Gründonnerstag 14.04.2022, Kreuzkirche Bayreuth, Predigt: 1. Kor. 10, 16f

Liebe Gemeinde,

dieser Abend führt uns zusammen. Dabei sind wir ganz unterschiedliche Menschen. Aber dieser Abend bringt uns vor dem Altar zusammen. Es ist der Abend der Gemeinschaft. Auch für Jesus war es, am Tag vor seinem Tod, der Abend der Gemeinschaft. Da rief er seine Freunde zusammen zum gemeinsamen Mahl. Wir schauen uns heute Abend verschiedene Aspekte dieser Gemeinschaft von damals und heute genauer an.

I. Gefährdete Gemeinschaft

Die erste Abendmahlsgemeinschaft war eine gefährdete Gemeinschaft. Es schwang viel Schwieriges mit. Gleich nach dem Abendmahl gingen die Abendmahlsgemeinschaft in den Garten Gethsemane. Dort schliefen die Jünger ein. Mehrfach, trotz aller Aufforderungen Jesu. Eine große Gefährdung ist das für die Nachfolgegemeinschaft von Jesus. Auch wir stehen immer wieder in der Gefahr schläfrig zu werden. Auch wir haben Jesus schon manches versprochen und dann nicht gehalten. Da geht man erfüllt aus einem Gottesdienst oder fährt von einer Freizeit ab. Aber wie schnell ist der Alltag wieder eingekehrt und das Glaubensleben lau und müde geworden.

»Jesus, ich bleibe bei dir« sagte Petrus damals. Aber er hat es nicht durchgehalten. Noch schmerzlicher war das mit Judas: Er hat Jesus nach dem Mahl verraten. Das erinnert, wie auch wir uns immer wieder von Jesus distanzieren. Oder wo wir anderen Menschen in den Rücken fallen. Treue in der Sache Jesus sieht anders aus.

All das schwingt jetzt auch mit. Es ist der Abend der bedrohten Gemeinschaft. Allerdings sollten wir nicht übersehen: Selbst Judas wurde damals von Jesus an seinen Tisch eingeladen. Er sollte mitfeiern. »Auch du gehörst zu mir! Auch du bist ein Teil der Gemeinschaft.«

Dabei ahnen wir: Diese Gemeinschaft ist tiefer. Sie bewältigt auch unsere Gegensätze. Sie hält uns trotz aller menschlichen und geistlichen Unterschiede zusammen.

An diese tiefe Gemeinschaft erinnert der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth. Auch dort war das Miteinander der Christen bedroht. In manchem sogar zerstört. Paulus hörte von den Problemen in Korinth und der christlichen Gemeinde dort. Und er wusste: Unser guter Wille und unsere Kräfte reichen nicht für ein gutes Miteinander im Glauben. Darum erinnert er die Korinther, wie Christus die Gemeinschaft zwischen uns schafft und wie wir sie bewahren können.

Hören wir dazu den Predigtabschnitt für heute aus dem 10. Kapitel des 1. Korintherbriefs, die Verse 16 und 17– hier zuerst in der Übertragung der guten Nachricht:

Denkt an den Segensbecher, über den wir beim Mahl des Herrn das Segensgebet sprechen: Gibt er uns nicht teil an dem Blut, das Christus für uns vergossen hat? Denkt an das Brot, das wir austeilen: Gibt es uns nicht teil an seinem Leib?
Es ist nur ein einziges Brot. Darum bilden wir alle, auch wenn wir viele sind, einen einzigen Leib; denn wir essen alle von dem einen Brot.

Wir sind durch Christus miteinander verbunden, das ist Paulus wichtig. »Wenn ihr an Christus glaubt,« betont er, »seid ihr ein Teil seines Leibes. Darum lebt nicht gegeneinander. Darum glaubt nicht gegeneinander, sondern miteinander! Und feiert das im Abendmahl. Dies ist mein Geschenk an euch.“ Und so ist das Abendmahl nicht nur gefährdete Gemeinschaft, sondern auch geschenkte Gemeinschaft.

