19. Sonntag nach Trinitatis: Predigt: Eph. 4, 22-32

Wir hören auf den Predigttext für den heutigen Sonntag aus Eph. 4, 22-32:

Legt von euch ab den alten Menschen mit seinem früheren Wandel, der sich durch trügerische Begierden zugrunde richtet.
23 Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn
24 und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.
25 Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind.
26 Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen,
27 und gebt nicht Raum dem Teufel.
28 Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben kann.
29 Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.
30 Und betrübt nicht den heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung.
31 Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit.
32 Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.

Liebe Gemeinde,

ich habe ihnen heute mal ein paar Kleidungsstücke von mir mitgebracht: das ist meine alte Gartenhose. Hier ein paar vergammelte Schuhe. Das aber ist mein neuester Anzug. Chic gell? Und hier mein neuester Pullover. Den ersten, den ich in Bayreuth gekauft habe, übrigens. Für Traueranlässe. Ich könnte ihnen ja noch manches andere aus meinem Kleiderschrank zeigen. Ach und noch viel mehr aus dem von meiner Frau! Aber nein, etwas Privatsphäre muss auch sein.

Warum mache ich das heute? Weil es ums An- bzw. Ausziehen, um ein altes und ein neues Kleid geht. Natürlich im übertragenen Sinn. Davon redet Paulus in diesem Abschnitt des Epheserbriefes.

Er spricht

1) vom notwendigen Kleiderwechsel

Zunächst vom Ablegen bzw. Ausziehen des alten Kleides, des alten Menschen. Wer oder was ist damit gemeint? Die Bibel bezeichnet als „alten“ Menschen, den Menschen, der ohne Gott leben will und es auch tut, und der deshalb von Gott getrennt ist. „Alter“ Mensch ist seit dem Sündenfall von Natur aus jeder, ohne Ausnahme; und zwar nicht erst mit 70 oder 80 Jahren, sondern von Geburt an. Auch ein Säugling, mag er noch so unschuldig aussehen, er ist „alter“ Mensch. Jeder von uns wurde in diesen Zustand hineingeboren: „alter“ Mensch im alten Kleid, von Anfang an.

Vielleicht denkt jetzt der ein oder andere: was soll daran schon schlimm sein; und wenn das bei jedem so ist. Außerdem lässt sich ein altes Kleid ja auch ausbessern und flicken, dann sieht es wieder aus wie neu. Paulus würde dem vehement widersprechen. Er ist der festen Überzeugung, dass alle Flick- und Ausbesserungsversuche nichts taugen. Das alte Kleid ist so zerschlissen, dass es nicht mal mehr für die Altkleidersammlung von Nutzen ist. Es soll und darf nicht beim Alten bleiben.

Manchmal sagen wir ja zum anderen: „Bleib wie du bist!“ oder zu uns selbst: „ich bin halt so, ich kann auch nicht aus meiner Haut raus“. Das sind geistlich gesehen deutlich zu hinterfragende Sätze und kann auch eine faule Ausrede sein. Paulus sieht das gänzlich anders: „legt den alten Menschen ab“, zieht das alte Kleid aus und „zieht den neuen Menschen an“.

Paulus hat dabei das Bild der Taufe vor Augen. Heute nachmittag feiern wir übrigens auch eine hier in unserer Kirche. Damals in der frühen Christenheit gab es im Gegensatz zu heute vermutlich nur selten die Kinder oder gar Säuglingstaufe. Getauft wurden meistens Erwachsene. Wer ins Taufwasser stieg, an einem See oder Fluss, der wollte ganz bewusst den „alten“ Menschen ablegen und legte dann erst einmal die Kleider ab, die er anhatte. Dann wurde er ganz unter das Wasser getaucht und nach der Taufe bekam er ein neues weißes Kleid, als Zeichen für das, was Gott an ihm in der Taufe getan hat, als Zeichen für das neue Leben als neuer Mensch, das nun beginnen konnte.

Der Kleiderwechsel ist also zum einen Gottes Sache: Er gibt uns das neue Kleid. Er macht aus uns den neuen Menschen. Gott ist der Aktive und der Geber.

