Predigt: Gottes Maßstab - Konfirmation am 08.05.2022

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Festgemeinde,

was hat die Konfirmation mit einem Meterstab zu tun? Als ich 1987 konfirmiert wurde, war ich schon der Größte. Ich war ca. 180 groß. Der Größte sein: das hat sich dann durch alle Klassenstufen gezogen. Aber Körpergröße ist nicht alles und kann manchmal sogar sehr hinderlich sein. Ich denke betrübt an meine Sportnoten, weil es eine Zeit gab in meinem Leben, da war ich körperlich so in Entwicklung, dass ich gar nicht sportlich sein konnte. Ich saß im Sportunterricht beim Mannschaft wählen als letzter auf der Bank und habe auch schlechte Noten bekommen. Es hat Jahre gebraucht, bis ich Sport für mich neu und positiv entdecken konnte. Der Größte zu sein ist also nicht immer erstrebenswert. Und doch orientieren wir uns so oft nach offen und messen und vergleichen.

Nochmal: Was hat die Konfirmation mit einem Meterstab zu tun? Bei unseren Jugendlichen wird nicht nur die Körpergröße gemessen, sondern es gibt viele Maßstäbe, die an ihr Leben angelegt werden. Da ist als Erstes die Schule. Hier ist die Messlatte eindeutig: Es geht um Noten – und am besten soll es die Eins sein (eine eins von einem Konfi formen lassen). Natürlich wissen wir alle, dass ein Mensch viel mehr wert ist als die Zahlen in seinem Zeugnis – trotzdem rechnen wir den Durchschnitt aus; trotzdem runzeln wir die Stirn, wenn unsere Erwartungen nicht erfüllt werden. Natürlich wollen wir alle nur das Beste für unsere Kinder – sie sollen eine gute Zukunft haben. Denn wir Erwachsenen wissen: Das Leben ist eine Treppe (Treppe nach und nach formen). Stufe für Stufe geht es nach oben: Schule, Ausbildung, Karriere, Heirat, Familie, Eigenheim und so weiter. Was gibt es noch für Maßstäbe? Mit dem Smartphone ständig online, facebook (fast schon wieder im Aussterben), WhatsApp, Instagram, twitter und was es sonst noch alles gibt. Eine Mutter sagte zu ihrem 14-jährigen Sohn: »Jetzt leg’ endlich das Handy weg; geh’ doch mal raus und spiel’ Fußball!« Der Junge war völlig entsetzt: »Willst du, dass ich meine sozialen Kontakte verliere?«

Ich bin froh, dass ihr da auf der Konfifreizeit anders drauf wart. Ohne Murren habt ihr geschluckt, dass es an diesem Ort einfach keinen Empfang gab. Da hatten manche Eltern schon fast größere Probleme als ihr…

Und dann ist da noch ein wichtiger Maßstab: der Bildschirm (Rechteck 80x 40 cm formen). Eigentlich müsste ich es noch viel größer formen. Richtige Bildschirmwände finden sich in Wohnzimmern der bisherige Fernseher und klassische Computer hat ziemlich ausgedient. Jungs wollen Action sehen, Mädchen schauen DSDS und Germanys Next Topmodel. Etwas klischeehaft ich weiß. Und natürlich die ganze Welt der Computerspiele. Es gibt gute Sachen dabei, aber es gibt auch viel unnötigen Zeitvertreib und manche schlechten Einflüsse.

Und dann gibt es Menschen, für die liegt die Messlatte zu hoch (Meterstab ganz auseinander falten). Sie bleiben hinter den Erwartungen zurück; sie schaffen es nicht, nach oben zu kommen. Im Fernsehen mag das lustig sein, wenn sich einer blamiert. Sicher kennen Sie auch die Klassiker Sendung: verstehen Sie Spaß. Da kann man oft schon richtig lachen, wie sich Menschen hinters Licht führen lassen und blamieren. Im Fernsehen mag das lustig sein – im echten Leben tut es immer wieder verdammt weh. Nicht bei jedem steht die Eins im Zeugnis, nicht jeder ist ein Sportass , nicht jeder erfüllt alle körperlichen Maße, die scheinbar die Norm sein sollen. Manche bleiben auf den unteren Treppenstufen stehen und es ist bitter, wenn sich das schon in jungen Jahren anbahnt.