II. Geschenkte Gemeinschaft

»Denkt an den Segensbecher« schreibt Paulus. Er greift eine Formulierung aus der jüdischen Passahfeier auf. Paulus meint damit: Seht weg von euch selbst. Nehmt euch nicht so wichtig. Seht vielmehr auf den Segensbecher. Wir alle trinken aus ihm. Das verbindet uns. Unsere Gemeinschaft entsteht nicht durch unseren guten Willen oder unsere Einsicht. Unsere Gemeinschaft hängt auch nicht davon ab, ob wir es miteinander können oder ob wir einander nett finden. Sondern sie wird uns geschenkt durch Christus. Er verbindet uns. Er weist uns aneinander! Er beschenkt keinen von uns für sich allein. Wir stehen gemeinsam vor ihm, um zu empfangen. Dabei haben wir Christus am Kreuz vor Augen. Er hängt da mit ausgebreiteten Armen: Durch diese Arme ruft er uns zusammen. Damals standen seine Mutter und der Jünger Johannes unter dem Kreuz. Jesus sprach sie an: »Das ist dein Sohn«, sagte er zu Maria. »Das ist deine Mutter« sagte er zu Johannes. Damit schafft er die neue Familie der Glaubenden. Auch heute Abend hier in der Kirche. Vielleicht machen die Anderen ganz andere Schritte auf ihrem Glaubensweg als du. Vielleicht mögen wir gar nicht alle, die heute Abend hier sind. Aber die ausgespannten Arme von Jesus halten uns zusammen.

So schafft Christus mit seinem Leiden und Sterben einen neuen Raum der Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft ist sein Geschenk für uns. Geschenkte Gemeinschaft! Tischgemeinschaft und Abendmahls-gemeinschaft.

Wir haben gehört: die Abendmahls-gemeinschaft, die Gemeinschaft unter Christen ist eine gefährdete und eine geschenkte Gemeinschaft. Und sie ist auch noch etwas Drittes:

III. Erneuerte Gemeinschaft

Diese Gemeinschaft ist auch bei uns immer wieder bedroht. Ein besonders großer Schaden entsteht dort, wo wir uns für fehlerlos halten.

Es gibt eine Kirche im Westen der USA. Über dem Eingang der Kirche brachte jemand eine große Inschrift an: »For sinners only« – »Zutritt nur für Sünder!« Würden Sie da gerne eintreten? Natürlich ist es unangenehm, das so direkt zu sagen: Ich, ein Sünder! Aber es ist ja auch befreiend: Da darf ich kommen, mit den Bruchstücken meines Lebens, mit allen Enttäuschungen die ich anderen bereitet habe. Ich darf kommen und werde nicht weggeschickt.

Beglückend haben wir das vor zehn Tagen auf der Konfirmandenfreizeit erlebt. Erst haben wir einen Brief an Gott geschrieben, dann persönliche Gespräche geführt und dann einen großen und vielfältigen Vergebungs-abend gefeiert. Ich habe mich so gefreut, dass da so viel Ehrlichkeit da war. Und die Vergebung und die Gewissheit von Gott geliebt zu sein, hat uns dann miteinander sehr verbunden. So verbunden, dass am nächsten Morgen beim Frühstück einige Konfirmanden sagten: Können wir nicht noch eine Woche gemeinsam hier verbringen? Wir konnten es nicht, aber wir haben erlebt, wie schön es ist, bei Gott willkommen zu sein und wie das neue, tiefgehende Gemeinschaft schenkt.

»For sinners only« Das schafft Gemeinschaft. Im Raum der von Christus geschenkten Gemeinschaft stehen lauter Sünder.

Am schwersten ist da der Zugang für diejenigen, die sich für rechtschaffen halten. Dabei schwingt bei Paulus ein ernster Gedanke mit: Wer sich für fehlerlos hält, der stellt sich und seine Ehre und seine Perfektion über alles andere und über alle anderen. Wer sich für fehlerlos hält, der vergötzt sich selbst! Der aber schließt sich von der Gemeinschaft der Glaubenden aus. Er kann nicht an der Christusfamilie teilhaben. Darum betont Paulus: Wir alle sind Sünder. Der Wert der Abendmahlsgemeinschaft ist nur erlebbar »For sinners only«

