Kreuzkirche Bayreuth. 2. So n. Epiphanias. 16.01.2022. Predigt: 1. Kor. 2, 1-10

Liebe Gemeinde,

Als Weise wurden sie bezeichnet. Viel hatten sie sich angeeignet. Sie hatten gelernt und geforscht, gelesen und gelernt. Ihr Wissensdurst war unerschöpflich. Doch dann ein Rätsel. Konnte es denn möglich sein? Sie schauten in den Himmel, es war ganz deutlich. Gestern war er noch nicht da und heute überstrahlte er alles. Der seltsame Stern am Himmel.

Unbeirrt marschierten die drei los. Es drängte sie, dem Geheimnis hoch am Himmel auf die Spur zu kommen. Doch diese Ungewissheit, dieses Geheimnis wurde ihnen zur Gewissheit. So gewiss, dass sie sicheren Fußes losgingen. Nichts konnte sie auf ihrem Weg aufhalten, das Geheimnis zu ergründen. Und die drei Weisen, die nichts weiter hatten als den Stern am Himmel und eine alte Prophezeiung, erreichten ihr Ziel. Ohne Sicherheitsnetz, ohne einen Beweis, dass ihr Vorhaben auch Erfolg haben würde, gingen sie dem Geheimnis nach.

Auch heute ist die Menschwerdung Gottes, Jesu Leben und Sterben am Kreuz und seine Auferstehung ein Geheimnis. Weihnachten liegt gerade drei Wochen hinter uns. Christi Geburt wurde auf der ganzen Welt gefeiert, doch nicht für jeden Menschen erschließt sich dieses wunderbare Ereignis des Heiligen Abends.

Von diesem Christusgeheimnis spricht Paulus heute im Predigttext. Gedanklich reist er in die Vergangenheit und blickt zurück. Er erzählt uns von dem Geheimnis und seiner Zeit in der Gemeinde in Korinth. Nun war er schon einige Zeit fort. Die Gemeinde musste ohne ihn auskommen. Doch was Paulus von seiner Gemeinde nun hört, gefällt ihm nicht. Sie stritten sich, hatten verschiedene Ansichten zu folgenden Themen: Welche Bedeutung hat das Kreuz und die Auferstehung,wer sollte auf wen in der Gemeinde Rücksicht nehmen, was ist Christen erlaubt und was nicht?

Und so beantwortet Paulus die Probleme und Fragen aus der Gemeinde im 1. Brief an die Korinther. Vier Kapitel widmet er der Bedeutung des Kreuzes für den Glauben.

Wir hören einen Abschnitt daraus aus dem Kapitel 2, die Verse 1–10.

Ihr Lieben! Als ich zu euch kam und euch Gottes Botschaft brachte, habe ich das nicht mit hochtrabenden Worten und klugen Gedanken getan. Ich wollte von nichts anderem sprechen als von Jesus Christus und von seinem Tod am Kreuz. Dabei fühlte ich mich schwach und elend, war voller Angst und Furcht.
Was ich euch sagte und predigte, war nicht ausgeklügelte Überredungskunst, durch mich sprach Gottes Geist und wirkte seine Kraft.
Denn euer Glaube sollte sich nicht auf Menschenweisheit gründen, sondern auf Gottes rettende Kraft. Dennoch erkennt jeder im Glauben gereifte Christ, wie wahr und voller Weisheit diese Botschaft ist, auch wenn diese Welt und ihre Machthaber das nicht als Weisheit gelten lassen wollen. Aber die Welt mit aller ihrer Macht wird untergehen.
Die Weisheit, die wir verkündigen, ist Gottes Weisheit. Sie bleibt ein Geheimnis und vor den Augen der Welt verborgen. Und doch hat Gott, noch ehe er die Welt schuf, in seiner Weisheit beschlossen, uns an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen.
Von den Herrschern dieser Welt hat das keiner erkannt. Sonst hätten sie Christus, den Herrn der Herrlichkeit nicht ans Kreuz geschlagen. Es ist vielmehr das eingetreten, was schon der Prophet Jesaja vorausgesagt hat: "Was kein Auge jemals sah, was kein Ohr jemals hörte, und was sich kein Mensch vorstellen kann, das hält Gott für die bereit die ihn lieben."
Uns aber hat Gott durch den Heiligen Geist sein Geheimnis enthüllt. Denn der Geist Gottes weiß alles, er kennt auch Gottes tiefste Gedanken.

