Predigt zu Psalm 27 am 20.06.2021 - Kreuzkirche Bayreuth

Liebe Festgemeinde, liebe Jubilarinnen und Jubilare,

vorhin haben wir das apostolische Glaubensbekenntnis gesprochen. Jenes, auf das man sich in den ersten Jahrhunderten nach Christus nach vielen Diskussionen und Auseinandersetzungen geeinigt hat und was die Christenheit zu weiten Teilen bis heute eint. Aber was ist eigentlich ein Glaubensbekenntnis?

Die Jubilare hier – die werden an ihre Prüfung damals denken, wie spannend und aufregend das war in der Kirche noch vor der versammelten Gemeinde, wenn der damalige Pfarrer abfragte. Damals war natürlich das Glaubensbekenntnis das Einfachste, das konnte man "im Schlaf" – bei all dem, was man mühsam auswendig lernen musste in der damaligen Zeit. "Da haben es die heute einfacher! Die lernen doch fast gar nichts mehr" – so mögen die Älteren hier denken. Aber sie täuschen sich. Es ist zwar weniger geworden, aber es sind doch zwei DIN A 4 Seiten dicht beschrieben mit wichtigen Bibel- und Glaubenstexten, die im Laufe des Konfirmandenjahres gelernt werden müssen.
Aber das Auswendiglernen ist ja nur das eine. Mit dem stumpfen Auswendiglernen ist es ja auch nicht getan. Man muss auch verstehen, was man lernt. Man muss auch darüber Nachdenken, was das eigentlich heißt, was man da lernt. Und beim genaueren Nachdenken, da ist ja z.B. das Glaubensbekenntnis dann nicht nur was Dahergeplappertes, was man „im Schlaf kann“ und einfach so sagt – nach alter Väter Weise und Tradition. Nein beim genaueren Nachdenken, da kommt es auch gar nicht auf die Menge der Verse aus der Bibel und dem Gesangbuch an, die man im Kopf hat, nein, beim genaueren Nachdenken kommt es für jeden, der mit Sinn und Verstand hier sitzt, für dich und für mich, auf die eine Frage an: Hast du überhaupt einen Glauben, den du bekennen kannst? Hast du dir einen Glauben im Laufe deines Lebens bewahrt, zu dem du dich bekennen kannst?

Meine Konfirmanden werden im Laufe ihres Konfirmandenjahres aufgefordert, ihr eigenes Glaubensbekenntnis zu schreiben. Nicht um das apostolische Glaubensbekenntnis abzuwerten. Sondern weil es wichtig ist, im Blick auf den eigenen Glauben selbst sprachfähig zu werden.

Manchmal sagen wir Gemeindeglieder bei Besuchen, vor allem die, die man nicht so oft in der Kirche sieht: „Ach wissen Sie, Herr Pfarrer, ich habe schon meinen Glauben.“ Wenn ich dann genauer nachfrage, merken manche, dass das gar nicht so einfach ist, auszudrücken, was man glaubt. Klar, glauben tun wir alle irgendwas. Aber können wir darüber Rechenschaft ablegen gegenüber anderen und trägt das, was wir glauben, wirklich im Leben und im Sterben?

Dass es so etwas Tragendes gibt, davon ist die Bibel von der ersten bis zur letzten Seite überzeugt. Beispielhaft für viele Stellen ist der Predigttext, den ich für heute ausgesucht habe. Es ist der 27. Psalm in Auszügen. Dieser Psalm ist nichts anderes, als ein eigenes Glaubensbekenntnis eines Menschen, der ganz viel Schweres erlebt hat und in der Patsche steckt.

Ps. 27 (EG 714) lesen

Psalmgebet:

Der Herr ist mein Licht und mein Heil;
vor wem sollte ich mich fürchten?
Der Herr ist meines Lebens Kraft;
vor wem sollte mir grauen?
Eines bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne:
dass ich im Hause des Herrn bleiben könne
mein Leben lang,
zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn
und seinen Tempel zu betrachten.
Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit,
er birgt mich im Schutz seines Zeltes
und erhöht mich auf einen Felsen.
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe;
sei mir gnädig und erhöre mich!
Mein Herz hält dir vor dein Wort:
»Ihr sollt mein Antlitz suchen.«
Darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz.
Verbirg dein Antlitz nicht vor mir,
verstoße nicht im Zorn deinen Knecht!
Denn du bist meine Hilfe; verlaß mich nicht
und tu die Hand nicht von mir ab, Gott, mein Heil!
Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich,
aber der Herr nimmt mich auf.
Ich glaube aber doch, daß ich sehen werde
die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen.
Harre des Herrn!
Sei getrost und unverzagt und harre des Herrn!

