Rein menschlich gesehen hat er vollkommen recht!

Nur leider hat dieser nüchterne und gute Rechner Philippus vergessen, im Glauben zu rechnen. Er hat vergessen, mit Jesus zu rechnen und damit die göttliche Wirklichkeit aus dem Blick verloren. Obwohl er Jesus nachfolgt, verliert er Gott mit seinen Möglichkeiten aus den Augen. Sein Blick ist nur auf die irdischen Möglichkeiten gerichtet. Und so wird aus dem nüchternen und sachlichen Realist Philippus einer, der die entscheidende Wirklichkeit " nämlich Gottes Macht " aus dem Blick verliert und quasi auf einem Auge blind ist.

Ich frage mich: Gehöre ich zu dieser Art von Nachfolgern Jesu, die im entscheidenden Moment nur auf die eigenen Möglichkeiten schauen und nüchtern berechnend unterwegs sind? - - -

Dann ist da noch Andreas in unserem Bibelabschnitt. Er ist ganz anders als Philippus. Er schaut nicht auf das, was sowieso nicht da ist, nämlich das Geld. Seine Devise ist eine andere: "Jetzt - angesichts der vielen Leute -jetzt heißt es zusammenzusuchen, was zu kriegen ist." Andreas sieht genau wie Philippus die vielen tausend Männer, Frauen und Kinder. Aber er sieht nicht auf den leeren Geldbeutel, sondern er macht sich auf den Weg, um die Not anzupacken. Eine tolle Einstellung: nicht lamentieren, sondern vorwärtsdenken. Problemorientiert nach Lösungen suchen. Und tatsächlich: Andreas braucht nicht lange zu suchen. Er findet. Allerdings nur einen kleinen Jungen, der das Familienproviant eingepackt bekommen hat.

Nun: auch Andreas kann rechnen wie Philippus: die fünf flachen Fladenbrote und die beiden geräucherten Forellen, die der Junge zu bieten hat "das reicht nie!! Zumal die Brote damals keine Vierpfünder waren, wie wir sie heute beim Bäcker kaufen, sondern flache Fladen. Es steht also 5 zu 5000. Aussichtslos! Eigentlich könnte Andreas jetzt auch wie Philippus aufgeben. Aber - er tut etwas Anderes. Er rechnet mit Jesus. Er rechnet mit Jesus und seinen Möglichkeiten. Und so bittet er den kleinen Jungen, zu Jesus nach vorn zu kommen.

Das sind Andreasleute, die nicht bei ihren Berechnungen stehen bleiben, sondern die wissen: "Jesus ist da. Er, der alle Gewalt im Himmel und auf Erden hat: Der weiß weiter, als mein beschränkter Horizont und meine Mathematik reicht."

Ich frage mich: Gehöre ich zu dieser Art von Nachfolgern Jesu, die nicht auf die fehlenden eigenen Möglichkeiten schauen, sondern auf Jesu Hilfe und seine Möglichkeiten?

Als letzten möchte ich aus der großen Menschenmenge noch den kleinen Jungen herausgreifen. Was zeichnet diesen Buben aus, der da so ungewollt in den Mittelpunkt des Geschehens rückt? Nicht, dass er ein Lausbub war, wie viele andere in seinem Alter. Nicht dass er vielleicht putzig aussah, braungebrannt und mit einem wilden Haarbüschel. Nein, was ihn auszeichnet, ist die Tatsache, dass er sich zu Jesus führen lässt. Und dies mit seinen fünf Broten und zwei Fischen. Das Wenige, was er hat, stellt er Jesus zur Verfügung. Und zwar ganz. Er hält nichts für sich oder seine Familie zurück, die ja bestimmt irgendwo in der Nähe saß. Er streckt Jesus den ganzen Korb hin. Und Jesus? Er nimmt das Wenige an und macht etwas Großes daraus. Er macht kein schiefes Gesicht, etwa in dem Sinn: "Was soll ich mit den paar Krümeln angesichts solcher Massen." Nein, Jesus macht etwas daraus, so dass die Menschen staunen können über den Reichtum Gottes.

Nur ein kleiner Junge ? aber Gott hat etwas Großes aus dem gemacht, was der Bub einbringen konnte.

Ich frage mich: Gehöre ich zu dieser Art von Nachfolgern Jesu, die das, was sie haben, ganz Jesus bringen?

