Predigt am 24.07.2022, Kreuzkirche Bayreuth: Röm. 6, 3-11

Liebe Gemeinde,

heute geht es um Leben und Tod! Im Predigttext für den heutigen Sonntag geht es tatsächlich um Leben und Tod. Hören Sie selbst. Ich lese aus dem Brief des Paulus an die Römer, Kapitel 6, die Verse 3 bis 11:

Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?
4 So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln.
5 Denn wenn wir mit ihm zusammengewachsen sind, ihm gleich geworden in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein.
6 Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen.
7 Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.
8 Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden,
9 und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod wird hinfort nicht über ihn herrschen.
10 Denn was er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben ein für alle Mal; was er aber lebt, das lebt er Gott.
11 So auch ihr: Haltet euch für Menschen, die der Sünde gestorben sind und für Gott leben in Christus Jesus.

Das sind komplizierte Überlegungen, die Paulus uns da zumutet. Eigentlich erwartet man anderes, wenn es um Leben und Tod geht. Wenn ich bei der Notfallseelsorge bei der Überbringung einer Todesnachricht dabei bin, spreche ich in kurzen, klaren Sätzen, lasse Pausen dazwischen und warte nach jedem Satz erstmal die Reaktion des Angehörigen ab. Ich spreche eher wenig und bin sehr wahrnehmend und zuhörend. In solchen Situationen muss man sehr beim anderen sein und nicht bei dem, was man selbst sagen will.

Paulus aber schlägt einen anderen Weg ein, obwohl das Thema nicht weniger ernst ist. Paulus wählt den Weg der theologischen wortreichen Argumentation, – lange, schwierige Sätze, um den Christen in Rom seine Botschaft von Leben und Tod zu überbringen. Um ihnen zu erklären, was es auf sich hat mit Sünde und Taufe, Tod und neuem Leben. Versuchen wir, ihm zu folgen:

Das Erste: In Christi Tod getauft

»Wisst ihr nicht«, fragt er die Römer, »wisst ihr nicht, dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, in seinen Tod getauft sind?«

Wissen wir es? Wie eben schon festgestellt: Nur wenige von uns können sich wohl an die eigene Taufe erinnern. Es gibt Erzählungen, einen Taufschein, einen Taufspruch, vielleicht Fotos. Aber aus eigener Erinnerung wissen wir meist nicht, wie es damals war. Auch bei den meisten anderen Taufen, die wir im Laufe unseres Lebens erleben, werden kleine Kinder getauft. Die Freude über das Wunder, dass ein neues Leben heranwächst, steht ganz im Mittelpunkt. Über den Tod wird da nicht gerne geredet.

Die Eltern wollen ihr Kind Gottes Schutz anvertrauen. Pfarrerinnen und Pfarrer benutzen dann manchmal das Bild eines Regenschirms, um zu erklären, was es mit der Taufe und Gottes Segen auf sich hat: Ein Regenschirm kann nicht verhindern, dass es regnet. Aber er kann verhindern, dass wir nass werden. Besonders bei Taufen, bei denen viele andere Kinder dabei sind, ist das ein einprägsames Bild, um zu sagen: ›Fürchte dich nicht, Gott hält seine Hand über uns.

Doch als Erwachsenen kann einen Zweifel beschleichen. Wir werden nicht nass? Die Lebenserfahrung sagt uns: Oh doch, wir werden nass! Es gibt Situationen in unserem Leben, da werden wir nass bis auf die Knochen. Da steht uns das Wasser bis zum Hals. Die Menschen der Bibel wussten das. »Gott hilf mir!«, schreit der Beter des 69. Psalms. »Gott hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle. Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist; ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen.«

Angst, Scham und Verzweiflung bleiben uns als Menschen, auch als getauften Christen nicht erspart. Dem einen wird mehr zugemutet, dem anderen weniger. Aber ganz erspart bleibt das Leid keinem. Auch wenn unsere Eltern und Paten sich das bei unserer Taufe für uns erhofft haben.

