Predigt zum Gottesdienst bei „Jesus am See“ am 19.06.2022: Lukas 16, 19-31: der reiche Mann und der arme Lazarus

Liebe Gemeinde! 

Nach der Ausbildung nahm ein junger Mann aus einem kleinen Ort eine Arbeitsstelle im Ausland an. In der Fremde brachte er es zu Wohlstand. Nach vielen Jahren kam er zu Besuch in seinen Heimatort. Auch einen alten Freund aus seiner Jugendzeit suchte er auf. Als er seine vielen Kinder sah, meinte er: »Das sind genau die, die einen reichen Mann arm machen.« Doch der Freund antwortete: »Nein, das sind genau die, die einen armen Mann reich machen.«

Reichtum kann ganz unterschiedlich aussehen. Auch vor Gott. Wer unter uns Menschen als reich gilt, kann bei Gott arm sein. Und wer bei uns Menschen arm ist, kann in Gottes Augen reich sein.

Vielleicht denken sich jetzt manche: Was hat das mit dem Thema zu tun: Heimathafen- wo komme ich an? Eine ganze Menge. Achtet mal nur darauf, was über Armut und Reichtum gesagt wird und über verschiedene Heimathäfen nach unserem Tod. Davon hören wir im Predigttext, den ich mir nicht selbst ausgesucht habe, sondern der heute der offizielle, vorgegebene Predigttext ist.

Ich erzähle den Text heute so wie ich ihn Kindern erzählen würde in einfacher Sprache.

Es war einmal ein reicher Mann. Der reiche Mann hatte herrliche Kleider. Und jeden Tag das allerbeste Essen.
Und ein großes, gemütliches Haus.

In der gleichen Zeit lebte ein armer Mann. Der arme Mann hieß Lazarus. Lazarus hatte nichts zu essen. Und nichts Warmes zum Anziehen. Und kein Haus zum Wohnen.
Außerdem war Lazarus krank.
Lazarus saß den ganzen Tag draußen vor dem Haus von
dem reichen Mann. Lazarus dachte, dass der reiche Mann ihm etwas zu essen gibt. Aber das tat der reiche Mann nie.
Nur manchmal kamen einige Hunde. Und schnüffelten an Lazarus.

Eines Tages starb Lazarus. Lazarus kam in den Himmel zu Gott.
Dann starb auch der reiche Mann. Der reiche Mann kam in die Hölle. In der Hölle sind die Menschen, die mit Gott nichts zu tun haben wollen. Und die sich nie um andere Leute gekümmert haben.

In der Hölle ging es dem reichen Mann schlecht.
Der reiche Mann hatte Schmerzen. Und Hunger.
Und Durst. Er fühlte sich ganz alleine.
Der reiche Mann konnte Lazarus bei Gott im Himmel sehen.
Der reiche Mann merkte, dass Lazarus bei Gott im Himmel glücklich war.
Und dass Lazarus jetzt ganz gesund war. Und genug zu essen hatte.
Und zu trinken. Und zum Anziehen.
Und dass Lazarus viele gute Freunde bei Gott im Himmel hatte.

Einer von den Freunden hieß Abraham. Der reiche Mann rief laut: Abraham. Du sollst Lazarus zu mir schicken.
Lazarus soll mir frisches Wasser zu trinken geben.
Hier in der Hölle ist es ganz schrecklich.

Abraham sagte zu dem reichen Mann: Nein. Das geht nicht.
Lazarus kann nicht zu dir kommen. Kein Mensch kann von Gott im Himmel zu euch in die Hölle kommen. Dafür gibt es keinen Weg.

Außerdem denk mal nach: Lazarus hat das ganze Leben lang vor deinem Haus gesessen. Lazarus hatte keinen Platz zum Wohnen. Lazarus war krank. Und hatte Hunger.
Und Durst. Und nichts zum Anziehen. Aber du hast Lazarus nie geholfen.

Der reiche Mann sagte zu Abraham: Ja, das stimmt. Aber dann soll Lazarus wenigstens zu meiner Familie gehen.
Lazarus soll meiner Familie sagen: Ihr sollt den Armen helfen. Damit ihr zu Gott in den Himmel kommt. Bei Gott im Himmel ist es schön. In der Hölle ist es schrecklich.

