3. Sonntag nach Epiphanias, 26.01.20 Apg 10, 19-35

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Wir wollen in der Stille um den Segen des Wortes Gottes bitten... Herr, wir bitten dich, erhöre uns. Amen

Unser Bibelwort für die Predigt steht heute in der Mitte der Apostelgeschichte. Sie werden gleich merken, da ist etwas vorausgegangen, aber das wird im Verlauf der Predigt noch klar. Ich lese Apg 10, 19-35:

Während Petrus nachsann über die Erscheinung, sprach der Geist zu ihm: Siehe, drei Männer suchen dich; steh auf, steig hinab und geh mit ihnen und zweifle nicht, denn ich habe sie gesandt.

Da stieg Petrus hinab zu den Männern und sprach: Siehe, ich bin’s, den ihr sucht; Warum seid ihr hier? Sie aber sprachen: Der Hauptmann Kornelius, ein frommer und gottesfürchtiger Mann mit gutem Ruf bei dem ganzen Volk der Juden hat Befehl empfangen von einem heiligen Engel, dass er dich sollte holen lassen in sein Haus und hören, was du zu sagen hast. Da rief er sie herein und beherbergte sie.

Am nächsten Tag machte er sich auf und zog mit ihnen, und einige Brüder aus Joppe gingen mit ihm. Und am folgenden Tag kam er nach Cäsarea. Kornelius aber wartete auf sie und hatte seine Verwandten und nächsten Freunde zusammengerufen. Und als Petrus hereinkam, ging ihm Kornelius entgegen und fiel ihm zu Füßen und betet ihn an. Petrus aber richtete ihn auf und sprach: Steh auf, ich bin auch nur ein Mensch. Und während er mit ihm redete, ging er hinein und fand viele, die zusammengekommen waren. Und er sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen; aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen meiden oder unrein nennen soll. Darum habe ich mich nicht geweigert zu kommen, als ich geholt wurde. So frage ich euch nun, warum ihr mich habt holen lassen.

Kornelius sprach: Vor vier Tagen um diese Zeit betete ich um die neunte Stunde in meinem Haus. Und siehe, da stand ein Mann vor mir in einem leuchtenden Gewand und sprach: Kornelius, dein Gebet ist erhört und deiner Almosen ist gedacht worden vor Gott. So sende nun nach Joppe und lass herrufen Simon mit dem Beinamen Petrus, der zu Gast ist im Hause des Gerbers Simon am Meer. Da sandte ich sofort zu dir und du hast recht getan, dass du gekommen bist. Nun sind wir alle hier vor Gott zugegen, um alles zu hören, was dir vom Herrn befohlen ist.

Es geht in den mittleren Kapiteln der Apostelgeschichte um die Ausbreitung des Evangeliums über Jerusalem hinaus und um die ganz wichtige Tatsache, dass das Evangelium von Jesus Christus nicht nur für die Juden, das Volk Gottes, gilt, sondern auch für alle Menschen auf der Welt.

Was der Herr Jesus im Missionsbefehl Mt. 28,16-20 seinen Jüngern schon aufgetragen hatte, gehet hin in alle Welt, wird hier noch einmal bestätigt. Und die Christen, die nicht zuvor schon Juden waren, werden befreit von alttestamentlichen Auflagen und Gesetzen, Bestimmungen und Ordnungen.

In dem Zusammenhang kam es auch zu Auseinandersetzungen und Streit in der Urgemeinde. Streit unter Christen um des Glaubens willen? Für manche scheint das befremdlich. Christen, die streiten? Das darf doch nicht sein. Müssten Christen nicht immer einig und friedlich sein? Ist es nicht besser um des Friedens willen, Kompromisse zu schließen, als zu streiten?

In der ökumenischen Bewegung wird häufig so argumentiert. Und vor allem die evangelische Seite ist sehr kompromissbereit, manchmal fast bis zur Selbstaufgabe. Nur um eine Einigkeit zu demonstrieren, die in Wirklichkeit gar nicht da ist.

Das war in der Reformationszeit noch ganz anders. Da hat man heftig miteinander gerungen und gestritten. Man hat schriftlich und mündlich um die Wahrheit diskutiert, mit Argumenten der heiligen Schrift und auch mit Hinweisen auf die Kirchengeschichte. Um das Abendmahl, das Amtsverständnis, um Buße und Gnade, Verdienste und Werke und vieles andere mehr.