Paulus schreibt den Korinthern von zwei Weisheiten, denen er in seinem Leben begegnet ist und die sein Leben geprägt haben. Zum einen ist es die Weisheit, mit der wir mehr oder weniger vertraut umgehen, die menschliche Weisheit. Es ist die Weisheit, mit der man sich in der Welt zurechtfindet und seinen Weg geht inmitten der beruflichen und persönlichen Anforderungen. Es ist die Weisheit, die im Politischen zwischen Lüge und Wahrheit zu unterscheiden versucht und sich gegen Fake News zur Wehr setzt. Und zweitens ist da die besondere Weisheit, die Weisheit Gottes, die Paulus später erst erkannt hat. Von ihr sagt er, dass sie im Verborgenen blüht und erst einmal gar nicht erkennbar ist. Von ihr hört man viel seltener. Wenn sie spricht, dann bevorzugt sie die leiseren Töne. Die erste Weisheit, die menschliche, hält sie bisweilen für unbedarft und naiv.

Und jetzt kommen wir zu uns. Mit welchen Weisheiten leben wir? Drei Beispiele:

Ich denke an die Menschenweisheit: »Der Jugend gehört die Zukunft.« Das ist ein hoffnungsvoller Satz, der an die Zukunft glaubt und auf die Zukunft hinlebt. Er traut der Jugend zu, neue Wege zu gehen und nicht wieder die alten Fehler zu machen, die Welt zu gestalten und Lösungsmöglichkeiten für die Herausforderungen zu finden.

Oder ich denke an das Sprichwort: »Den Tüchtigen gehört die Welt.« Es macht Sinn, sich anzustrengen, es ist wichtig, wenn Kinder etwas lernen, und es ist schön, zu sehen, welche Fortschritte sie machen. Wer Fähigkeiten hat, soll und kann sie einsetzen. Die Mühe lohnt sich.

Und den Spruch kennen Sie auch: »Aus Schaden wird man klug.« Man lernt aus seinen Fehlern. Einmal war man zu gutgläubig, das nächste Mal ist man bestimmt vorsichtiger. Schließlich will man sich ja nicht länger ausnutzen lassen, nur weil man wieder nachgegeben hat. »Der Jugend gehört die Zukunft«, »den Tüchtigen gehört die Welt«, »aus Schaden wird man klug«, so spricht die Lebensweisheit. Und sie hat ja auch recht, die Lebensregeln haben sich bewährt und für gewöhnlich können wir damit auch gut leben. Leben kann man mit diesen Weisheiten so lange, wie man dazugehört. Aber solche Allerwelts-Weisheiten haben immer auch Schattenseiten und Grenzen: Wenn die Zukunft für die Jugend reserviert ist, dann werden die Älteren Stück für Stück abserviert. Wenn die Tüchtigen, die Macher, die Welt besitzen, wo bleiben dann diejenigen, die gerade nicht gefragt sind mit ihren Fähigkeiten, erst

recht die, die nicht mitkommen? Und es mag ja auch sein, dass mancher aus Schaden klug wird. Viele aber werden aus Schaden bitter, misstrauisch sich und anderen gegenüber. Nein, sie lügt nicht, die Menschenweisheit, aber sie ist immer wieder eine unbarmherzige Weisheit. Die Weisheit der Welt fordert einen hohen Preis. Sie taugt so lange, wie ich dabei bin. Sie trägt so weit, wie die eigene Kraft reicht.

Aber meine Kraft reicht nicht ewig. Die eigene Kraft verbraucht sich. »Ich bin mit meiner Weisheit am Ende«, so klingt der Stoßseufzer von Eltern, die alles versucht haben und dennoch ihrem Kind nicht helfen konnten in einer schwierigen Situation. Ich bin mit meiner Weisheit am Ende, wenn ich mich mit einem Menschen versöhnen möchte, er aber alle Brücken, die ich zu bauen versuche, wieder abbricht. Was ist, wenn die Arbeitsagentur der 22–jährigen Frau, Hauptschulabschluss, mitteilt: Mit unserer Weisheit sind wir am Ende. Für jemanden, der langsam ist und nur eingeschränkt arbeiten kann, haben wir keine Verwendung. Was ist, wenn ein Arzt dir sagt: »Ich bin mit meiner Weisheit am Ende, ich kann Ihnen nicht mehr helfen«? Wir kommen vielleicht nicht oft, aber wir kommen dann und wann ans Ende unserer menschlichen Weisheit. Und was trägt dann? Was trägt durch eine solche Situation hindurch? Was trägt weiter, wenn wir nicht weiter wissen, wenn unsere Kraft nicht mehr reicht?

