Predigt am 1.So n. Trinitatis, 03.06.18, Johannes 21 i.A.

Thema: Schwamm drüber – Mit Jesus neu beginnen 

Heute kommt mal an die Tafel und löst die Gleichung, die ich angeschrieben habe. - Der Mathelehrer blätterte in seinem Notenbüchlein – die Situation war gefürchtet – jeder dachte: bloß nicht ich! Nicht heute! – Und dann nannte er einen Namen. Man musste vor der ganzen Klasse mit der Kreide die Aufgabe lösen. Und wenn man sich verrechnete, den Überblick verlor und falsche Zahlen oder Buchstaben da stehen hatte, dann hieß es: Wisch es nur schnell weg und fang nochmal an.

Mit dem feuchten Schwamm waren das ein paar Wischer und die Fehler waren gelöscht. Zweite Chance! Schwamm drüber! Das ist so ein geflügeltes Wort, mit dem man einem sagen will: Ist schon vergessen. Dein Fehler ist schon gelöscht. Ich trag es dir nicht nach. Schon vergeben. So eine Schultafel hat in ihrem Alltag unzählige falsche Lösungen, Antworten und Schreibweisen ertragen müssen. Aber – Schwamm drüber! An jedem neuen Schultag, am Ende jeder Schulstunde, musste der Tafeldienst mit dem Schwamm drüber und alle Lücken, Fehler und haarsträubenden Antworten waren wieder beseitigt. Wenn der Schwamm seine Arbeit getan hatte, gab es eine neue Chance.

Wenn das doch mit den großen Fehlern unseres Lebens auch möglich wäre. Wie viele Menschen schleppen eine alte Schuld mit sich herum, immer mit der Angst, es könnte herauskommen, die alte Sache könnte bekannt werden. Jugendliche machten sich mal einen Spaß daraus, einigen ehrenwerten Persönlichkeiten ihrer Kleinstadt einen anonymen Brief in den Briefkasten zu stecken, auf dem nur ein Satz stand: Es ist alles herausgekommen. Einige Tage später nahm sich eine der Personen das Leben. Bei dem muss es irgendeine dunkle Geschichte gegeben haben in der Vergangenheit. Vielleicht eine abgeschriebene Doktorarbeit, eine Fahrerflucht, eine Falschaussage, ein Steuervergehen oder etwas, was auf keinen Fall bekannt werden dürfte, sonst wäre der Ruf ruiniert und die Kariere beendet.

Mit Schuld leben müssen und mit der Straferwartung, die der Schuld folgt ist ein enormer Druck. Wie kann man ihn loswerden? Welcher Schwamm löscht sie aus? Wer befreit das Gewissen? Wie kann ich ganz neu anfangen?

Die Bibel enthält viele Lebensgeschichten, in denen Schuld, eigene oder fremde Schuld eine gewichtige Rolle spielt. Manchmal wurde sie lange verborgen oder verdrängt. Aber die Schuldigen wurden sie so nicht los. Es gibt nur einen Weg mit Schuld fertig zu werden, so die Aussage aller Betroffenen: Schluss mit dem Verschweigen! Bekennen! Gott damit kommen und ihn bitten, dass er vergibt. Schonungslos ehrlich sein und von ihm einen neuen Anfang erbitten.

Jörg Streng hat ein sehr eindrucksvolles Lied dazu gemacht, das er jetzt für uns singen wird: „Ich komme zu dir, Herr“

Die Bibel ist voller Lebensgeschichten von solchen Leuten, die versagt haben und unter den Folgen litten, bis sie bei Gott oder Jesus Hilfe suchten und fanden.

Im letzten Kapitel seines Evangeliums berichtet Johannes von einer Begegnung im Morgengrauen zwischen dem auferstandenen Jesus und sieben seiner zwölf Jünger. Die Jünger, allesamt Fischer hatten sich in ihrer Galiläischen Heimat am See Genezareth nahe der Stadt Tiberias getroffen, um die Ereignisse der letzten Wochen zu verarbeiten. Sie wollten Klarheit bekommen, wie es denn jetzt weitergehen sollte mit ihnen.

Sie hatten sich zum Fischen verabredet, waren am Abend nach Sonnenuntergang auf den See rausgefahren und hatten, wie früher – ihre Netze ausgeworfen. Vertraute Handgriffe in dunkler Nacht. - Warten. - Ihre Gedanken waren auch nicht so recht bei der Sache. Die Ereignisse der vergangenen Wochen gingen ihnen durch den Kopf. Der letzte Tag mit Jesus, an dem sie das Passahmahl vorbereitet und sich dann dazu mit ihm und den anderen versammelt hatten. - Die Gespräche beim Mahl. - Die Einsetzung des Abendmahls, das sie nicht recht verstanden. - Eine ganz besondere Stimmung war das.

