Predigt Epiphanias 2020: Jes. 60,1-6

Liebe Gemeinde,

Licht ist wichtig. Als wir uns zum ersten Mal die Kreuzkirchenwohnung anschauten, habe ich gedacht: puh, ganz schön dunkel der Flur! Inzwischen ist der Flur durch gegenüberliegende Zimmer mit Glasscheiben in den Türen erweitert und weiß gestrichen und sieht viel freundlicher aus. Außerdem sind helle LED Leuchten montiert. Wir merken: die richtige Beleuchtung ist wichtig. Licht hat einen großen Einfluss auf unser Gemüt. Wer einen romantischen Abend mit seiner Frau verbringen will, stellt nicht den Deckenfluter an, sondern eher Kerzen oder sanfte indirekte Beleuchtung. Wer den ganzen Tag in einem Raum ohne Tageslicht arbeiten muss, leidet bald unter kaltem blauem Neonlicht und freut sich draußen über das Sonnenlicht. Auch die Stimmung in der Weihnachtszeit wird stark von der Beleuchtung bestimmt. Ich habe kurz vor Weihnachten die Weihnachtsfeier in der Tagespflege gestaltet und am Ende haben wir das Lied Stille Nacht eingespielt, die Deckenbeleuchtung ausgeschaltet, aber die Lichterkette am Weihnachtsbaum an. Das hat die Senioren berührt.

Warum erzähle ich Ihnen das alles: In unserem Predigttext geht es auch um Licht, die richtige Beleuchtung.

Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir!
2 Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
3 Und die Völker werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.
4 Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt, kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arm hergetragen werden.
5 Dann wirst du es sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt.
6 Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen.

Der Prophet, der diese Sätze schreibt, lebt kurz nach dem baylonischen Exil. Endlich war die Gefangenschaft vorbei und endlich durfte das Volk Israel heimkehren. Aber was finden Sie vor? Ein Land das öde da liegt, die Wirtschaft am Boden, Ruinen überall, der Tempel zerstört. Nach und nach verfliegen die Erwartungen und Hoffnungen, die mit der Heimkehr verbunden waren. Stattdessen hält Enttäuschung Einkehr und Frust und Perspektivlosigkeit. Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker.

Vielleicht auch bei uns persönlich. Sorgen und Enttäuschungen haben wir vielleicht mit über die Jahresschwelle genommen, die Nachrichten können wir schon gar nicht mehr jeden Abend anschauen, weil sie uns so niederdrücken usw. Mitten in den Grauschleier ruft der Prophet: Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir!

Es geht also heute ums Licht. Und ich möchte das Licht uns in dreierlei Hinsicht näherbringen.

  1. Von Jesus beleuchtet
  2. Von Jesus durchleuchtet
  3. Von Jesus erleuchtet

1. Von Jesus beleuchtet

Wir sind auf Licht angewiesen. Wir können aus uns heraus kein Licht produzieren. Unsere Augen sind keine Scheinwerfer. Wer einmal wirkliche, totale Finsternis erlebt hat, z.B. in einer Höhle, der weiß das. Ohne Licht sind wir aufgeschmissen.

Ein Mann geht spät abends zu Fuß nach Hause. Da sieht er einen anderen mitten auf der Straße auf den Knien. »Was machen Sie da?« fragt er. »Ich suche meinen Schlüssel.« »Kann ich Ihnen helfen?« »Ja gerne« Und so suchen sie beide den Schlüssel. Nach einigem ergebnislosen Suchen fragt der Passant: »Wo genau haben sie den Schlüssel denn verloren?« »Na dort drüben bei den Büschen?« »Und warum suchen Sie dann hier mitten auf der Straße?« »Hier ist es heller.«

Auch, wenn uns dieses Verhalten auf den ersten Blick dumm vorkommt, hat dieser Mann doch etwas Richtiges erkannt: wir brauchen Licht um etwas zu sehen. Wo kein Licht ist, brauchen wir gar nicht anfangen zu suchen. Wie gesagt: unsere Augen sind kein Scheinwerfer. Deshalb müssen wir »Licht in die Sache bringen«, ein Licht anzünden, um etwas zu erkennen. Wir brauchen Licht von außen, Beleuchtung, Sonnenlicht, Mondschein oder eben künstliches Licht.

Dies ist ein Schlüssel für unseren Text: »Mache dich auf, werde licht, denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit Gottes geht auf über dir! Denn Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker. Jesaja zählt im Kapitel vor unserem Predigttext auf, was er mit Finsternis meint: Eure Hände sind mit Blut befleckt; eure Lippen reden Falsches und Bosheit. Es gibt niemand, der recht richtet. Die Menschen sind schnell dabei, unschuldig Blut zu vergießen.
Das meint Jesaja mit: »Finsternis bedeckt das Erdreich.« All das, was wir heute auch erleben oder über die Nachrichten erfahren: Lug und Trug, Intrigen und Mobbing, Bestechung und Korruption; Mord und Krieg, Coronakrise und Kriege, Tyrannei und Ungerechtigkeit, Bürgerkriege und Vertreibungen, Hunger und Seuchen.

