Gnade sei mit euch und Friede, von Gott, dem
Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen. Wir wollen in der Stille
um den Segen Gottes für diese Predigt bitten:
… Herr, wir bitten dich, erhöre uns. Amen.
Das für heute nach der Ordnung der Predigttexte vorgesehene Bibelwort ist ein Hoffnungstext für alle, die unter einer Not leiden, die mit einem Problem kämpfen und denen alles Vergehen und Sterben, das wir um uns herum erleben, zu schaffen macht. Im Brief an die Römer schreibt Paulus im 8. Kap.:
Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden.
Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit - ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat -, doch auf Hoffnung, denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt.
Nicht aber allein sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft der Erlösung unseres Leibes. Denn wir sind gerettet auf Hoffnung hin. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung, denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht. Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld.
Die Planeten im Weltall ziehen ihre Kreise um die Sonne. Von Zeit zu Zeit kommen sie sich nahe in ihrer Umlaufbahn. Sie grüßen sich und wechseln ein paar Worte. Als der Mars mal wieder an der Erde vorbeikommt, ruft er ihr zu: „Hallo Erde, wie geht’s dir? – Du schaust gar nicht gut aus.“ – Die Erde antwortet etwas gequält: „Hallo Mars, danke der Nachfrage. Nein, mir geht’s nicht gut. Ich fühl mich gar nicht wohl.“ Der Mars fragt besorgt zurück: „Was hast du denn?“ – „Ach“, seufzt die Erde, „ich hab Menschen!“ - „ Du arme Erde!“ tröstet der Mars, „das ist aber ziemlich unangenehm. Aber ich kann Dir versichern: Das geht vorüber!“
Dieser etwas makabre Witz will deutlich machen, dass wir Menschen mit unsrem Verhalten Mutter Erde ziemlich zusetzen. Doch auf das Alter der Erdgeschichte gesehen, ist der Mensch nur eine kurze, zeitlich begrenzte Episode, wie einen ein grippaler Infekt halt, der in der Regel nur kurze Zeit dauert. – Der Witz stellt mit einer gewissen Bitterkeit in den Raum: Wenn wir so weitermachen, wird sich unsere Gattung Mensch wohl in absehbarer Zeit selbst vernichten. Und wenn einmal der letzte Mensch auf dieser Erde an Gift, Genveränderungen, Strahlung, durch einen gewaltigen Atomkrieg oder eine andre von Menschen verursachte globale Katastrophe umgekommen sein wird, dann wird die Erde dennoch weiter Kreise um die Sonne ziehen und sich ganz langsam wieder erholen von der Episode oder „Krankheit“ Mensch. - Eine dunkle Vision, die unserer Spezies wenig Spielraum lässt. Sie meinen, alles sei nur eine Frage der Zeit, bis es vorbei ist mit uns und der Spezies Mensch.
Ganz anders der Ausblick, den der Apostel Paulus hier vermittelt. Er redet zwar auch von der Vergänglichkeit der Schöpfung, aber er weiß, dass mit dem Leiden und Sterben für Kinder Gottes eben nicht alles endet. Paulus kann sogar mit Gewissheit davon reden, dass es eine leuchtende, eine wunderbare Zukunft gibt für die, die an Christus glauben: Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden.
Es macht schon einen großen Unterschied, ob ich nach einer langen Leidenszeit ein unwiderrufliches Ende erwarte oder einen neuen Anfang einer guten Zukunft. Wenn es für die Zeit nach einer schweren Operation einen Genesungsplan und Aussicht auf vollständige Heilung gibt, hilft das schon die harte Zeit nach der OP durchzuhalten. Auch wenn es mühsam ist und dauert. (Sportler nach Verletzungen)
Paulus verharmlost die Leiden dieser Zeit nicht. Er behauptet nicht, dass es nicht schlimm wäre, wenn Kranke viel Schmerzen haben oder wenn Menschen unschuldig im Gefängnis sitzen oder wenn Minen Kinder verstümmeln oder wenn Christen wegen ihres Glaubens verfolgt und gefoltert werden. Er weiß selbst wie das ist und hat am eigenen Leib erlebt, wie weh Schläge tun können und wie ohnmächtig man sich fühlen kann, wenn man zu Unrecht beschuldigt wird. Er verharmlost das alles nicht, sondern er verweist auf die Zeit danach und betont, wie groß und herrlich die Zukunft ist, die Gott für alle treu Glaubenden bereithält, die durchhalten und nicht aufhören Gott auch in ihrem Leid zu vertrauen.