Abraham sagte zu dem reichen Mann: Nein. Lazarus soll nicht zu deiner Familie gehen. Deine Familie weiß selber, dass ihr den armen Leuten helfen sollt. Weil alles in der Bibel steht. Aber deine Familie lacht über die Bibel. Und über alles, was in der Bibel steht. Und über Gott.
Wenn Lazarus zu deiner Familie geht,
dann lacht deine Familie auch über Lazarus.

Jesus stellt uns ein Bild mit einem starken Kontrast vor Augen. Beide Figuren in der Beispielgeschichte leben auf je ihre Weise am Rande der Gesellschaft. Der eine gehört zu der sehr kleinen Schicht der Superreichen. Er kann die Freuden des Reichtums in vollen Zügen genießen. Der andere steht als Bettelarmer am entgegen gesetzten Rand der Gesellschaft. Ihm reicht es nicht einmal für das tägliche Brot.

Doch der arme Mann besitzt einen Namen: Lazarus. Das heißt: »Gott hilft«. Nur ein einziges Mal in den Evangelien hat ein Mensch, von dem Jesus in einer Beispielgeschichte oder einem Gleichnis erzählt, einen Namen. Das finde ich bemerkenswert, dass Lazarus beim Namen genannt wird! Es macht was mit uns, wenn wir beim Namen genannt werden (Erfahrungen am Schuljahresbeginn kurz erzählen, wenn ich von vier Klassen die Namen lernen muss und wie das den Unterricht verändert, wenn man die Kinder beim Namen nennen kann).
Dagegen bleibt der reiche Mann namenlos. Der reiche Mann bleibt aus Gottes Sicht profil- und bedeutungslos. Vor Gott hat er keinen Namen. Das Leben des reichen Mannes vergeht, ohne aus Gottes Sicht etwas Bedeutendes zu bewirken. In seiner Ewigkeit fehlt dem Reichen das entscheidende Gewicht, um von Gott angenommen zu werden.

Aus menschlicher Sicht sah das Ganze allerdings genau umgekehrt aus. Viele kannten den Namen des Reichen. Auch wir kennen die Namen der Superreichen. Doch über den Armen verlor damals niemand ein Wort. Bis heute bleiben die Armen bei uns ohne Namen. Genau entgegengesetzt zur Bibel.

Damit wir diese Geschichte recht verstehen, scheinen mir drei Grundgedanken wichtig zu sein.

1. Was mir gehört, nimmt mich in Pflicht

Vielleicht denkt die eine oder der andere: Ich habe mein Einkommen. Damit kann ich auskommen, aber reich bin ich noch lange nicht.

Da stellt sich mir die Frage: Was ist Reichtum? Wer diese Frage bedenkt, merkt schnell: Reichtum ist relativ. Was Reichtum ist, das hängt davon ab, von wo aus ich etwas betrachte.

Ein Altenpfleger hält den Arbeiter in der Metallindustrie für einen reichen Mann. Denn der verdient auf jeden Fall deutlich mehr. Der Arbeiter wiederum sieht in der leitenden Ingenieurin eine reiche Frau. Und die Ingenieurin sieht in dem leitenden Angestellten einer großen Bank oder dem Eigentümer einer Handelskette die wirklich Reichen. Doch wir alle in Deutschland sind im Vergleich zur großen Mehrheit der Weltbevölkerung materiell reich.

Diese Beispielgeschichte Jesu sagt uns nun: Reichsein birgt eine Gefahr in sich. Reichtum verändert viele Menschen, so dass sie habgierig und hartherzig werden. Und dann besteht die Gefahr, dass Gott aus dem Leben gedrängt wird. Aktiv hat der reiche Mann in der Erzählung Jesu nichts Böses getan. Aber er hat das Gute unterlassen. Er hat sich hartherzig des armen Lazarus’ nicht angenommen. Er hat die gebotene Hilfeleistung unterlassen. Er sah einfach über das Elend des Lazarus hinweg. Die Hunde waren dem Armen näher als die Menschen.

Damit stehen wir alle in dieser Geschichte mitten drin. Denn die meisten sind in der Lage, bedürftigen Menschen zu helfen. Sei es nun durch viel oder durch wenig. Sei es durch unser Geld oder unsere Zeit, unser Zuhören oder unser Zupacken.