Und nicht nur um uns herum, sondern auch in uns ist viel Finsternis: Angst, Sorgen, Einsamkeit, Sünde, quälendes Gewissen. Und wie kommt es zu all dem? Weil die Menschen sich vom Licht abwenden, das Licht aussperren. Wenn wir das Licht aus unserem Zimmer aussperren, dann bleibt Finsternis zurück. Wenn Menschen Gott, das Licht selbst, aus ihrem Leben aussperren, dann bleibt Chaos, Sünde und Tod. Dann regiert die Finsternis. Das war die Situation in Israel, das ist die Situation bei uns.

Und jetzt geschieht das Große: Gott beschließt, selbst Licht zu uns Menschen zu bringen und er beginnt damit in Israel, genauer in Jerusalem: »Dein Licht kommt und die Herrlichkeit geht auf über dir«. Jesaja konnte damals nicht sagen, wann das geschehen wird, aber er durfte ankündigen, dass es geschehen wird: »Es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind. Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.«

Jahrhunderte lang blieb es bei der Hoffnung auf diese Verheißung, bis dann einer tatsächlich im Jerusalemer Tempel verkündete: »Ich bin das Licht der Welt!« (Johannes 8, 12), nämlich Jesus Christus. Er hat das Licht Gottes wieder
in unsere Welt gebracht. Er ist gekommen, die Finsternis zu überwinden und zurückzudrängen. Wer in seiner Nähe ist, der ist von Jesus be-leuchtet.

2. Von Jesus durchleuchtet

Eine junge verheiratete Frau klagt über ihre dunkle Wohnung. Die Schwiegermutter ist zu Besuch. Sie antwortet nur schnippisch: „Ja, wenn die Fenster sauber wären…“ Was hilft uns Jesus als das Licht Gottes, wenn wir die Augen vor ihm schließen, wenn wir sein Licht nicht in unser Leben hereinlassen, wenn im übertragenen Sinn unsere Fenster dreckig sind? Klar, wenn Licht rein scheint, sieht man den Schmutz deutlicher: Kennen Sie das auch, wenn jetzt die tiefstehende Sonne auf ihre Möbel scheint und plötzlich eine Staubschicht sichtbar wird, die da doch eigentlich gar nicht sein dürfte? Oder die Schlieren auf der Fensterscheibe? Klar, Licht bringt auch Verborgenes ins Licht. Helles Licht kann auch mal aufdeckend sein, aber Jesus will ja nicht in unser Leben leuchten, um uns zu demütigen und den Schmutz in uns genüsslich ans Licht zu bringen. Er will sauber machen in uns und bei uns. Er will uns durchleuchten, damit das Finstere in uns verschwindet und mehr Licht in unser Leben kommt und damit Freude und Friede.

Nur wenn das Licht in uns eindringen kann, kann es uns verändern. Deshalb: Halte die Fenster sauber, werde licht, werde transparent, so dass das Licht hereinfallen kann! Oder um es mit biblischen Worten zu sagen: Du sollst den Herrn deinen Gott lieben mit ganzen Herzen, mit ganzer Seele mit allen Kräften und mit deinem ganzen Gemüt und deinen Nächsten wie dich selbst. Das ist transparentes Leben. Durch so ein Leben scheint Jesus als Licht der Welt. So bist du von Jesus durchleuchtet. Und nun noch das Dritte:

3. Von Jesus erleuchtet

Jesus möchte nicht nur unser Leben beleuchten und durchleuchten, er möchte uns erleuchten. D.h. er will so in unser Leben hineinstrahlen, dass wir weiterstrahlen. Wer erleuchtet ist, der leuchtet selbst. Darauf hat schon Jesaja hingewiesen: »über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.« Das Licht Gottes bringt Menschen zum Leuchten. Das ging schon Mose so. Immer wenn er aus der Begegnung mit Gott aus der Stiftshütte zurückkam, leuchtete sein Angesicht. Das Leuchten war so stark, dass es den Israeliten mulmig wurde. So baten sie ihn, eine Decke auf sein Gesicht zu legen. Licht, das Jesus in unser Leben bringt, bringt uns zum Leuchten. Deshalb gilt es auch für uns, wenn Jesus zu seinen Jüngern sagte: „Ihr seid das Licht der Welt!«. Warum? Weil sein Licht uns erleuchtet. Weil es uns so erfüllt und durchdringt, dass wir selbst leuchten. Nicht so hell wie Jesus selbst, aber doch so, dass wir Licht in unsere Umgebung hineinbringen können. Wir leuchten auch nicht unabhängig von Jesus und unablässig. Wir müssen uns immer wieder dem Licht selbst aussetzten und sozusagen Licht tanken in der Nähe von Jesus. Dann kann unser Licht wieder und weiter leuchten.

