Palmsonntag, 05.04.2020, Kreuzkirche, Markus 14, 3-9

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Wir wollen in der Stille um den Segen Gottes für die Predigt bitten: ...

Herr, wir bitten dich, gib uns deinen Heiligen Geist zum Reden und zum Hören.

Das Schriftwort für die Predigt am heutigen Palmsonntag steht im 14. Kapitel des Markusevangeliums. Es ist aus der Abschiedsgeschichte von Jesus, kurz vor seinem Kreuzestod.

Als Jesus in Betanien war, im Hause Simons, des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl. Sie zerbrach das Glas und goss das Öl über sein Haupt.
Darüber regten sich einige Gäste auf: Was soll die Verschwendung des kostbaren Salböls?
Man hätte dieses Salböl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben können. So machten sie der Frau Vorwürfe.
Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.
Denn ihr habt allezeit Arme bei euch und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.
Diese Frau hat getan, was sie konnte. Sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis.
Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch von dieser Frau sprechen und von dem, was sie getan hat.

Ein Abschied bahnt sich an. In zwei Tagen, am Karfreitag, erreicht die Leidensgeschichte von Jesus mit seinem Tod am Kreuz einen Höhepunkt. – Vielleicht müsste ich treffender sagen den absoluten Tiefpunkt. Jesus ist also gewissermaßen auf Abschiedstournee. – Aber das ist nur ihm so klar. Seine Jünger wollen es nicht wahrhaben. Am Ölberg wird der Empfang noch triumphal sein. Die Fans jubelnd an der Straße. Aber aus den fröhlichen Hosianna Rufen sollte bald darauf hasserfülltes „Kreuzige ihn“-Geschrei werden. Das steht kurz bevor.

Auf dem Weg in die Hauptstadt macht Jesus nun noch ein letztes Mal Station in Betanien, einem kleinen Ort kurz vor Jerusalem. Er kehrt ein bei Simon, den er von einer unheilbaren Krankheit geheilt hatte. Man sitzt in vertrauter Runde gemütlich beim Essen zusammen. Alles ist gut, so scheint es. Niemand denkt an die dunklen Ankündigungen seines nahen Todes, die Jesus in den letzten Tagen mehrfach gemacht hat.

Da betritt die Frau den Raum, einen edlen Flacon in der Hand. Zielstrebig geht sie auf Jesus zu – nützt das Überraschungsmoment: Bevor sie jemand fragen kann, wer sie ist und was sie will, bricht sie das zugeschmolzene Glas an der Sollbruchstelle des langen Flaschenhalses auf und gießt den ganzen Inhalt über Jesus aus. – Der lässt es geschehen, ja genießt den rasch sich ausbreitenden Duft und das wohltuende Öl auf Haut und Haaren.

Der wunderbare Duft erfüllt den ganzen Raum. – Einige erkennen sofort: Nardenöl! Mit das edelste, was Heilkundler und Duftexperten zu bieten haben. Man schreibt dem Nardenöl angstlösende Wirkung zu. Nur, es ist richtig teuer! Ein Tröpfchen zehn Euro. Die vielleicht Hundert Milliliter des Flacons ein kleines Vermögen. Das ist der Wahnsinn! Wohl 300 Denare mag es gekostet haben, so schätzen die anwesenden Rechner. 300 Denare! Das entspricht in etwa dem durchschnittlichen Jahreseinkommen eines guten Arbeiters. Für ein Zehntel davon, 30 Denare, gibt Judas dem Hohen Rat den Ort bekannt, an dem sie ihn unauffällig verhaften lassen können.

Das ist doch die reine Verschwendung! Was hätte man mit dem Geld alles machen können, wenn man das teure Öl verkauft hätte! „Du bist verrückt!“ werfen sie der Frau vor. „Wieviel Not hätte sich damit lindern lassen!“ wollen sie ihr ein schlechtes Gewissen machen. – Aber noch bevor die so Beschuldigte sich rechtfertigen kann nimmt Jesus sie in Schutz: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan… Diese Frau hat getan, was sie konnte. Sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch von dieser Frau sprechen und von dem, was sie getan hat.