Aber zum anderen ist der Kleiderwechsel auch Sache des Menschen. Martin Luther hat es oft gesagt: Gott behandelt uns nicht wie einen Stein oder einen Baumstumpf. Er nimmt uns mit auf den Weg. Er beteiligt uns mit Haut und Haaren und doch ist es Gottes Werk an uns. So auch bei dem neuen Menschen. Er entsteht nicht automatisch, auch nicht automatisch durch die Taufe. Der Mensch muss sich für den Kleiderwechsel entscheiden, besser: der Mensch muss sich für Gott entscheiden der dann den Kleiderwechsel vornimmt. Diese Entscheidung kann bei den Menschen sehr unterschiedlich aussehen. Bei dem einen fällt die Entscheidung von einem Tag auf den anderen. Bei dem anderen ist es ein langer Prozess mit Höhen und Tiefen, eine gewachsene Entscheidung für den Glauben. Wie ist das bei Ihnen? Es wäre spannend, wenn wir uns diese Geschichten mal etwas erzählen könnten. Schon in der Bibel gibt es dazu ganz unterschiedliche Geschichten.

Mir fiel dazu die Geschichte eines Mannes ein, den viele von uns kennen. In jungen Jahren verlässt er sein Elternhaus und macht sich auf, sein Leben zu genießen. Das ausgezahlte Erbe seines Vaters in der Tasche, lässt er es sich an nichts fehlen; er nimmt mit, was das Leben so bietet lebt in Saus und Braus, verjubelt alles, bis er sich schließlich bis zu den Schweinen heruntergewirtschaftet hat. Dort beginnt er zu begreifen, dass er Mist gebaut hat und er entschließt sich: „Ich will zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich bin vor Gott und vor dir schuldig geworden.“ Und dann macht er sich auf den Weg, er kehrt um, er will den alten Menschen liebend gern loswerden. Unterwegs kommt ihm der Vater schon entgegen und schließt den zerlumpten, verlotterten, nach Schwein stinkenden Sohn in die Arme. Und dann heißt es - Sie können es selbst nachlesen: Lukas 15, die Geschichte vom verlorenen Sohn - dann heißt es, dass der Vater seinen Dienern den Auftrag gibt, ein Festtagskleid für den Sohn zu holen. Er kann und darf seine Lumpen ausziehen und bekommt ein neues Kleid. Notwendiger Kleiderwechsel.

Zum Handeln Gottes muss das Handeln des Menschen hinzukommen. Zum Kleiderwechsel, der durch Gott in der Taufe geschieht, muss die Entscheidung des Getauften hinzukommen: „Ich will zu meinem Vater gehen“, Ich will das alte Kleid, den alten Menschen ausziehen und den neuen Menschen, das neue Kleid entziehen. Diese Entscheidung ist wichtig, lebenswichtig. Übrigens nicht nur einmal, sondern immer wieder.

Und wie sieht das neue Kleid aus? Das neue Kleid ist eine Person: Jesus Christus. „Er, der sich uns schenkt, will getragen werden", sagt Rudolf Bohren, ein Theologieprofessor, der früher viele angehenden Pfarrer geprägt hat. Der neue Mensch ist einer, der ganz in Christus eingehüllt ist, einer von dem Jesus Besitz ergriffen hat. Dabei wird deutlich: der Kleiderwechsel ist ein Herrschaftswechsel. Die Herrschaft des alten Menschen mitsamt seinen Prägungen und Einstellungen wird abgelegt. Die Herrschaft des alten Menschen wird in den Kleidersack gestopft und dieser Altkleidersack wird Jesus in die Hand gedrückt. Er soll ihn entsorgen, nicht wir.

Das Entsorgen kann ganz schön mühsam sein, wenn man das selbst macht. Ein kleines eigenes Erleben: wir waren hier frisch eingezogen und haben die Schränke eingeräumt. Dabei ist uns doch noch das eine oder andere Kleidungsstück in die Hände gekommen, das wir lieber aussortiert haben. Wir haben noch zwei Kleidersäcke gepackt. Aber wohin damit? Es war ganz schön mühsam, am Anfang herauszufinden, wo denn hier Altkleidercontainer stehen. Mehrere Tage hatten wir sie im Auto rumliegen. Am liebsten hätte ich sie jemand in die Hand gedrückt und gesagt: Kümmere Du dich doch darum. Das habe ich mich dann doch nicht getraut, sondern lieber jemand gefragt. Ich habe es also schließlich doch noch selbst hinbekommen. In geistlicher Hinsicht hätte das nicht geklappt. Da muss Jesus unsere alten Kleider entsorgen. Das kann nur er. Und sie sind auch nicht wiederverwertbar.