Weder durch Drohungen, noch durch Ausschluss, noch durch Bestechung hat man sich umstimmen lassen. Es ging ja um heilige Wahrheiten, um das Wort Gottes. Dass M. Luther und alle seine Anhänger, also auch wir mit dem Kirchenbann belegt wurden, ist ja bekannt, aber man hat es auch mit Bestechung probiert. Man hat Luther Geld und Einfluss geboten, wenn er seine störenden Schriften zurücknehmen und schweigen würde. Man hat ihm ein Kardinalsamt angeboten, wenn er nur still wäre. Aber er und viele andere sind trotz Gefahr für Leib und Leben bei ihrer Meinung und bei ihren Äußerungen geblieben. Was wird heute mit ihrem Erbe gemacht?

Wir lesen in diesen Kapiteln der Apostelgeschichte, dass es bereits in der Urgemeinde Meinungsverschiedenheiten gab. Die Apostel hatten von Petrus etwas gehört, was sie zunächst nicht glauben wollten, und was ihnen unmöglich erschien:

Kapitel 11 Vers1 heißt es: Es kam aber den Aposteln und Brüdern in Judäa zu Ohren… Was machen wir, wenn uns etwas zu Ohren kommt? Oft wird dann zuerst geredet: Hast du schon gehört? - Ist das nicht unmöglich? - Wie kann der nur? Man hat etwas gesehen oder gehört, meist über dritte und nicht so genau und man hat schnell seine Meinung und ein Urteil.

Nicht immer geschieht das, was wir hier lesen: Die Apostel stellen Petrus zur Rede. Wäre das nicht eigentlich erste, was man tun müsste, wenn man etwas hört, was man nicht für richtig hält: Nachprüfen, ob das überhaupt stimmt, ob es sich tatsächlich so zugetragen hat.

Petrus wird, als er das nächste Mal nach Jerusalem kommt von den anderen führenden Männern der Urgemeinde angesprochen und zur Rede gestellt: Sag mal, stimmt es, dass du…?

Petrus hat so die Gelegenheit, den anderen Aposteln den Ablauf der Ereignisse zu erzählen und zu begründen, warum er so gehandelt hat und zu seiner geänderten Haltung gekommen ist. Wie oft wird vorschnell geurteilt, werden Vorwürfe gemacht, noch bevor man weiß, warum ein anderer so gehandelt hat.

Wir erfahren zunächst, wie die Judenchristen immer noch in den alten Vorstellungen von rein und unrein gefangen sind und erst durch das Wirken des Heiligen Geistes allmählich frei davon werden. Sie sind noch fest in alten Gesetzen: Was man tut und was nicht. (Keine Gemeinschaft mit Heiden; Speisen, die nach dem Gesetz des Mose unrein sein, isst man nicht. Essen durfte man nur, was gespaltene Hufe hat und Wiederkäuer ist.)

Die alte Haltung auch des Petrus wird in der Vorgeschichte deutlich: Noch nie etwas Gemeines und Unreines in meinen Mund… Er bezog das nur auf äußerliche Vorschriften, nicht auf gemeine oder unreine Äußerungen. Aber Jesus hatte ja schon betont: Nicht das, was durch den Mund hineingeht, macht uns unrein, sondern, das, was durch den Mund herauskommt, z.B. gemeine und unreine Äußerungen.

Petrus wird also von den anderen Jüngern zur Rede gestellt und bekommt die Gelegenheit, die Sache aus seiner Sicht darzustellen und zu erklären. „Ich hab doch genauso gedacht wie ihr… Er erzählt von der Vision, die er hatte als er mittags auf dem Flachdach des Hauses Simons saß. Von einem großen Tuch, das er vor sich sah, mit vielen Tieren drin, ein Durcheinander aller Kreaturen, für einen Juden ein widerlicher Anblick. Reine und Unreine Tiere nebeneinander. Schon durch die Berührung mit Unreinem wird Reines ebenfalls unrein. Petrus versteht das zunächst nicht, ist verwirrt und unsicher, weil das Erlebte seinen bisherigen Glaubensvorstellungen widerspricht. Damit er das Ganze nicht für einen Traum oder Phantasie hält, geschieht es dreimal hintereinander, verbunden mit dem Befehl: Iss! Kurz darauf kommen die Boten des Kornelius. Sie stehen vor der Tür mit der Bitte, Paulus solle doch mit ihnen nach Caesarea zu ihrem Herrn kommen.