Bin ich nichts wert, wenn ich nicht dem Maßstab der Mehrheit entspreche? Hat mein Leben einen Sinn, wenn ich nicht immer in der ersten Reihe stehe? Wie gehen wir um mit Wünschen und Träumen um, die sich nicht erfüllen?

Für unsere Jugendlichen gab es in den vergangenen Monaten noch eine weitere Messlatte: die Konfirmation. Ein Jahr lang den Unterricht und den Gottesdienst besuchen, ein Jahr lang über den christlichen Glauben nachdenken, ein Jahr lang Texte und Bibelverse auswendig lernen. Glaubensbekenntnis, Taufe, Abendmahl, die Zehn Gebote (vorbereitete 1 und O hochhalten). Und vielleicht sagen Sie jetzt: Die Zehn Gebote – das ist auch so ein Maßstab, der mir Mühe macht. Ich bin nicht unfehlbar wie der Papst, ich trage keinen Heiligenschein. Ich bin ein Mensch mit Fehlern und Schwächen. Die Zehn Gebote – das schaffe ich nicht, diese Messlatte ist mir zu hoch. Ich brauche keinen Glauben, der mir ein schlechtes Gewissen macht. Ich möchte keinen Gott mit erhobenem Zeigefinger.

Aber seht: Das Entscheidende am christlichen Glauben ist kein Heiligenschein. Es geht nicht darum, dass ich mich immer im besten Licht zeige, dass mir kein Zacken aus der Krone fällt. Das Entscheidende sind auch nicht Gebote und Verbote und wie oft ich etwas falschmache. Sondern Gott hat für uns Menschen einen anderen Maßstab. Einen Maßstab, der uns überrascht. Einen Maßstab, der uns herausfordert.

Gottes Maßstab für uns ist das Kreuz (Kreuz zeigen). Das Kreuz: Hier gelten die gewohnten Maßstäbe nicht mehr. Hier wird nicht gefragt, was ich leisten und was ich mir leisten kann. Hier zählen weder Schulabschluss noch Kontostand. Hier gilt nicht groß noch klein, dick oder dünn, Strahlemann oder Mauerblümchen. Am Kreuz gelten ganz andere Maßstäbe. Am Kreuz wird gezeigt, was Jesus für mich geleistet hat. Er hat sein Leben gegeben, um Dir und mir zu zeigen: soviel bist du mir wert! Er ist gestorben, damit Du nach ganz neuen Maßstäben leben kannst. Das Kreuz ist das Sinnbild dafür, dass Gott uns liebt. So lieb, dass er sogar sein Leben für uns gelassen hat. Das ist doch extrem: Das Kreuz ist der Beweis, dass Gott ganz für uns da ist.

Vor 2.000 Jahren ist Jesus Christus, der Sohn Gottes, am Kreuz gestorben. Er passt nicht in das Bild, das wir Menschen uns von Gott machen. Was er sagt, fällt aus dem Rahmen unserer Vorstellungen. Und sein Tod am Kreuz hält der Menschheit einen Spiegel vor: »Dazu seid ihr fähig. Solche Grausamkeiten tun Menschen einander an.« Das Kreuz ist eine Messlatte für Sünde und Schuld. Doch drei Tage später war Jesus wieder da. Auferstanden von den Toten, um allen zu zeigen: Die Maßstäbe haben sich geändert. Hass, Tod und Gewalt haben nicht das letzte Wort.