Der letzte Satz ist eine der vielen erfüllten Vorhersagen der Bibel. Fast zwei Jahrtausende ist das nun her, dass sich diese kleine skandalöse Geschichte ereignet hat und immer noch wird am Anfang der Passionsgeschichte von dieser Frau berichtet. Ihre Tat steht in jeder Bibel. In der ganzen Welt, in allen Sprachen und zu allen Zeiten, bis heute findet die verschwenderische Liebe einer unbekannten und unbedeutenden Frau Beachtung und wird durch die Worte von Jesus gelobt.

Was mag sie wohl dazu bewogen haben, so viel Geld an Jesus zu „verschwenden“. Eine ungeheure Wertschätzung, ja eine tiefe Liebe. Liebe fragt nicht, was es kostet. Sie kann das Beste, Teuerste und Liebste geben und tut es gern. Wir wissen nicht, was diese Frau mit Jesus für eine Vorgeschichte hat. Man kann nur vermuten, dass er ihr aus großer Not, Sorge, Schuld oder Angst geholfen hat. Sie hat ihm viel, ja vielleicht alles zu verdanken. Jesus ist ihr Heiland und Erlöser geworden.

Wie viele Menschen haben das noch nicht begriffen. Darum ist ihnen Jesus so ziemlich egal. Sie sind nicht bereit, ihm auch nur irgendwas zu geben. Nicht etwas, was materiellen Wert hat, auch nicht ihre Aufmerksamkeit oder ein bisschen von ihrer kostbaren Zeit. Jesus würde sogar ihre Sorgen nehmen, ihre Angst oder ihre Schuld. – Wenn sie sie ihm nur geben würden.

Was geben Sie Jesus? Haben Sie darüber schon mal nachgedacht? Was könnte ich Jesus geben? Was könnte ich ihm Gutes – in seinem Sinn Gutes tun? Aus Dankbarkeit und Liebe. Es muss ja nicht gleich ein Jahresgehalt sein. Nein, es ist keine Pflicht, sein Vermögen für ihn dran zu geben. Aber wer an sich selbst die schenkende rettende Liebe des Heilands erfahren hat, der gibt auch gerne was oder sogar eine ganze Menge für ihn. Oder gibt etwas für ihn auf, was von Jesus trennen würde und vom Weg zum Ziel nur ablenken würde.

An anderer Stelle sagt der Heiland: Was ihr einem von diesen meinen Geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan. Und dann nennt er die Hungernden, die nichts zu trinken oder zum Anziehen haben. Er spricht von Gefangenen und Kranken, die nicht allein gelassen werden und von Fremden, die freundlich aufgenommen und beherbergt werden sollen. Es gibt viele Möglichkeiten etwas aus Liebe für Jesus zu tun, der sich mit den Geringen, Schwachen und Hilflosen identifiziert. Auch jetzt in unseren Zeiten.

Was ist denn das Ziel derer, die lieben? Sie wollen zusammen sein. Für immer zusammen sein. Sie schwören sich ewige Liebe und Treue. – Leider wird der Schwur viel zu oft gebrochen. – Das Ziel derer, die sich von Jesus geliebt und angenommen wissen und die ihn von Herzen wieder lieben, ist doch auch, mit ihm ganz und für immer zusammen zu sein. Ein Leben lang in dieser Welt und eine ganze Ewigkeit lang in Gottes Welt. Und dafür ist kein Preis zu hoch. Die Märtyrer haben dafür sogar ihr Leben gegeben. Exulanten ihre Heimat, Haus und Hof.

Verfolgte Christen in aller Welt geben dafür auch in unseren Tagen ihre Freiheit auf, ihre Familie, ihr Ansehen und manche immer noch ihr Leben. Weil Jesus ihnen das wert ist und weil sie wissen, was sie Jesus wert sind.