Paulus bittet sie herein und lässt sie bei sich übernachten, gewährt ihnen Gastrecht, was er genau genommen auch schon nicht hätte tun dürfen. Ein frommer Jude lässt keine Ungläubigen unter seinem Dach nächtigen. Aber der Geist Gottes hat ihn durch die Vision schon auf die Situation vorbereitet. Am nächsten Tag macht er sich zusammen mit den Boten auf den Weg nach Caesarea (ca. 50km), eine gute Tagereise.

Aber wie kam Kornelius überhaupt dazu, Petrus holen zu lassen? Es heißt, er war fromm und Gottesfürchtig und gab dem Volk viel Almosen. Er war offensichtlich nicht nur Soldat, Besatzer und Machthaber, er ist nicht in seinem Beruf unmenschlich geworden, sondern er ist Mensch geblieben, hat sein Amt menschlich ausgeübt. Und das sieht Gott, wenn einer nicht nur nach Vorschrift handelt, sondern Mensch bleibt.

Wir haben ja alle mit Menschen zu tun. Siehst du noch den Menschen? Als Richter, als Arzt, als Polizist, als Lehrer, als Beamter, als Verkäufer, Als Kranker? Als was du auch arbeitest, siehst du in deinem Gegenüber noch den Menschen?

Dem Kornelius ist das zum Segen und zur Rettung geworden. Das wird ja heute oft ganz anders gesehen. Da wird einem leitenden Angestellten vorgeworfen: Sie sind zu menschlich! Sie sind zu weich! Sie sind zu nachsichtig! Vielleicht wird ihm sogar gekündigt deswegen.

Aber wir sollen uns nicht zur Unmenschlichkeit zwingen lassen. Es gibt bei allem Druck immer die Möglichkeit menschlich zu bleiben. Über sein echtes Interesse an den Menschen des besetzten Landes hat der Kornelius auch ihren Glauben kennen und achten gelernt: Den unsichtbaren Gott Israels, seine Gebote und Ordnungen und er hat sie geachtet und respektiert. Er hat sich offensichtlich sogar zur Synagoge und den Gottesdiensten gehalten. Darum erlebt er etwas mit Gott. Gott redet mit ihm und Kornelius hört auf das, was Gott ihm sagt. Er wird vorbereitet für das, was ihm dann begegnet.

So ist das auch oft, wenn wir jemanden einladen zu einer Veranstaltung, einem Gottesdienst. Gott hat schon vorgebaut und eine innere Bereitschaft geschaffen, dass diesmal die Einladung angenommen wird, obwohl wir schon gar keine Hoffnung mehr hatten. Manchmal macht uns der Geist Gottes auch aufmerksam: Du könntest doch den mal wieder ansprechen. Der Geist Gottes redet leise und unaufdringlich. Es kommt so ein Gedanke. Man wird an jemanden erinnert. Es begegnet dir jemand nach langer Zeit. Das ist die Gelegenheit! Kein Zufall!

Gott redet immer wieder auch mit Fernstehenden. Hier mit Kornelius. Er bekommt den Auftrag einen Mann namens Simon Petrus aus dem 50 km entfernten Joppe holen zu lassen. Als die Boten in Joppe ankommen, ist auch der Petrus schon vom Geist Gottes vorbereitet. So, dass er tatsächlich mitkommt, obwohl er bestimmt andere Pläne gehabt hat. Andere Christen aus Joppe sind etwas skeptisch und begleiten ihn.

In Caesarea angekommen wird Petrus im Haus des Kornelius vom Hauptmann selbst empfangen. Der fällt vor ihm nieder, was dem Petrus ganz unangenehm ist: „Steh auf, ich bin nur ein Mensch.“ Der Kornelius hat nicht nur auf den Petrus gewartet, sondern sogar Freunde und Verwandte eingeladen, das Haus ist voller Leute, die nicht wissen, was da jetzt geschieht.