Wir werden dabei entdecken: Der arme Lazarus trägt viele Gesichter. Da ist der alleinstehende ältere Herr, der zwar äußerlich alles hat, aber unter seiner Einsamkeit so sehr leidet. Da ist die allein erziehende Mutter, die mit ihren Kindern in vielen Fragen des täglichen Lebens Hilfe brauchen könnte. Und da sind die vielen mittellosen Menschen in der Zwei-Drittel-Welt, die durch die eingefahrenen Verhältnisse des Welthandels unfair behandelt werden. Und natürlich die unzähligen Flüchtlinge nicht nur, aber auch aus der Ukraine. Es waren noch nie so viel Menschen weltweit auf der Flucht wie derzeit.

Auch in diesen Situationen gilt, was uns unser Grundgesetz in Artikel 14 sagt: »Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.«

Maßstab und Wegweiser für unseren Umgang mit unserem Geld und unserem Reichtum soll eben nicht das Grundmuster des Egoismus sein. Sondern Jesus Christus.

Jesus Christus hat als Sohn des lebendigen Gottes einen unermesslichen Reichtum, mit dem sich kein irdischer Reichtum messen kann. Ihm gehören Himmel und Erde. Alle Schätze der Herrlichkeit Gottes sind sein. Doch er hielt diese Schätze nicht selbstsüchtig fest, sondern ließ den ganzen Reichtum des Himmels und der Erde los und wurde arm für uns. So schreibt Paulus den Korinthern: »Er wurde arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.« Jesus wurde klein wie ein Mensch, damit wir Kleinen Gottes große Kinder werden. Der ewigreiche Gott gab das Letzte, sein Leben am Kreuz für uns her, damit uns Armen geholfen werde – damit wir reich würden vor Gott.

2. Wer auf Gottes Worte hört, findet den Weg des Lebens

Heimathafen- wo komme ich an? In unserem Bibeltext ist von Himmel und Hölle die Rede- skandalös für viele heutzutage. Es ist jetzt hier kein Raum für Diskussionen, vielleicht aber nach dem Gottesdienst. Ich nehme den Bibeltext ernst in seiner Aussage. Viele Ausleger über Jahrhunderte haben den Text so ausgelegt, dass es der Reichtum ist, der dem reichen Mann den Himmel verschließt. Aber das eigentliche Problem liegt viel tiefer.

Das wahre Grundproblem des reichen Mannes liegt nicht in seinem Reichtum, sondern in seiner Haltung gegenüber dem, was Gott ihm zu sagen hat in seinem Wort, der Bibel. Das wird dem reichen Mann zweimal gesagt. In der Lutherübersetzung heißt es: »Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören.« Kurz zusammengefasst lautet die Botschaft von Mose und den Propheten: Du sollst Gott, den Herrn, über alle Dinge lieben, und deinen Nächsten wie dich selbst.

Es ist die Botschaft, die sich durch die ganze Bibel hindurchzieht. Man kann sie hören und tun, doch man kann sie auch beiseiteschieben und ignorieren.

Wie wir mit Gottes Worten umgehen, das ist die entscheidende Frage für unser Leben und auch für den Heimathafen, an dem wir ankommen. Wir haben Jesu Wort. Wir haben die Möglichkeit auf die Worte des Lebens zu hören. Wir sind eingeladen, Jesus zu vertrauen und mit ihm zu leben. Vor zwei Wochen hatten wir Wilhelm Buntz bei uns in der Kreuzkirche zu Gast. Ein Mann mit 15 Jahren Gefängnis, der die Bibel gelesen, geraucht und wieder gelesen hat. Und durch Gottes Wort kam es bei ihm zu einer radikalen Lebenswende. Heute ist er gläubiger Christ, tourt durch Deutschland und lädt zum Glauben an Jesus Christus ein.

Gott redet und durch dieses Reden verändert sich unser Leben. Auch die Zielrichtung unseres Lebens. Aber wir müssen uns Zeit nehmen. Gottes Wort wiederkauen wie die Kühe, hat Martin Luther einmal gesagt. Wir können Gottes Wort nur schwer im Vorbeigehen mitnehmen. Im Vorbeigehen bleibt nicht viel hängen. Deswegen ist es so schön, dass Sie sich niedergelassen haben und noch nicht gegangen sind. Wir brauchen Zeit für Gottes Wort, auch heute Vormittag.