Sie kennen vielleicht diese Solargartenleuchten. Wenn sie tagsüber im Licht stehen, dann leuchten sie nachts weiter. Sie können das Tageslicht speichern und dann nachts wieder abgeben. Aber mit der Zeit leuchten sie dann schwächer und schwächer, bis sie wieder neu von der Sonne aufgeladen werden. Je länger sie der Sonne ausgesetzt sind, desto länger leuchten sie in der Dunkelheit. Jesus möchte, dass wir immer wieder Licht tanken in seiner Gegenwart. Er will, dass wir uns immer wieder seinem Licht aussetzten, um dann wieder in die Dunkelheit zu gehen und dort zu leuchten. Wir dürfen sein Licht durch uns hindurch scheinen lassen in die Finsternis unserer Umgebung.

Das wird nicht ohne Folgen bleiben. Wie es Jesaja angekündigt hat, so geschieht es: Die Heiden, die Menschen, die Gott nicht kennen, sehen das Licht und werden vom Licht Jesu angelockt. Das ist die richtige Ausstrahlung eines Christen. Wenn wir uns von Jesus erleuchten lassen, strahlt das durch uns hindurch. Und wir sind dazu ermächtigt, dass wir Licht dieser Welt sind und helfen, die Finsternis zu überwinden. Das ist zumindest ein Grund für das regelmäßige Bibellesen, auch wenn wir alles schon einmal oder mehrmals gelesen haben: Weil wir beim Lesen in der Bibel Jesus, dem Licht der Welt nahe kommen und Licht tanken können. Das ist auch ein Motiv für den Besuch des Gottesdienstes oder einer anderen Gemeindeveranstaltung, dass wir hier Jesus ganz besonders nahe kommen können. Vielleicht hast du zusätzlich noch deine persönlichen Orte und Zeiten der Gottesbegegnung. Das ist gut, wenn das so ist. Wenn ich länger allein Fahrradfahre, komme ich durch die regelmäßig gleiche Bewegung sehr zur Ruhe und kann leicht ins längere Beten kommen. An manchen Abenden in den letzten drei Wochen habe ich mich für eine halbe Stunde in die Kreuzkirche gesetzt und den Weihnachtsbaum angeschaltet und war ganz allein mit meinem Gott. Und vielleicht haben sie noch ganz andere Ideen und Formen, das ist ganz prima. Die Lichtquelle Jesus ist entscheidend, nicht der Ort oder die Form, in der wir uns durch ihn erleuchten lassen. Von Jesus sich erleuchten lassen, das ist die richtige Ausstrahlung für einen Christen.

Vom amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln wird erzählt, er habe einmal einen Mitarbeiter aufgefordert, kein so mürrisches Gesicht zu machen. Der Mitarbeiter versuchte sich zu verteidigen: »Für mein Gesicht kann ich doch nichts, Mr. Präsident.« »Doch«, antwortete Lincoln, »ab 40 ist man für sein Gesicht verantwortlich.« Das klingt jetzt etwas flapsig, aber ich denke, auch als Christen sind wir für unsere Ausstrahlung verantwortlich: Was strahlen wir aus? Was sehen die Menschen, wenn sie uns ansehen? Sehen sie etwas vom Licht, das von Jesus kommt? Jesus hat alles dafür getan.

Im Schlusssegen, den wir an jedem Gottesdienst sprechen, taucht dieses Motiv des erleuchtet sein von Gott übrigens auch auf. Dort heißt es ja: Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Was heißt denn das, dass Gott sein Angesicht über uns leuchten lässt? Das heißt doch, dass er uns anstrahlt mit seinem Licht. Ja, dass er uns anstrahlt und anschaut, so wie ein lieber Mensch dich anstrahlt vor Freude. Da kannst du doch auch nicht auf Dauer mürrisch zurückschauen oder? Ja noch viel mehr strahlt Gott dich im Segen an. Was für ein schönes, zu Herzen gehendes Bild. Gott bringt dich zum Strahlen. Gott bringt dich wieder zur Freude. Wir sind von Jesus beleuchtet. Wir sind von Jesus durchleuchtet. Und wir sind von Jesus erleuchtet. Deshalb: mache dich auf und werde licht! Mache dich auf und werde licht! Mache dich auf und werde licht! Denn dein Licht kommt!

Amen.

 

Verfasser: Pfarrer Friedemann Wenzke, Dr. Martin Luther Str 18, 95445 Bayreuth, Tel: 0921/ 41168