Dann der Abschluss und der Gang aus der Stadt zum Garten Gethsemane, wo sie alle erst müde einschliefen und dann jäh aus dem Schlaf hochfuhren, als die bewaffneten Tempeldiener kamen und Jesus verhafteten und der sich ohne Widerstand festnehmen ließ. Alle hatten sie dort versagt, waren in panischer Flucht davongelaufen in jener Nacht.

Simon Petrus hatte noch eine besondere persönliche Pleite zu verkraften: Sein Verhalten im Hof des Palastes des Hohen Priesters. Aus dem Halbdunkel heraus wollte er beobachten, was mit Jesus geschehen würde. Wachleute ließen ihre sadistischen Neigungen an Jesus aus. Sie trieben ihren Spott mit ihm, schlugen und schikanierten ihn. – Und dann plötzlich, als er noch überlegte, was er tun könnte, die Stimme jener Magd, die ihn als Begleiter von Jesus erkannte. – Und er hatte abgestritten, zu Jesus zu gehören. Aber zwei andere noch bestätigten kurz darauf die Vermutung der Angestellten: - Klar, wir haben dich doch auch mit diesem Jesus gesehen! „Nein! Was wollt Ihr von mir? Ihr täuscht euch. Ich kenne diesen Menschen nicht.“ Ein feiger Verrat, eine erbärmliche Lüge. Bekräftigt mit einem Fluch. Ein Hahnenschrei erinnerte ihn an die Ankündigung des Vorabends.

Seither wiederholte sich diese Szene wieder und wieder im Kopf des Petrus. Er schämte sich für deine Feigheit. Was hätte er dafür gegeben, wenn er die Szene rückgängig hätte machen können! – Kennen Sie solche Situationen auch in Ihrem Leben, in denen Sie versagt haben? In einem Augenblick überrumpelt, falsch entschieden, falsch reagiert, schnell und unbedacht gelogen. Und dann gab’s irgendwie kein Zurück mehr. Eine Lüge erzwang die nächste. Die Scham über das Versagen verhinderte eine Klärung. Die Angst vor den Folgen. Schlaflose Stunden. - Hätte ich doch…

Auch in Petrus arbeitet das alles noch, als er wieder und wieder mit den Gefährten das Netz auswarf und langsam wieder einholte. Kein Fisch im Netz. Nur trübe Gedanken und Gewissensbisse in der Seele. Dann als es schon dämmerte und das Ufer wieder zu sehen war, jener Fremde am Ufer. Der ihnen zurief, als sie schon aufgegeben hatten und anlegen wollten: „Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, dann werdet ihr einen Fang machen!“

Auch wenn es gegen alles Fachwissen und ihre Fischererfahrung war, sie warfen das Netz und es füllte sich sofort mit Fischen. Sie mussten nur noch das Netz einholen. – Hatten wir das nicht schon einmal? Vor drei Jahren, als Jesus uns aufforderte ihm zu folgen? – „Leute!“, ruft Johannes, „der Mann am Ufer, das ist Jesus, das ist der Herr!“

Wenig später sitzen sie am Ufer zusammen mit Jesus, der Feuer gemacht und sie zum Essen eingeladen hat und von dem sie alle wissen, es ist Jesus. Schweigend essen sie. Simon Petrus ringt um Worte. Was soll er sagen? Ob es noch einmal ein vertrauensvolles Verhältnis geben kann? – Aber wie soll er seine Schuld wieder gut machen?

Jesus durchbricht die hilflose Stille: Simon, hast du mich lieber als die anderen mich haben? – Das war ja seine stolze Behauptung gewesen: Kann sein, dass dich die anderen verraten. Ich nicht. Ich geh mit dir ins Gefängnis, wenn‘s sein muss ja sogar in den Tod. – „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe!“ – „Dann weide meine Lämmer“ – antwortet ihm Jesus und will damit sagen: Dann kümmere dich um die Gemeinde. Sei weiter mein Mitarbeiter. Zweimal noch wiederholt der Herr noch die Frage: Hast du mich lieb? – Zweimal noch gibt Petrus sein Ja als Antwort. – Seiner dreimaligen Verleugnung entspricht die dreimalige Frage. Jesus fragt nicht nach Perfektion. Er erwartet keine Beweise und Wiedergutmachungsversuche. Sondern nur das Eine: Liebe. Hast du mich lieb? Petrus darf mit Jesus neu beginnen. Seine Schuld ist vergeben. Sie kommt nicht mehr zur Sprache. Das alte Vertrauen ist wieder hergestellt durch Jesus.