Paulus spricht von der Weisheit Gottes, die ihn in seiner Krise getragen hat. Er hatte ja auch Krisen, gesundheitliche Krisen zum Beispiel. Er war schwer erkrankt, auch wenn wir nicht genau wissen, woran. Er hatte auch Gemeindekrisen. Er war nicht der brilliante Redner vor dem Herrn und war durchaus umkämpft in den Gemeinden. Und er hatte Glaubenskrisen. Sein Glaube war umkämpft, er kam deshalb sogar in Haft.

Was sind Kennzeichen der Weisheit Gottes? Sie verzichtet auf Parolen und auf lebenskluge Ratschläge. Eher kommt sie in kleinen Wörtern unter, die sich zwischen die Lebenserfahrungen schieben. Sie sagt »obwohl« oder »dennoch«, wenn nach menschlichem Maß Leben scheitert. Wenn nichts mehr zu machen ist, dann klagt und bittet sie. Diese Weisheit hat ein anderes Gesicht als die menschliche Weisheit. Es ist nicht das Gesicht eines Erfolgreichen, und makellos ist es auch nicht. In diesem Gesicht spiegeln sich die Sorgen, die Ängste und die Verletzlichkeiten von Menschen, die an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gelangt sind. Dies Gesicht der göttlichen Weisheit wendet sich nicht von mir ab, wenn ich am Boden bin, es hält meine Schwäche aus. Es ist das Gesicht eines Menschen, der bei denen bleibt, die sich nichts mehr ausrechnen und die keinen Mut und Mumm mehr haben. Es ist das Gesicht eines Menschen, dessen kurzes Leben gewaltsam abgebrochen wurde. Es ist das Gesicht von Jesus Christus! In der Weisheit Gottes blickt Jesus Christus uns an, sieht uns in unseren Schwächen, in unserer Schuld. Auch unser Erschrecken sieht Jesus Christus.

Auch unser Erschrecken nach den schrecklichen Ereignissen in Mistelbach. Unzählige Menschen sind betroffen. Die leiblichen Kinder, Verwandte und Freunde, die Ortsbewohner von Mistelbach, eine unzählbar große Menge an Patienten und Kindern aus dem ganzen Landkreis und darüber hinaus und auch aus unseren Reihen, das gesamte Praxispersonal, Ärztekollegen, Klassenkameraden der verwaisten Kinder und viele, viele mehr. Jesus Christus hört unsere Fragen, unsere Klagen, unser Ringen um Antworten. Auch hier hilft uns die menschliche Weisheit nur bedingt. So dankbar ich auch bin, wie unsere Rettungs- und Betreuungsstruktur, die Zusammenarbeit mit der Polizei und vieles andere in diesem Fall gut funktioniert hat. So habe ich doch in der seelsorgerlichen Begleitung von Betroffenen in den letzten Tagen gespürt, wie sehr wir an unsere Grenzen kommen. Es braucht göttliche Hilfe, damit all diese Menschen nicht verzweifeln und versinken in ihrer Trauer. Aber auch hier gilt die Jahreslosung, wo Jesus sagt: „wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Kommen wir mit unserem Erschrecken, unserer Trauer, unserem Unverständnis, unserer Wut, unserem Fragen zu Jesus Christus. Er wird uns nicht abweisen. Er schließt uns in die Arme, schenkt Trost und Geborgenheit in der Kälte der Brutalität dieser Tat.