»Für Gottes Wort nehm’ ich mir Zeit, Minuten für die Ewigkeit« heißt es in einem Lied unserer Tage. Gottes Wort schenkt Orientierung über dieses Leben hinaus. Es zeigt uns, worauf es wirklich ankommt. Die Dinge, die unser Leben bestimmen, bekommen durch Gottes Wort das richtige Gewicht: Was in Gottes Augen groß und bedeutend ist, das wird auch uns groß. Und andererseits: Was nur vor den Menschen einen großen Schein hat, aber vor Gott nicht wirklich zählt, das wird auch für uns kleiner. In diesem Lied von Jörg Swoboda heißt es: »Ist die Existenz gesichert, bleibt das Leben doch bedroht. Für den großen Lebenshunger brauchst du Gottes Lebensbrot. Jeder sucht den Sinn des Lebens. Keiner lebt vom Brot allein. Und auf unsre Lebensfrage wird die Bibel Antwort sein.«

Wir hören dieses Lied

Können Sie noch? Ich möchte noch kurz auf einen dritten Punkt kommen:

3. Auf Gottes Urteil kommt es an

In unserem Bibeltext erfüllt sich das Sprichwort: „Ob arm ob reich – im Tode gleich.“ Beide müssen sterben. Beide können nichts mitnehmen. Lazarus nicht, der hatte ja auch gar nichts. Und der Reiche von all seinem Reichtum auch nicht. Doch Gottes Urteil macht die beiden ganz und gar nicht gleich. Der Heimathafen unterscheidet sich sehr! Der Arme erhält den besten Platz; der Reiche findet sich am Ort der Qualen wieder.

Machen wir uns nichts vor: Für alle, die heute auf Gott pfeifen, wird es Folgen haben. Sie werden alle zugeben müssen, dass es Gott gibt. Denn sie werden Gott sehen. Sie müssen ihren Irrtum erkennen; die fatale Fehlkalkulation in ihrer Lebensrechnung einsehen und können doch daran nichts mehr ändern. So hart es ist: Auf diese Menschen pfeift Gott dann auch. Allerdings mit sehr schwerem Herzen und keineswegs schadenfroh. Sondern tieftraurig. Seine Liebe, die bis ans Kreuz ging, hat keine Erwiderung gefunden. Das macht Jesus unendlich traurig und betroffen.

Lazarus aber kommt bei einem wunderbaren Heimathafen an. Bei Gott hat er einen großen Namen. Und er wird bei seinem Namen gerufen und zu Gottes Eigentum erklärt. Gott holt ihn zu sich in seine Nähe. Er ist geborgen im Frieden Gottes. Angekommen im Heimathafen Gottes. Nach einer harten Lebensreise angekommen, endlich zu Hause. Was für ein Geschenk!

Liebe Gemeinde! Wir kommen in dieser Geschichte vor. Wo? Wir leben in einer ähnlichen Situation wie die Brüder des reichen Mannes. Uns bietet sich noch die Gelegenheit, auf Gottes Wort zu hören. Uns steht die Möglichkeit offen, heute Gottes Einladung anzunehmen. Aus Gottes Wort lernen wir, dass unterlassene Hilfeleistung Unrecht ist. Es gilt heute aktiv zu leben. Jesus will uns mit der Geschichte nicht die Hölle heiß machen, sondern das heutige Hören auf sein Wort wichtig machen. Darum heißt es: »Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören.«

Diese Geschichte möchte uns dazu bewegen, dass wir heute auf Jesu Worte hören, damit wir ihm für Zeit und Ewigkeit gehören. Diese Erzählung möchte uns aufrütteln, damit wir heute Jesu Worte ernst nehmen und den wahren Reichtum schon heute erkennen. Denn reich wird schon heute unser Leben, wenn wir lernen, Jesus Christus zu vertrauen und uns untereinander mit Zeit und Liebe zu beschenken.

Deshalb: machen wir uns doch heute neu oder zum ersten Mal auf. Jesus hat unsere Nähe heute gesucht. Suchen wir sie doch auch. Springen wir doch in seine Arme. Er streckt sie uns entgegen. Wag den Sprung in Gottes Hände. Amen.

Verfasser: Pfarrer Friedemann Wenzke, Dr. Martin Luther Str. 18, 95445 Bayreuth, Tel: 0921/ 41168, E-Mail: friedemann.wenzke@elkb.de