Petrus bleibt wichtiger Mitarbeiter, Gemeindeleiter, Bote der Liebe Gottes. Dort am Seeufer neben dem Grill, zusammen mit den anderen geht ihm die vergebende Liebe Jesu unter die Haut und verändert ihn. Nein, er ist nicht mehr der Alte. Nicht mehr der „Unfehlbare“, der „Super-Jünger“. Kein Glaubensheld mehr. Sondern er ist einer, der endlich begriffen hat, dass es nicht um Leistung, sondern um Liebe geht und um Wahrheit. Entscheidend ist nicht die eigene Kraft, sondern das Vertrauen in die Kraft Gottes.

Es geht im Glauben darum, zu erkennen und für sich anzunehmen, dass Jesus Gottes Rettung für mich ist. Mit Jesus gibt es immer einen neuen Anfang. Er löscht alte Schuld aus. Er fängt ganz neu mit Leuten an, von denen er nur eines erwartet: Liebe. Und die muss nicht als Vorleistung von uns erbracht werden, sondern nur als Antwort auf seine Liebe.

Jesus hat für jede und jeden trotz Versagen, trotz Sünde, trotz Schuld ein Wort des Trostes, ein Wort der Hilfe, ein Wort der Hoffnung und ein Wort der Liebe. Hören wir noch einmal auf Jörg Streng und sein Lied mit dem Titel: „Ein Wort der Liebe“

Wo Gottes Liebe Menschen trifft und man sich treffen lässt, kommt Licht in alle Finsternis, strahlt Freude auf, wo Trauer ist. Gottes Liebe hält dich fest.

Das ist so! Das kann man genauso auch 2018 hier am See in der Wilhelminenaue in Bayreuth erleben. - Wir waren ja jetzt von Pfingsten bis Fronleichnam auf zwei Familienfreizeiten an der Ostsee und im Salzburger Land mit insgesamt über 500 Leuten. Da hab ich das in vielen Seelsorgegesprächen miterlebt, wie ganz verschiedene Leute wieder ganz neu mit Jesus begonnen haben. Junge und Alte, solche die gerade erst zum Glauben gekommen sind und andere, die seit einem halben Jahrhundert schon den Weg des Glaubens gehen. Manche sind dabei Schuld losgeworden, die sie jahrelang gequält hat. – Sie haben die Liebe Jesus neu gespürt und für sich nehmen können und zugleich selber eine starke Liebe zu Jesus ins Herz bekommen. Der persönliche Zuspruch der Vergebung ist dabei eine ganz große Hilfe. Der Teufel verliert dabei das Recht uns zu verklagen und uns mit unserer alten Schuld zu quälen.

Ich hab das selber in meinem Leben immer wieder erfahren. Wenn der Seelsorger mir gesagt hat: Im Namen des Herrn Jesu spreche ich dir die Vergebung aller deiner Sünden zu, dann konnte ich das annehmen und glauben. Dann war der Druck weg und eine Freiheit und Freude im Herzen, wie sie nur Jesus schenken kann. Jesus dann auch zu lieben, ist weder schwer noch anstrengend. Es kommt von innen heraus. Sollte ich den nicht lieben, der mir so viel Gutes getan hat? Sollte es mir schwer fallen, den ins Herz zu schließen, der mir wieder Hoffnung und Zukunft gegeben hat?

Jesus lädt uns auch jetzt und hier an diesem See, der zugegeben wesentlich kleiner ist als der See Genezareth, lädt uns alle ein, mit ihm im Abendmahl, das wir jetzt dann anbieten, neu zu beginnen. Sein Blut deckt unsere Sünden zu. Ist wirkungsvoller als jeder Schwamm. Wem er die Sünden vergibt, dem sind sie vergeben. Wie groß oder klein der See ist spielt keine Rolle. Das Meer der Liebe Jesu ist groß.

Er fordert keine Bußleistung und fordert keine Bewährung. Er will nur eins: Dass wir seine Liebe annehmen und mit unserer kleinen Kraft zurückgeben. Dann auch weitergeben an andere, indem wir ihnen vergeben und ihnen Jesus lieb machen.

Kommt, atmet auf, ihr sollt leben.
Ihr müsst nicht mehr verzweifeln, nicht länger mutlos sein.
Gott hat uns seinen Sohn gegeben.
Mit ihm kehrt neues Leben bei uns ein.

Das wollen wir uns jetzt gegenseitig zusingen mit

Lied 111 Kommt, atmet auf, ihr sollt leben.

Verfasser: Pfarrer Martin Schöppel, Dr.-Martin-Luther-Str.18, 95445 Bayreuth Tel. 0921/41168