Notwendiger Kleiderwechsel. Aber keine Angst: Jesus lässt uns dann nicht bloßstehen. Er kleidet uns neu!

Paulus spricht:

2.) Von den Wirkungen des neuen Kleides
Wenn man unsere ganz normalen Kleider vor Augen hat, so ist das Kleid etwas Äußeres, das auf mein Inneres wirkt, wie umgekehrt. Das Kleid macht etwas aus mir und mit mir. Kleider machen Leute! Es war für mich recht eindrücklich, als ich vor vielen Jahren als Ausbildungsvikar als verkleideter Nikolaus im Kindergarten unterwegs war. Das Kostüm machte aus mir einen Nikolaus. Obwohl mir Schauspielern an sich überhaupt nicht liegt, konnte ich in dem Kostüm leicht in die Rolle des Nikolaus hineinschlüpfen. Das Kostüm, das Kleid macht etwas aus mir. Allerdings war ich nur ein einziges Mal Nikolaus: denn die meisten Kinder haben mich erkannt. Warum wohl? Sie hatten noch nie so einen großen Nikolaus gesehen, wohl aber oft einen großen Ausbildungsvikar im Ort. Also das war‘s dann mit der Rolle vom Nikolaus. Macht nichts!

Kleider machen Leute. Wieviel mehr: Christus, das neue Kleid, macht aus uns den neuen Menschen. Christus macht aus uns Christen. Wir sind uns nur viel zu wenig bewusst, was wir anhaben, nämlich dass wir Christus angezogen haben. Jawohl, du trägst Christus mit Dir. Vielleicht könnte so ein Aufkleber am Garderobenspiegel hilfreich sein mit der Aufschrift: „Nicht vergessen: Christi Blut und Gerechtigkeit - das ist mein Schmuck und Ehrenkleid.“ Egal, was Du am Morgen anziehst und wie oft du deine Garderobe wechselst: das ist dein wichtigstes Kleidungsstück und damit bist du ganz und gar eingehüllt: Christi Blut und Gerechtigkeit - das ist mein Schmuck und Ehrenkleid.“ Jetzt schon, und auch dann, wenn dir der Bestatter einmal die letzte Kleidung anzieht, ist das deine wichtigste Kleidung!

Eines ist aber auch klar: Natürlich prägt und verändert die Kleidung auch mein Verhalten. Im Talar stelle ich mich nicht zum Kochen in die Küche und mache Klöße; im Anzug trete ich anders auf als im Jogginganzug. Kleidung prägt und verändert das Verhalten, auch im geistlichen Bereich.

Dass ich Christus an mir trage, muss in meinem Verhalten sichtbar werden. Wir hören das Wort müssen nicht gerne, ich weiß. Aber hier gibt es keine falsche Kompromissbereitschaft. Christsein hat Auswirkungen auf unser Leben. Ganz konkret: Deshalb gibt Paulus noch eine ganze Reihe von Verhaltenskriterien in unserem Bibeltext. Z. B. „legt die Lüge ab und redet die Wahrheit.“ Wie oft haben wir schon auf die Frage „Wie geht's?“ mit „Gut“ geantwortet, nur um unbequeme Nachfragen zu vermeiden. Der Andere braucht doch nicht zu merken, wie es hinter meiner sorgsam aufgerichteten Fassade aussieht. Und man muss in der Tat schon auch prüfen, ob der andere wirklich an meinem Ergehen interessiert ist oder ob es nur eine Frage ist, die im Vorbeigehen gestellt wird. Und trotzdem: wenn jemand wirklich an mir interessiert ist und mich nach meinem Ergehen fragt und ich antworte anders, als es in Wirklichkeit ist, so ist das gelogen. Aber Lüge ist noch viel mehr als die ausgesprochene Unwahrheit. Auch der Graben zwischen meinem Verhalten und meiner inneren Einstellung ist Lüge. Wenn ich also z. B. ganz freundlich sage: „Ach, Frau Sowieso, schön, dass ich Sie treffe“ und innerlich denke: Mensch, jetzt muss mir die auch noch über den Weg laufen, so ein Mist!“ dann ist mein Verhalten eine Lüge Eine Seelsorgerin sagte mir einmal: du musst nicht alles sagen, aber was du sagst, muss wahr sein. Mir hat dieser Satz schon oft geholfen. „Legt ab die Lüge und redet die Wahrheit“ - dazu gehören auch Dinge wie unversteuerte Nebenverdienste, manipulierte Einkommensangaben, falsche Gerüchte, üble Nachrede usw. Ein weites und dunkles Feld, dass sich da auftut. „Legt die Lüge ab und redet die Wahrheit“. Die Wahrheit zu reden, heißt übrigens nicht nur die Lüge zu lassen, sondern auch von der Wahrheit zu reden, von Jesus Christus, der unser Leben verändern kann und will.

