Predigt: Jes. 65, 17-19.23-25 am Ewigkeitssonntag 21.11.2021, Kreuzkirche Bayreuth

Liebe Gemeinde,

Würden Sie manchmal auch gerne einen Blick in die Zukunft tun? Es wäre doch spannend zu wissen, was uns das bald beginnende Jahr 2022 bringt. Wo werden wir in einem Jahr stehen? Wird die Coronapandemie sich allmählich doch davon schleichen oder droht uns jeden Herbst und Winter das gleiche Szenario wie jetzt? Wie wird sich die weltpolitische und die finanzpolitische Lage weiterentwickeln? Es ist gut, wenn wir mutig und getrost in die Zukunft blicken. Aber unbewusst schleichen sich doch auch oft Ängste ein.

Zukunftsängste – wer von uns kennt das nicht. Da ist der Einstieg ins Berufsleben oder in eine neue berufliche Herausforderung- ob er wohl gutgehen mag? Neben aller Freude schwingen da immer auch Ängste mit. Selbst der Eintritt ins Rentenalter lässt keineswegs bei allen nur paradiesische Gefühle hochkommen und wenn ja, dann sind sie nicht immer von Dauer. Und wenn uns dieses Jahr liebe Menschen genommen wurden? Da sind oft doch auch Ängste mitverbunden: wie werde ich mein Leben ohne meinen Ehepartner oder ohne meine Eltern oder ohne meine Großeltern gestalten können? Unser Blick in die Zukunft: oft ist er skeptisch, manchmal eingeengt, manchmal traurig.

Heute werden wir hier im Gottesdienst aber auch zu einem ganz anderen Blick in die Zukunft eingeladen. Es ist ein neuer Blick, der uns von Gott her eröffnet wird. Es ist ein Blick in eine neue Welt. Es ist ein Blick in eine neue Freude. Und es ist ein Blick in eine neue Beziehung. Lauter Neuigkeiten, obwohl derjenige, der das alles gesehen hat, schon uralt ist. Es ist der Prophet Jesaja oder einer seiner Schüler, von dem uns folgende Worte in Jesaja 65, ab V 17 ff. überliefert sind:

Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.
18 Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude,
19 und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk.
Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.
23 Sie sollen nicht umsonst arbeiten [und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen;] denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen.
24 Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.
25 Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.

Ist das nicht wirklich ein Blick in eine neue Welt?

Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen“ Eine große Verheißung. Ein Versprechen, das angesichts der zunehmenden Ausnutzung dieses Kosmos zunehmend an Gewicht erhält. Wir haben mit dieser alten Welt verantwortlich umzugehen, v.a. auch deshalb, weil wir nicht wissen, wann die neue kommen wird. Aber wir brauchen der alten Welt nicht nachtrauern. Es wird eine neue Welt kommen. Die alte wird nicht irgendwie repariert oder ausgebeult, weil sie etwas in Schieflage geraten ist. Nein, es gibt eine neue Welt, eine Welt 2.0, ohne Macken und Mängel. Gottes neue Welt wird unsere Erwartungen, Wünsche und Sehnsüchte bei weitem übertreffen. Was uns hier Freude machte, uns erfüllt und glücklich machte, wird dort keine Rolle mehr spielen, weil das Neue viel besser, viel schöner und erfüllender sein wird. Das fällt uns schwer, uns das vorzustellen, weil es schlicht über unsere Vorstellungswelt hinausgeht. Aber Jesaja deutet an, was diese neue Welt ausmacht.

Menschen werden nicht mehr jung und früh sterben. Menschen werden sich nicht mehr vergeblich abmühen, sondern den Segen ihres Lebenswerks erfahren dürfen. Es wird kein Leid mehr sein. In der Schriftlesung haben wir es gehört: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“ Was wird das für eine Erlösung sein. Vielleicht ahnen wir das in diesen Wochen besonders, wenn wir mal öfters auf Friedhöfen stehen als sonst oder hören, was in unseren Krankenhäusern los ist oder in die Krisengebiete dieser Welt gehen würden. Was wird das für eine Erlösung sein, wenn einmal keine Tränen mehr geweint werden müssen. Keine Tränen mehr über andere oder über uns selbst. Keine Tränen mehr über unser Versagen über den Schmerz oder das Leid. Was wird das für eine Erlösung sein, wenn Gott unsere Tränen trocknet. Keine Tränen des Leides mehr. Höchstens nur noch Tränen der Freude. Das sind die schönsten Tränen.

Denn Jesaja eröffnet uns nicht nur einen Blick in eine neue Welt, sondern auch in eine neue Freude. Es gibt ein schönes Kinderlied, da lautet der Kehrvers: „Freude, Freude über Freude, Freude im Himmel und überall“. Ja, so ist es uns in Aussicht gestellt. Ein Blick voll Freude, nicht mehr voll Sorge in die Zukunft. Warum?