Was haben wir denn für Möglichkeiten, Gott zu bringen? Vielleicht ist dies oft nur etwas ganz Kleines: eine kleine Kraft, ein wenig Zeit, ein kleines finanzielles Opfer, ein geschwächter, alternder oder kranker Körper. Aber Gott rechnet ganz anders. Er macht etwas daraus, auch wenn es manchmal erbärmlich wenig ist. Er legt seine Segensfülle darauf: auf die Kollekte, die wir am Ausgang geben. Auf das nette Wort, den aufmunternden Blick, den wir einem Menschen in Not schenken. Er legt seine Segensfülle darauf: Auf unsere ganz alltägliche Arbeit, die wir zu Hause oder im Beruf verrichten. Auf das kurze Gebet, das wir vielleicht in unserem kleinen Wohnzimmer sprechen oder in der Gefängniszelle im Stillen unter der Bettdecke stammeln. Er legt seine Segensfülle darauf.

In unserem Bibelabschnitt nimmt Jesus die fünf Brote und zwei Fische, hebt sein Gesicht zum Himmel. Er macht die geringe Gabe zum Gegenstand seines Dankgebetes und am Schluss werden zwölf Körbe voll Brocken eingesammelt. Wie das alles genau geschehen ist, bleibt im Dunkel. Johannes wahrt das Geheimnis des Wunders. Wir erfahren nicht, wie es "funktioniert" hat. Das ist gar nicht das Interesse unseres Predigtabschnittes. Wenn ich verstehe wie ein Wunder "funktioniert", dann ist es kein Wunder mehr. Die Menschen erfahren einfach: Das Brot, das wir essen, kommt von Gott. Und: wo Jesus auftritt, herrscht kein Mangel. Da ist die Fülle des Segens da.

Wir können dieses Wunder von dem Brot und den Fischen nicht erklären. Und doch ist mir bei der Predigtvorbereitung eingefallen, was mir meine Großeltern aus der Zeit nach dem Krieg erzählt haben. Vielleicht haben ja manche Ältere unter uns ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. In den Jahren nach dem Krieg waren die Nahrungsmittel knapp. Wie für alle Menschen, so war das auch für meine Großeltern nicht leicht: Sie hatten fünf Kinder und weil mein Großvater Pfarrer war, saß manchmal auch der eine oder andere Gast mit am Tisch. Da war die Runde dann recht groß und es war für meine Großmutter und die damalige Haushälterin oft schwierig, überhaupt etwas auf den Tisch zu bringen. Und wenn dann etwas dastand, dann war das oft recht bescheiden. Zum Beispiel die Kohlrübensuppe, in der zwei einsame Kartoffeln schwammen. Für die ganze Tischgemeinschaft nach Menge und Inhalt erbärmlich. Aber " so haben es meine Großeltern jedenfalls erzählt - es reichte doch immer, weil Gott sich erbarmte. Es reichte, trotz bescheidener Gaben. Eine wahrhaft gesegnete Mahlzeit! Wir wissen nicht, in welche Zeiten wir gehen. Auf jeden Fall werden die nächsten Jahre wohl bescheidener zu leben sein. Ist dieser Bibeltext und diese Geschichte auch in dieser Hinsicht nicht auch eine Mutmachgeschichte"

Eine wahrhaft gesegnete Mahlzeit "das haben die mehr als 5000 Menschen damals erlebt. Für uns sind sie nun nicht mehr eine anonyme Masse. Wir haben von der Menge gehört, die nur auf das Äußerliche schaute. Für sie war Jesus der Star. Sie wollten ihn zum Brotkönig machen. Wir haben von dem kühlen Rechner Philippus gehört, der Gottes Wirken angesichts der sichtbaren Fakten aus den Augen verliert. Dann hat uns Andreas beschäftigt, der nicht nur auf das Äußerliche schaut, sondern von Jesus Hilfe erwartet. Und schließlich haben wir uns dem kleinen Jungen gewidmet, der sich zu Jesus führen lässt und ihm das Wenige zur Verfügung stellt, das er hat.

Zwei Fragen an uns bleiben, die nur jeder für sich beantworten kann: In welcher dieser geschilderten Menschen finde ich mich zur Zeit wieder? Und: Wo will ich mich eigentlich in Zukunft wiederfinden?

Nehmen wir diese Fragen mit in die kommende Woche und nehmen wir sie mit ins Gebet. Damit wir kindlich glaubende Nachfolger Jesu bleiben oder werden. Amen.

Verfasser: Pfarrer Friedemann Wenzke, Dr. Martin Luther Str. 18, 95445 Bayreuth