In letzter Zeit hat eine christliche Band von sich reden gemacht mit dem Namen „O Bros“. Die Brüder begannen bereits im Kindesalter, Songs zu schreiben und öffentlich aufzutreten. Sie absolvierten eine klassische musikalische Ausbildung und arbeiteten sich als Jugendliche autodidaktisch in die Musikproduktion ein. 2015 schlossen sie ihr Abitur in München ab und studieren mittlerweile Zahnmedizin und Betriebs-wirtschaftslehre. Die Brüder komponieren und produzieren ihre Songs selber. 2019 gewannen sie den SPH Bandcontest, [2]der mit ca. 2000 teilnehmenden Bands als größter Nachwuchswettbewerb seiner Art im deutschsprachigen Raum gilt. Daraufhin haben sie viel Hass und Widerstand erfahren. Aber sie nutzen ihren Bekanntheitsgrad und verkünden auf ihre Art Jesu Liebe. Wir hören mal auf ihr neuestes Lied, das zu Ostern erschienen ist:

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Durch das Comeback, durch die Auferstehung ist das Kreuz zu einem Lebenszeichen geworden. Durch das Comeback der Auferstehung ist das Kreuz zu einem Freiheitszeichen geworden. Dieses Leben, diese Freiheit hat Jesus uns vorgelebt. In den Städten und Dörfern Israels teilte er die Sorgen und Nöte der Menschen, er heilte Krankheiten und hat vielen geholfen. An seinem Tisch war Platz für die Zöllner und Sünder, mit denen keiner etwas zu tun haben wollte. In der Gemeinschaft mit ihm herrscht ein guter Geist. Da sind Menschen, die sich anstecken lassen von der Liebe Gottes, Menschen, die einander als Schwestern und Brüder begegnen. Der Leistungsdruck, die Konkurrenz untereinander, der Neid auf andere, die mehr haben als wir – all’ das gilt hier nicht. Ab heute sind wir ewig frei. Wir müssen nicht mehr etwas aus uns machen, sondern dürfen empfangen, was uns Gottes Liebe schenkt.

Und darum geht es bei der Konfirmation. Das Kreuz als Lebens- und Freiheitszeichen von aller Schuld, von allen Zwängen dieser Welt will für unser Leben zu einem Maßstab werden. Wir Menschen sind nicht das Maß aller Dinge. Wir basteln uns Messlatten, wir halten uns fest an Vorgaben und Erwartungen. Doch was wir sind und was wir haben an Begabungen und Fähigkeiten, das verdanken wir nicht uns selbst. Vorhin haben wir es miteinander ausgesprochen: »Ich glaube an Gott, den Schöpfer.« Keiner von uns hat sich selbst geschaffen. Sondern Gott hat uns ins Leben gerufen. Er will, dass unser Leben gelingt. Er schenkt uns seine Liebe. Und wir erfahren seine Vergebung, wo wir die Messlatte reißen, wo wir vor Gott schuldig werden, wo wir Erwartungen nicht erfüllen. Am Kreuz zerbrechen die Maßstäbe, die uns das Leben schwer machen. Am Kreuz fängt Gott neu mit uns an. Am Kreuz bekommen wir eine Perspektive für unser Leben, die trägt und hält.

Ihr bekommt nachher alle ein Kreuz überreicht. Ein schlichtes Silberkreuz als Erinnerung dafür, welcher Maßstab für euer Leben gelten soll. Ihr seid teuer erkauft, Gott hat sich euch was kosten lassen: seinen Sohn. Deshalb seid ihr unendlich wertvoll in Gottes Augen. Und jetzt fragt Gott Euch nach unserer Antwort aufgrund dieser großen Liebeserklärung am Kreuz? Was werden wir ihm sagen?

Natürlich sieht euer Ja zu Gott heute mit 14 Jahren anders aus als in 20, 30 oder 40 Jahren, wenn noch mehr Lebenserfahrung dazugekommen ist. Aber es ist genauso wertvoll. Sage nicht, Du bist zu jung. Gott nimmt dich ernst, so wie du bist. Darum sage mutig und mit all deiner Überzeugung: Ja, ich will in Zukunft mein Leben mit Gott leben, im Glauben an ihn wachsen und in seiner Gemeinde bleiben. Es steht dir kein Geringerer zur Seite als der Gekreuzigte und auferstandene Christus! Amen.

Lied: Nun jauchzt dem Herren alle Welt (EG 288,1-5)