Weil die Freude aus dem Herzen Gottes kommt und auf uns überspringt. Dann wird dauerhafte Freude sein. Die Traurigkeit ist vorbei, aber nicht so, dass sie immer mal wieder aufwacht und in uns aufsteigt. Nein, sie ist dauerhaft vorbei. Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude,

19 und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. So wird also die Freude pulsieren zwischen Gott und uns. Gott selbst ist der Garant für diese Freude. Diese Aussicht auf Freude ist es, die uns hilft, unser Leben hier getrost und mutig zu bestehen. Diese Aussicht auf Freude ist es, die uns Kraft gibt, Protestleute gegen den Tod zu sein. Als Christen leben und denken wir von der Auferstehung her. Und wir vertrauen darauf, dass Gott unsere Verstorbenen schon jetzt zu dieser Freude leiten kann. Denn das ist der Himmel: Gott freut sich und wir freuen uns: mit ewiger, überschäumender Freude.

Und schließlich noch ein Blick in die neue Gottesbeziehung, die uns in Aussicht gestellt ist: Im Moment müssen wir es ja manchmal noch erleben, dass wir beten und scheinbar nichts geschieht. Im Moment kann es passieren, dass Gott uns gelegentlich ganz fern erscheint. Im Moment können wir Gott noch nicht sehen. Aber auch hier ist ganz Neues verheißen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören. So also sieht die neue Gottesbeziehung aus. Enger kann die Verbundenheit mit Gott nicht sein. Fester kann die Beziehung nicht sein. Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören. Das ist der Himmel: Gott kommt uns in leidenschaftlicher Liebe entgegen, hört uns, hilft uns und verlässt uns nie mehr. Gar nichts darf diese Liebesbeziehung mehr gefährden oder zerstören.

Liebe Gemeinde, was ist das für ein anderer Blick in die Zukunft als der, den wir sonst in der Regel haben. Ein Blick in eine neue Welt. Ein Blick in eine neue, von Gott garantierte Freude. Ein Blick in eine tiefe und durch nichts mehr zu zerstörende Liebesbeziehung zwischen Gott und uns.

Zugegeben, noch sind wir nicht so weit. Noch trifft uns immer wieder die Wucht der alten Welt. Und das ja keineswegs nur auf den Friedhöfen. Vielleicht liegt manchem von uns ja heute die Friedhofstrauer fern. Aber dafür hat er vielleicht sein Haus verloren, die Ehefrau ist ausgezogen mit zwei Kindern, deshalb war das Haus nicht mehr zu bezahlen. Und damit ist die Freude auch ausgezogen. Vielleicht ist jemand von uns mit Haus, Familie und Arbeitsstelle beschenkt, aber die dunkle Wolke eines großen Streits liegt über seinem oder ihrem Leben. Warum kann nicht Friede zwischen uns sein? Vielleicht ist es gerade das stumme Elend einer zerbrochenen Beziehung, die einen niederdrückt. Wie viel Tränen, Enttäuschung und Schmerz kostet es oft auch unsere jungen Menschen, bis sie wirklich ihren Partner, ihre Partnerin fürs Leben gefunden haben! Vielleicht ist es Mobbing in der Schule oder im Betrieb, oder Leistungsdruck oder Depression, was die Freude trübt. Oder eine Coronainfektion und das Leben in Quarantäne.

Aber wir haben heute sein Versprechen gehört: Gottes Freude soll uns schon heute erfassen und erfüllen. Gerade wir, die wir an Jesus Christus glauben, haben doch Jesu Versprechen von ihm: „Ich bin gekommen, dass Sie das Leben und volle Genüge haben sollen!“ Genug werden wir haben. Wir kommen nicht zu kurz, auch wenn es manchmal vielleicht den Anschein haben mag. Gott gibt reichlich, er knausert nicht. Volles Genüge! Er schenkt uns neue Motivation für den Beruf. Er kann uns unsere Kinder, unsere Familie ganz neu als Bereicherung erleben lassen. Er ist es, der uns beschenkt, das können doch viele unter uns auch bezeugen, wie sie in ihrem Leben jetzt schon beschenkt wurden. Diese Erfahrungen Gottes jetzt schon sind ein kleiner Vorgeschmack auf das, was Gott für uns in Ewigkeit bereithält.

Wir haben heute die Zusage gehört: Gott wird die neue Welt schaffen und wir sollen dabei sein. Wir haben die Hoffnung und gewisse Zuversicht, dass unsere Lieben, die uns durch den Tod genommen wurden, bereits schauen, was wir jetzt nur glauben können. Gott sei Dank für diesen Blick in die Zukunft, der weit über das Jahr 2022 hinausgeht.

Amen.

Verfasser: Pfarrer Friedemann Wenzke, Dr. Martin Luther Str. 18, 95445 Bayreuth, Tel: 0921/ 41168;

E-Mail: friedemann.wenzke@elkb.de