Psalm 27,1.4.5.7--10.13.14

Was für ein Glaubensbekenntnis! Da hat es jemand persönlich erlebt: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten; der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen?“ So kann nur jemand sprechen, der keinen abstrakten Kopfglauben hat an irgendeinen fernen „lieben Gott“. Wer das so bekennt, der hat Erlebnisse mit Gott gemacht. Und die bringt der Psalmbeter ja auch ganz konkret zur Sprache. Von Widerständen und Feindschaften ist da die Rede. Sinngemäß heißt es da:
„Wenn die Übeltäter an mich wollen, um mich zu verschlingen, meine Widersacher und Feinde, dann sollen sie selber straucheln und fallen. Wenn sich auch ein Heer wider mich lagert, so fürchtet sich dennoch mein Herz nicht; wenn sich Krieg wider mich erhebt, so verlasse ich mich auf ihn.“


Der Psalmbeter hat Gott in seinem Leben erfahren. Aber er bildet sich nichts darauf ein. Vielmehr weiß er von sich selbst, dass er ein Mensch ist, der keineswegs von sich immer aus alles auf die Reihe kriegt. Er weiß um Nöte und Probleme. Er weiß von Lebensphasen, wo man angegriffen und von anderen zerzaust wird. Er weiß davon, dass man möglicherweise schwierige Situationen aushalten muss – bis hin zu Kriegsgefahr, und er hat die Erfahrung gemacht: selbst in diesen schrecklichsten Lebenssituationen – und gerade da! – ist das Licht und das Heil von Gott am wichtigsten! Ja, das ist sein Glaubensbekenntnis: „Selbst, wenn um mich herum alle Zeichen auf Sturm stehen und ich den Boden unter den Füßen zu verlieren drohe, dann habe und behalte ich einen Punkt, auf dem ich fest stehen kann: Mein Gott, mein Licht und mein Heil, ER, der bei mir ist, gerade in solchen Zerreißproben! Ja, selbst wenn ich mich von allen verlassen fühle und allein bin, dann bin ich nicht verlassen: sogar, wenn sich Krieg wider mich erhebt, so verlasse ich mich auf ihn.“

Liebe Gemeinde, liebe Jubilarinnen und Jubilare, an dieser Stelle werden bei den Älteren Erinnerungen an die Kriegs- oder Nachkriegszeit hochkommen. Inzwischen sind wir davon so weit weg, dass es selbst bei Ihnen größtenteils nur noch Kindheitserinnerungen sind, wenn überhaupt. Und doch war in ihrer Kindheit und Jugend an vielen Stellen noch spürbar, in was für einen Abgrund von Schuld und Elend die Welt gestürzt wurde durch diesen schrecklichen zweiten Weltkrieg. Viele haben damals ihre Heimat verloren und mussten ganz neu anfangen. Viele Häuser waren zerstört worden und mussten neu errichtet werden. Ob sie es da auch erlebt haben wie der Mann, der den 27. Psalm als sein Glaubensbekenntnis verfasst hatte? Er wusste: wenn alles in Schutt und Asche liegt, ja in allen Notsituationen des Lebens gibt es einen Zufluchtsort, an dem ich mich bergen kann.

„Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit,
er birgt mich im Schutz seines Zeltes
und erhöht mich auf einen Felsen.“


Für den Psalmbeter war es damals der Tempel, Gottes Haus, das ihm ein unendlicher Trost, ein Trostort wurde. Ein Ort, der Halt gab im Brodeln einer verrückten Zeit, und genau deshalb stimmt er in seinem Psalm das Loblied auf den Tempel in Jerusalem an. Dieses Loblied scheint aus der Ferne, in der Fremde geschrieben zu sein – mit ganz viel Sehnsucht nach dem Haus Gottes. So heißt es da:
„Eines bitte ich vom HERRN, das hätte ich gerne: dass ich im Hause des HERRN bleiben könne mein Leben lang, zu schauen die schönen Gottesdienste des HERRN und seinen Tempel zu betrachten.“
Das Haus Gottes als Zufluchtsort. So hat er es erlebt und wir? Wo haben Sie im Leben Zuflucht gesucht?