Dass ich Christus an mir trage, muss in meinem Verhalten sichtbar werden. Deshalb: „Wer gestohlen hat der stehle nicht mehr“. Jeder anständig Lebende hält das eigentlich für eine Selbstverständlichkeit. Aber wie sieht es tatsächlich aus? Gerade in unseren neuen Medien kann man da schnell in Grenzbereiche kommen: Die Software ist vom Freund aus dem Jugendkreis - er hat auch gemeint, die wäre sowieso zu teuer. Die Ersatzteile fürs‘s Auto sind aus der Firma - die hat noch genug davon herumliegen. Die Hausaufgaben sind vom Klassenkameraden - das ist Arbeitsteilung, man muss doch nicht alles doppelt machen. Wir könnten die Reihe beliebig fortsetzen. Da muss schon jeder selbst sein Leben durchforsten. „Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr.“

Dass ich Christus an mir trage, muss in meinem Verhalten sichtbar werden. Deshalb „Seid untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem anderen, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus“. Wie schön wäre es, wir würden das in die Praxis umsetzen - da würde nicht mehr über Nichtigkeiten gestritten. Keiner ließe seinem Zorn freien Lauf. Das ganze faule Geschwätz: „Hast du schon gehört? Hättest du das gedacht?“ würde ein Ende haben. Wir wären eine Gemeinschaft, in der wir freundlich und verständnisvoll miteinander umgingen, und es würde bis in unsere Umgangsformen hinein spürbar und sichtbar werden, dass mir der andere nicht gleichgültig ist, sondern dass nur sein Wohlergehen am Herzen hegt. Paulus ermutigt und ermahnt uns, dies zu tun. Dass ich Christus an mir trage, muss in meinem Verhalten sichtbar werden. Denn Gott wird uns immer wieder neu ausstatten, dass wir auch nach außen hin eine andere Figur machen. Oft müssen wir uns aber auch ganz bewusst dazu entscheiden und eventuell sogar Nachteile in Kauf nehmen.

Und doch werden wir, das muss am Schluss dieser Predigt auch ganz offen gesagt werden, immer wieder schuldig und scheitern an diesem Sichtbarwerden unseres Glaubens. Wie schön und auch wichtig, dass unser Predigttext endet mit den Worten: „wie auch Christus uns vergeben hat“. Das ist Gottes letztes Wort heute und immer wieder über unserem Leben: „wie auch Christus uns vergeben hat“. Auf diesem Wort gründet unser ganzes Vertrauen und einmal unsere ganze Seligkeit: die Vergebung, die wir durch Christus erfahren. Das ist die Glaubensgerechtigkeit, die uns durch Jesus Christus geschenkt wird. Diese Basis darf uns von keinem genommen werden. In der Lebensgerechtigkeit, in unserem Verhalten als Christen hinken wir hinterher. Das mag sein. Und das bewirkt immer wieder ein Glaubwürdigkeitsproblem im Blick auf Nichtchristen. Sie werfen uns dann vor, dass wir als Christen doch ganz anders sein müssten und haben oft ja auch recht. Aber unsere mangelnde Lebensgerechtigkeit hebt niemals die Glaubensgerechtigkeit auf, die uns durch Christus geschenkt ist. Nochmal: Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid. Damit werd ich vor Gott bestehn, wenn ich zum Himmel werd eingehen. Wenn Du Dir diesen Satz heute noch an deinen Spiegel, ja in dein Herz schreibst, dann war diese Predigt nicht umsonst. Amen.

Verfasser: Pfarrer Friedemann Wenzke, Dr. Martin Luther Str. 18, 95445 Bayreuth; Tel: 0921/41168; E-Mail: friedemann.wenzke@elkb.de