Stellen Sie sich einmal vor, wenn das uns passieren würde. Wir würden vielleicht den K. zur Seite nehmen und sagen: Herr K. kann ich sie vielleicht einmal unter vier Augen sprechen? Wie ist das, wenn das Thema auf den Glauben kommt und wir wissen, da sind eine Menge Leute, die hören unser Gespräch mit an? Da gehört dann Mut und Klarheit dazu etwas zu sagen. Auch schon im Krankenhaus, wenn man einen besucht und der Zimmernachbar ist dabei, der hat vielleicht auch noch Besuch.

Petrus sagt kurz, warum er trotz religiöser Bedenken gekommen ist, Kornelius warum er Petrus hat rufen lassen. Erstaunlich: V.33b: „Nun sind wir alle hier gegenwärtig vor Gott, zu hören alles, was dir vom Herrn befohlen ist.“ Dieser Heide und seine Verwandtschaft warten darauf, etwas von Gott, vom Glauben, von Jesus zu hören. - Wie viele um uns herum warten vielleicht sogar längst darauf, dass sie von uns dazu etwas hören? Wir meinen oft, dass die anderen gar nichts wissen wollen, vom lebendigen Gott. Aber vielleicht täuschen wir uns ja oft. Vielleicht würden manche um uns herum gerne etwas hören, aber wir bringen unseren Mund nicht auf.

Von Petrus heißt es hier: Er tat seinen Mund auf und sprach: Was spricht er denn in dieser Situation vor dem Offizier, seiner Familie, Verwandtschaft und seinem vermutlich erlauchten Freundeskreis? - Nett, dass ich Sie alle kennen lerne! Wie geht es denn so? was halten Sie denn von der gegenwärtigen politischen Lage? Wie fanden Sie denn das Fußballspiel gestern?

Nix Konversation! Zeugnis! Bekenntnis! Petrus hält auch keinen frommen Vortrag: Sie müssten, sie sollten… Sie sind alle Sünder…. Petrus bezeugt, was er selbst erlebt hat: Mit der Art, wie er redet, gibt er zu verstehen: Ich habe falsch gedacht und Gott hat mich eines Besseren belehrt.

Wir reden oft anders: Ich hab’s und ihr habt’s nicht! Petrus sagt: Ich habe falsch gedacht. Gott hat mir gezeigt, dass ihr auch dazugehört, dass keiner ausgeschlossen ist von seinem großen Angebot. Er fährt fort: Ihr wisst… Er knüpft also an bei dem was die Leute schon wissen von Gott und führt dann diese Grundkenntnisse weiter. Er redet von Jesus, seinem Sterben am Kreuz für die Sünde und von seiner Auferstehung, von seiner Bußpredigt, seiner Macht über die Finsternis. Er erzählt den staunenden Hörern, was er mit Jesus erlebt hat.

Sein klares Bekenntnis hilft dazu, dass einer die nötigen Schritte tut, dass der Geist Gottes wirkt und zum Ziel kommt. Der H.G. wirkt. Man nennt dieses Geschehen hier auch „Pfingstfest der Heiden“:

Kornelius und seine Gäste werden vom Geist Gottes erfüllt und zu Kindern Gottes. Sie glauben an Jesus, den ihnen der Petrus bezeugt und lassen sich taufen. Die judenchristlichen Zeugen, die Petrus dabei hat, erleben es fassungslos mit.

Das alles erzählt Petrus später den Aposteln in Jerusalem, die ihn zur Rede stellen. Ihre Reaktion: 11,18: Als sie das hörten, schwiegen sie still, lobten Gott und sprachen: So hat Gott auch den Heiden die Umkehr gegeben, die zum Leben führt.

Hier ganz wichtig: Der Geist der Buße führt zum Leben! Haben wir den Geist der Buße? Lassen wir uns vom Geist Gottes und vom Wort Gottes zur Umkehr rufen, in Frage stellen, zur Veränderung unseres Denkens und Handelns bewegen?

(EG 635) Lass uns in deinem Namen, o Herr, die nötigen Schritte tun.
Gib uns den Mut, voll Glauben, Herr, heute und morgen zu handeln.
Gib uns den Mut, voll Glauben, Herr, heute von vorn zu beginnen;
Gib uns den Mut, voll Glauben, Herr, mit dir zu Menschen zu werden.

Amen.

Verfasser: Martin SchöppelÓ , Dr.-Martin-Luther-Str.18, 95445 Bayreuth, Tel. 0921/41168