»Wisst ihr nicht, dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, in seinen Tod getauft sind?« Auch dem Menschen Jesus ist diese Erfahrung von Leid nicht erspart geblieben. Im Gegenteil. Er musste sie durchmachen, bis hin zu seinem Verzweiflungsschrei: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« In unserer Taufe sind wir untrennbar mit Christus verbunden, sagt Paulus. Das heißt: Christus ist dabei, wenn uns das Wasser bis zum Hals steht. Gott ist dabei. Er kennt unsere Verzweiflung und durchleidet sie mit uns. Er kennt unsere Ängste um den unklaren Ausgang von Krankheitsnot. Wir gehen durch Wasser und Feuer, manche von uns ganz aktuell. Aber Gott geht mit uns. Auch in den Tod.

Das Zweite: Der Sünde gestorben

Ja, Menschen sterben, und auch ich und Sie werden sterben. Unsere Sterblichkeitsrate liegt in Deutschland immer noch bei 100 %. Aber was ist es, was uns den Gedanken an den Tod so schmerzlich macht? Wovor haben wir Angst?

Vor dem Verlust eines lieben Menschen, das auf jeden Fall. Und wenn es um unseren eigenen Tod geht: Dass wir andere zurücklassen, die uns brauchen. Vielleicht haben wir auch Angst vor Schmerzen, die uns erwarten.

Oft ist da aber noch etwas: Die Angst vor der Verlassenheit, vor dem Alleinsein, vor dem Weg, den niemand mit uns gehen und keiner uns abnehmen kann. »Wir sind allesamt zu dem Tod gefordert, und keiner wird für den andern sterben, sondern jeder in eigener Person für sich mit dem Tod kämpfen«, schreibt Luther in der ihm eigenen Deutlichkeit in einer Predigt.

In unserem Sterben und Tod scheint sich alles zu verdichten, was wir in unserem Leben schon schmerzlich erfahren haben: Wenn wir von anderen Menschen alleingelassen worden sind, aber auch, wenn Beziehungen zerbrochen sind durch und wegen uns. Der Tod, den wir ganz allein sterben müssen – der scheint dann wie eine letzte Erfahrung von Einsamkeit und Trennung.

Und nun sagt Paulus: Diese Erfahrung hat nicht das letzte Wort. Diese Erfahrung hat nämlich den Ursprung in dem, was die Bibel mit dem Begriff »Sünde« bezeichnet. Sünde trennt Menschen von Gott, sie trennt Menschen von anderen Menschen, sie verstrickt Menschen in Schuld und Scham, raubt ihnen den Lebensmut. »Denn der Sünde Sold ist der Tod«, heißt es am Ende unseres Kapitels im Römerbrief. Die Sünde ist es, die den Tod als die schreckliche, endgültige Trennung von allem Lebendigen erscheinen lässt.

In unserer Taufe aber hat Gott besiegelt, dass die Sünde nicht das letzte Wort über uns hat. »So sollt ihr euch verstehen«, sagt Paulus: »dass ihr tot seid für die Sünde und lebt für Gott in Christus Jesus.« Gott überwindet die Sünde, die Trennung zwischen sich und uns. Gott sieht uns in einem anderen Licht, als wir uns sehen können.
Er sieht unser Leben mit dem, was in ihm schief gelaufen ist, mit dem, was wir verschuldet haben, mit den Trennungen und Abbrüchen. Und Gott findet darin den roten Faden, die kleine und oft so versteckte Spur der Liebe zu Gott und den Menschen.