Ja, es ist wahr: In Jesus, dem Gekreuzigten, erfahren wir Gott und seine Nähe. Im Kreuz Jesu liegt so viel Trost für Menschen, die leiden. Für Menschen, die traurig sind, weil sie einen oder mehrere liebe Menschen hergeben mussten. Deine Tränen aus dieser Woche hat er gezählt und gesammelt in einen Krug. So fürsorglich ist Gott. Dein Leiden und deine Schwäche ist Gott nicht fern, weil er selbst am Kreuz schwach geworden ist, weil er selbst ganz unten war und es ausgehalten hat. Bis zum bitteren Ende, bis zum Tod. Aus lauter Liebe. Nicht zu sich selbst. Sondern zu anderen: zu dir und mir.
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Und dann ist er auferstanden! Zur Botschaft vom Kreuz gehört die Botschaft von der Auferstehung: Das Leiden ist nicht das Ende. Weil Gott die Realitäten, die menschliche Weisheit auf den Kopf stellt. Menschlich gesehen war am Kreuz alles aus. Doch dann kam die Auferstehung. Menschlich gesehen ist mit dem Tod alles aus. Christlich gesehen beginnt ein Leben in Gottes neuer Welt. Menschlich gedacht ist das Kreuz unvernünftig – in Gottes Plänen und nach seiner Weisheit liegt darin bzw. hängt daran das Heil für die Welt.

Das wollen wir mitnehmen heute: Durch Jesus, den Gekreuzigten, können wir Gott in einer einmaligen Intensität erfahren. Wir sind in unserer Schwäche nicht allein. Unser Schmerz ist umfangen von der Hoffnung, die von seiner Auferstehung ausgeht.

Das wollen wir als Zweites mitnehmen: Wir dürfen mit unseren Grenzen leben. Ich behaupte mal: Niemand sitzt heute Morgen hier, der glatt durchs Leben gekommen ist. Niederlagen und Brüche, schwere Erfahrungen gehören zu unserem Leben. Auch zu einem Leben als Christ. Jesus kennt das selbst. Er war ganz Mensch, ist durch menschlichen Tiefen gegangen bis zu seinem Tod am Kreuz. Und gerade deshalb ist er dir besonders nah, fühlt mit dir, leidet mit dir, aber hält auch Trost und Hilfe bereit. Von seiner Fülle dürfen wir alle nehmen Gnade um Gnade.

Das wollen wir als Drittes mitnehmen und können es nicht oft genug hören und sagen: Die Würde eines Menschen hängt nicht an seinem Erfolg, an seiner Leistungsfähigkeit oder an seinem Bankkonto. Keine menschliche Weisheit der Welt kann uns unsere Würde nehmen. Unsere Würde ist nicht abhängig von der Gunst anderer Menschen. Unsere Würde ist uns von Gott verliehen. Weil er bleibt, wenn alle gehen, weil er uns ansieht, wo alle wegschauen, sind wir stark, auch wenn wir schwach sind. »Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid: ich will euch erquicken.« Und: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Ist das denn möglich? Ja, das ist möglich, denn die Weisheit Gottes ist höher als alle menschliche Vernunft.

Kommen wir noch einmal zum Schluss kurz auf den Prediger Paulus zurück. Was seine Botschaft ausmacht, gilt auch für seine Verkündigung. Gemessen am Maßstab menschlicher Weisheit ist das Wort vom Kreuz unvernünftig. Gemessen an menschlicher Redekunst und medialer Kommunikationstechnik muss das Auftreten des Paulus schwach gewesen sein. Aber es hat gewirkt. Noch heute hören wir auf seine Worte. Gott hat nicht den glänzenden Starprediger geholt, sondern mit seinem theologisch zwar versierten, aber sprachlich unbeholfenen und menschlich ängstlichen Apostel Missionsgeschichte geschrieben.

Überlegen Sie doch einmal, wer sie auf den Weg des Glaubens geführt hat. War es die Predigt eines Strahlemanns, der ein rhetorisches Feuerwerk gezündet hat? Ich vermute, es war das Zeugnis eines Menschen, der Jesus in seinem Herzen hatte, das Zeugnis eines ganz normalen Menschen, der mit ihnen damals am Bett das Gute-Nacht-Gebet gesprochen hat, die Mutter oder die Oma vielleicht. Vielleicht war es der Jungscharleiter, der mit großen Mühen seine Andacht vorbereitete, aber für sie ein glaubwürdiges Lebenszeugnis war. Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Ist das denn möglich? Ja, das ist möglich, denn die Weisheit Gottes ist höher als alle menschliche Vernunft, sie bewahrt unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Verfasser: Pfarrer Friedemann Wenzke, Dr.Martin Luther Str. 18, 95445 Bayreuth, Tel: 0921/41168;
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