In dem 27.Psalm können Sie ihr ganzes Leben unterbringen. Lesen Sie ihn zu Hause nach diesem Festtag nur noch einmal in Ruhe durch. Setzen Sie doch aus ihrem Leben all das ein, was sie auf dem Herzen haben. Bei so einem Jubiläumstag wie heute geht Ihnen sicher vieles durch den Kopf und durch das Herz. Da steht heute sicher vieles unausgesprochen im Raum. Erlebnisse aus dem Weltgeschehen, aber noch stärker aus dem ganz persönlichen Leben. Wie hat sich ihr Leben nach der Konfirmation nicht entwickelt! Was waren da nicht alles für Weichenstellungen beruflich und privat! Wie viel Hochs und Tiefs haben Sie nicht alle erlebt! Doch in allen Wechselfällen des Lebens, die Sie als Jubilare und wir alle heute schon erlebt haben, dürfen wir wissen: Da gibt es bis heute einen Zufluchtsort, da gibt es bis heute ein Gotteshaus, in dem man Schutz findet. Hier im Stadtteil Kreuz ist es diese Kirche, an anderen Orten andere Gebäude. Diese Kirche ist ein Haus, wo manche von Ihnen schon wichtige Lebensstationen erlebt haben: Manche von Ihnen sind hier getauft. Sie alle sind hier konfirmiert. Und wiederum manche unter ihnen haben hier geheiratet. So etwas verbindet doch mit einem Gebäude. Auch wenn wir als Christen keine Gebäude verehren, auch nicht unsere Kreuzkirche, so wissen wir doch, dass dies ein Gebäude ist, in dem viele schon etwas mit Gott erlebt haben. Ein Ort, wo man erfahren kann, dass Gott gegenwärtig ist und wo man "im Schutz seines Zeltes" gestärkt wird bei Jesus, dem lebendigen Herrn durch das Wort Gottes und bei Brot und Wein!

Zuflucht finden bei Gott, das geht aber auch losgelöst von kirchlichen Gebäuden. Zuflucht finden bei Gott, das geht an jedem Ort und zu jeder Zeit. In einem neueren Glaubenslied heißt es: „Du bist mein Zufluchtsort. Ich berge mich in deiner Hand, denn du schützt mich, Herr, wann immer mich Angst befällt, traue ich auf dich. Ja, ich trau auf dich, und ich sage: Ich bin stark in der Kraft meines Herrn!“ Gott ist unser Zufluchtsort. Zu ihm dürfen wir immer kommen. Er hält seine Arme uns offen. Er schließt niemanden aus, wir können uns nur selbst ausschließen.

Konfirmation heißt „festmachen“, festmachen im Glauben. Ich habe schon erlebt, dass zahlreiche junge Leute dies an ihrer Konfirmation wirklich gemacht haben. Es stimmt eben nicht, dass sich die jungen Leute nur wegen dem Geld konfirmieren lassen. Das gibt es, aber das sind längst nicht alle. Und früher war es vielleicht nicht das Geld, was zur Konfirmation gezogen hat, sondern die Tatsache, dass es „halt alle so machen“. Dieser Grund ist aber auch nicht besser als der mit dem Geld. Sie selbst wissen am besten, wie sie damals die Konfirmation erlebt haben und was ihnen wichtig war. Sie selbst wissen, welche Haltung sie bisher zur Kirche und Glauben hatten. Heute haben Sie als Jubilare die Gelegenheit, für sich noch einmal Ja zu sagen. Ja zu einem Leben mit Gott. Wie wir sehen, hatten Sie damals nach der Konfirmation noch mindestens 25, 50 oder 60 Lebensjahre vor sich, sonst säßen sie nicht hier. Einige allerdings aus ihren Jahrgängen sind auch schon nicht mehr unter uns. 50 oder 60 Lebensjahre – auch wenn ich Ihnen noch ein langes Leben wünsche, so lang wird es nicht noch einmal sein. Aber es ist auf jeden Fall so lang, dass sie heute nochmal ganz fest machen können mit Gott im Gebet: „Herr, trage mich doch durch meine zukünftigen Lebensjahre. Nimm dich meiner an, wenn es jetzt ans Älterwerden geht. Wirke in mir lebendigen Glauben an dich, der im Leben und im Sterben trägt.“ Gott hört so ein Gebet. Er will sie in Gnade und mit seinem Segen begleiten. Er hält Gutes für Sie bereit, trauen Sie es ihm nur zu. Seiner Gnade und seinem Segen dürfen Sie sich ganz neu anvertrauen. Heute an der Jubiläumskonfirmation und jeden Morgen neu. Amen.

Verfasser: Pfarrer Friedemann Wenzke, Dr. Martin Luther Str. 18, 95445 Bayreuth, Tel: 0921/41168; E-Mail: friedemann.wenzke@elkb.de