Bedenk doch: Was gibt Jesus für dich? Alles, sogar sein Leben! Und dazu gibt er Hoffnung in schwierigen Zeiten, Zukunft in aussichtslosen Lagen. Er hat sich selbst für uns gegeben. Ist nicht davongelaufen, sondern hat sein Leben für uns eingesetzt. Er gibt Freiheit von allem was uns bedrücken und einengen will. Er gibt Geborgenheit in Bedrohungen, lässt nicht verzweifeln, wenn wir nicht wissen, wie es weitergehen soll. Auch in Zeiten wie diesen ist er die einzige Hoffnung, die trägt. Vergessen wir es nicht in allen Schreckensnachrichten.

Er nimmt alle deine Sorge auf sich und sorgt für Dich. Zögere nicht, gib sie ihm. Er ist in deiner Angst neben dir und fasst dich bei der Hand: Mein Kind, mein Bruder, meine Schwester, fürchte dich doch nicht, ich bin mit dir.

Wie viele leben jetzt in Angst, um ihre Gesundheit, um ihre Lieben. Manche auch in Angst um ihren Betrieb, ihre Existenz, um unseren Wohlstand, um unsere Sicherheit. Wir müssen begreifen: Sicher ist nur, wer sich von Jesus lieben lässt. Der ist in jedem Fall in Sicherheit. Geborgen im Leben und im Tod.

Ach, vielleicht bringt ja die gegenwärtige Krise doch Manche zum Nachdenken – oder sogar zum Umdenken und - das wäre das Beste, - sogar zum Umkehren. Zurück zu dem, der Leben gibt und der alle Macht hat. Zurück zu den Geboten Gottes, zurück von den materiellen hin zu den christlichen Werten.

Abschied. Wir müssen uns alle mal verabschieden. Von der Jugend und ihrer unbeschwerten Kraft. Von der Gesundheit, die alles wegsteckt. Verabschieden von der Macht, vom Erfolg, von der Schönheit, von Ämtern. Wenn man nicht mehr gewählt wird, wenn man die Altersgrenze erreicht, oder wenn die Kraft nicht mehr reicht. Wir müssen uns verabschieden von falschen Vorstellungen und falschen Gottesbildern.

Wir müssen uns verabschieden von lieben Menschen und eines Tages von unserem Leben in dieser Welt. Wir sollten uns umgehend verabschieden von dem Irrtum, dass wir alles im Griff hätten. Verabschieden auch von falschen Vorbildern und falschen Erwartungen.

Abschied mit Wehmut? Nein. Mit Dankbarkeit für alles, was Jesus in den vergangenen 26 Jahren an der Kreuzkirche in seiner Liebe an mir und anderen getan hat. Und bitten, dass es weitergeht mit seiner Hilfe. Hier in der Gemeinde, bei uns und euch daheim, bei der Arbeit und im Alltag.

Wenn glaubende Christen Abschied nehmen, wissen sie, es ist nur auf Zeit. Wenn wir auf dem Weg mit Jesus bleiben, dann werden wir uns gewiss wiedersehen. Durch Gottes Gnade. Darauf möchte ich mich verlassen.

Wenn wir nicht so viel rechnen, sondern mehr lieben, gewinnen wir viel mehr als wir verlieren. Die Frau, von der Markus berichtet, hat nach dem Urteil der Menschen viel Geld verloren, aber sie hat mit ihrer verschwenderischen Liebe dafür noch viel mehr gewonnen: Freude, Geborgenheit und Erfüllung.

Herr, wir bitten dich, schenk uns solche Liebe. Die weder geizig noch egoistisch ist. Liebe, die vergeben kann und die treu sein kann. Liebe, die Zeit hat, die zu verstehen versucht und die ein Ziel hat. Danke für deine große Liebe, mit der du uns zuerst geliebt hast und noch immer liebst, noch mehr liebst und zum Ziel hin liebst. Amen.

Das folgende Lied von Johannes Scheffler, „Ich will dich lieben, meine Stärke“ können Sie gerne auch mitsingen. Der Text der Strophen wird eingeblendet.

 

Lied 400, 1.6.5 „Ich will dich lieben, meine Stärke“