Das Dritte: Mit Christus leben

Die grundlegende Erfahrung für Paulus war, dass Jesus auferstanden ist. Als der Lebendige und Auferstandene ist Jesus ihm vor Damaskus begegnet. Das hat sein ganzes Leben verändert. Nicht nur äußerlich, sondern von innen her. So stark, dass er sagen konnte, (Galater 2, 20): »Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.«

Christus lebt in mir! Das ist es, was Getaufte sagen können und sollen. In der Taufe sagt Paulus, werden wir in Jesus eingepflanzt. Und so wie wir mit ihm sterben, werden wir auch mit ihm leben (Römer 6, 8). D.h. wir sind so eng mit ihm verwachsen, dass uns dasselbe Leben blüht wie ihm. Die Auferstehung, ganz real.

Hier wird deutlich, dass es nicht um etwas geht, was wir Menschen selber machen können. So etwas kann nur Gott. Nur er kann Tote ins Leben rufen. Doch genau das tut er, weil er will, dass wir leben, hier, jetzt und heute mit ihm und dort in Ewigkeit. Gott bringt uns nicht ums Leben, sondern zum Leben.

Und deshalb ist es wichtig, dass ich mir im Laufe meines Lebens des Wertes meiner Taufe bewusst werde. Dass ich verstehe, was Christus für mich getan hat. Dass er für mich sein Leben gelassen hat. Dass er für mich den Tod besiegt hat. Dass er mich ganz auf die Seite des Lebens stellt. Dazu muss ich in meinem Leben Ja sagen. Ob in einem längeren inneren Prozess oder in einem Augenblick ist nebensächlich. Ob ich diese bewusste Hinwendung zu Gott als Getaufter dann Wiedergeburt, Entscheidung für Jesus, Bekehrung oder Umkehr nenne, ist eine Frage von mehr oder weniger passenden Begriffen. Entscheidend ist, dass es geschieht. Entscheidend ist, dass ich Jesus als den Herrn meines Lebens anerkenne. Sonst bleibt die Taufe auf halber Strecke liegen. Und dann reicht es eben nicht in die Ewigkeit.

Dieses Entdecken des Werts der eigenen Taufe, das persönliche Ja zu dem, was Christus für mich getan hat, führt dann auch zu einem veränderten Leben: Also: Ich lebe aus der Kraft Gottes. Ich höre auf ihn. Ich rede mit ihm. Ich tue seinen Willen. Mein Leib ist jetzt ein Tempel des Heiligen Geistes. Also gebe ich ihm Raum und meine Hände können nicht mehr überall mitmachen, meine Füße nicht mehr jeden Weg gehen und mit meiner Sexualität mache ich den mir anvertrauten Menschen glücklich und niemand sonst. Ich mache nichts mehr allein und aus eigener Kraft. Ich mache nicht mehr einfach mein eigenes Ding, sondern stell mein ganzes Leben Gott zur Verfügung. Und dann freu ich mich daran, was er aus den Bruchstücken meines Lebens machen kann, die ich ihm ganz überlasse.

So folgt aus der Gabe die Aufgabe, aus der Zusage die Aufforderung. Paulus sagt am Ende unseres Predigttextes 6, 11: »So auch ihr, haltet euch dafür, dass ihr der Sünde abgestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus«. Es steht fest: Die Sünde hat keine Macht mehr über uns. Wir sind ja gestorben. Wir sind zwar nicht sündlos, immer wieder werden wir schuldig. Aber die Herrschaft hat die Sünde nicht mehr. Über uns herrscht die Gnade. Die Sünde regt sich immer wieder noch, die Alte zappelt noch. Aber es sind Todeszuckungen. Das neue Leben ist da und kommt mehr und mehr zum Durchbruch. Jesus hat uns auferweckt zum Leben jetzt schon und darum wissen wir: Wir sind geboren um zu leben, zu leben mit ihm. Jetzt schon und in alle Ewigkeit. Amen.

Verfasser: Pfarrer Friedemann Wenzke, Dr. Martin Luther Str. 18, 95445 Bayreuth; Tel: 0921/41168; E-Mail: friedemann.wenzke@elkb.de