Darum bringt zum Abendmahl all die Bruchstücke eures Lebens mit. Bringt die Brüche eurer Beziehungen mit. Bringt die zerbrochene Gesundheit und die zerbrochene Beziehung. Und seht auf den Kelch. Christus hat ihn für uns gefüllt. Trinkt aus ihm. Und vertraut: Christus hilft, dass ihr euch von euch selbst lösen könnt. Christus befreit euch vom Zwang, euch selbst erlösen zu müssen. Christus schafft neue Gemeinschaft. Erneuerte Gemeinschaft. Aber auch diese erneuerte Gemeinschaft ist kein Selbstläufer. Wir müssen sie uns immer wieder erkämpfen. Das ist das Vierte:

IV. Erkämpfte Gemeinschaft

Christus selbst hat für diese neue Gemeinschaft gekämpft. Bis zum Tod. Manchmal muss er auch mit uns ringen. Nämlich dort, wo in uns Neigungen aufbrechen, die uns von anderen fernhalten.

Er erwartet, dass wir dabei mitkämpfen. Denn wir wissen es aus unserem Alltagsleben: ein gemeinsames Leben ist nicht immer einfach. Wo Ehepaare ihren Weg miteinander gehen, da nervt man sich auch mal. Wo Menschen im Beruf zusammenwirken, da gibt es auch Reibungsflächen. Mitarbeiter in einer Kirchengemeinde haben unterschiedliche Vorstellungen. Und zwischen den Generationen oder mit Nachbarn muss immer wieder manches geklärt werden. Gemeinschaft zwischen Menschen verlangt Beziehungsarbeit. Sie ist immer auch erkämpfte Gemeinschaft.

Darum lenkt Paulus unsern Blick noch einmal auf den Kelch. Ich bin doch der Weinstock. Der trägt nicht nur ein einzelnes Träubchen, sondern viele Trauben. Die hängen gemeinsam an ihm. Wer sich von den anderen absondert, der verliert dadurch auch die Verbindung zum Weinstock, zu Christus.

Darum gilt beides: haltet euch an Christus fest. Und bewahrt die Verbindung zueinander. Ihr braucht dazu Geduld. Ihr braucht dazu die Einsicht in eure eigenen Grenzen. Ihr braucht dazu den Willen und die Bereitschaft zu kämpfen. Erkämpfte Gemeinschaft!

Dabei bleiben Unterschiede zwischen uns. Wir müssen nicht alle besondere Gefühle füreinander entwickeln. Wir stehen auch künftig manchen innerlich näher als anderen. Auch in der Kirchengemeinde müssen wir nicht alle Freunde sein. Es ist schön, wenn wir Freunde in der Gemeinde haben und finden. Aber wir wollen auch nichts erzwingen. Durch seinen Kelch segnet Christus unsere Bemühungen um ein gutes Miteinander. Und wir können ruhig und ohne innere Widerstände miteinander Schritte auf dem Weg des Glaubens machen.

Das verlangt uns manches ab. Darum zeigt Paulus auch hin auf das Abendmahlsbrot. Christus stärkt uns doch, wenn wir um den gemeinsamen Weg ringen. Von ihm empfangen wir Energie, wenn wir einen neuen Anlauf miteinander wagen. Er eröffnet uns Möglichkeiten, um auf andere zuzugehen. Kämpft darum. So werdet ihr selbst zu einem Stück Lebensbrot für alle, die nach Gemeinschaft hungern. Denn auf diesem Kämpfen liegt ein Segen. Dazu will euch der gesegnete Kelch und das gesegnete Brot Mut machen.

So feiern wir, liebe Gemeinde, Gottesdienst und Abendmahl. Wir wissen, dass unsere Gemeinschaft immer wieder bedroht ist. Aber Christus schenkt und eröffnet uns den neuen Raum der Gemeinschaft. Wir danken Gott, dass er unser Miteinander erneuert. Und wir lassen uns ermutigen, unser Teil dazu beizutragen: Bedrohte – geschenkte – erneuerte – erkämpfte Gemeinschaft! Das feiern wir! Christus stärke uns dazu im Abendmahl.

Hören wir nun zum Schluss der Predigt noch einmal unseren Bibeltext, jetzt in der Übersetzung Martin Luthers:

Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist’s. So sind wir, die vielen, ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.

Amen.

Verfasser: Pfarrer Friedemann Wenzke, Dr. Martin Luther Str. 18, 95445 Bayreuth, Tel: 0921/41168;
E-Mail: friedemann.wenzke@elkb.de