Der Apostel vergleicht die Schmerzen, die menschliches Leid begleiten, mit den Schmerzen/Wehen einer Geburt. Die werdende Mutter erträgt die Schmerzen tapfer und erwartungsvoll, weil sie weiß, dass sie bald überstanden sind und dass sie in kurzer Zeit überwältigt und glücklich ihr Neugeborenes in den Armen halten wird und dass dieses Glück es ganz sicher wert ist, die Schmerzen der Wehen durchzustehen.
Von der ganzen Schöpfung die seufzt und sich ängstet ist hier die Rede. Alle Kreatur, alles Leben ist der Vergänglichkeit unterworfen. Jede Beerdigung, jeder hohe Geburtstag, jeder Jahreswechsel, jeder Herbst und eigentlich schon jeder Sonnenuntergang erinnern uns daran: Alles vergeht. So ist das auf dieser Erde und mit dieser Erde. So will es Gott.
Unsere Wissenschaftler berechnen das nüchtern und nennen Zahlen. Die Lebensdauer unseres blauen Planeten ist begrenzt, sagen sie. Von den ersten Anfängen bis zum letzten Ende rechnen sie mit 13 Milliarden Jahren, von denen wir ihrer Meinung nach gut die Hälfte schon hinter uns haben.
Ich kenne niemanden, dem diese Zahlen und die Aussicht eines Endes von Mutter Erde in ein paar Milliarden Jahren Sorgen bereiten, weil einfach die Zahlen und Zeiträume so groß sind, dass sie uns fern und unvorstellbar sind. In 100 Jahren tut mir kein Zahn mehr weh, sagt man. Aber ich kenne viele, denen die Aussichten auf die nächsten Tage, Wochen, Monate oder Jahre zu schaffen machen.
Die Mitarbeiter von BAT, die in den nächsten Monaten mit ihrer Kündigung rechnen; Patienten, die keine gute Prognose für ihre Krankheit haben; Studenten oder Referendare, die auf ihr Examen zugehen und befürchten, dass ihre Endnote nicht reichen wird, um sicher eine Stelle zu bekommen; Selbständige, die ihr Unternehmen von Insolvenz bedroht sehen. Ein Pfarrer ein paar Jahre vor dem Ruhestand, der sich fragt, ob er den Anforderungen noch bis dahin gewachsen ist. Was ist Ihre Angst, Ihr Grund des Seufzens? – Das ängstliche Harren der Kreatur ist vielfältig und vielschichtig geworden.
Das Seufzen der Kreatur wird lauter: Die Leiden dieser Zeit, in der wir leben, zahlreicher. Es wird geseufzt und gelitten in Pflegeheimen und Krankenhäusern über die Personalnot, in Ämtern und Betrieben über die ständig wachsende Arbeitsbelastung, in Kriegsgebieten seufzt die Zivilbevölkerung unter dem ständigen Beschuss. Menschen seufzen in Flüchtlingslagern, unter Dürrekatastrophen, bei Überschwemmungen, Feuern, Stürmen, Epidemien, in Diktaturen, aber auch in unglücklichen Ehen, zerrütteten Familien. Seufzer ohne Zahl, nicht nur unter den Menschen. Die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und liegt in Wehen.
Auch in der Tierwelt wird geseufzt und gelitten in dieser Zeit: Von der Taube, die der Raubvogel im Flug ergriffen hat und vom Hasen, den der Fuchs erwischt hat. Wohl auch von den Hühnern, Schweinen, Rindern, die in Massen auf engstem Raum gehalten werden, damit die Wurst billig ist und die Gewinnspanne groß genug ist. - Ich weiß nicht, wie Fische seufzen, die zu zigtausenden in einem großen Schleppnetz gefangen sind und ich kann die Seufzer zahlloser Versuchstiere hinter Labortüren nur ahnen. Die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und liegt in Wehen.
All dem setzt der Apostel Paulus die eine große Hoffnung entgegen, die ihm im Glauben zur Gewissheit geworden ist: Alles Leid dieser Erde wird einmal ein Ende haben und alle Seufzer werden verstummen. Nicht in einem namenlosen sinnlosen Tod, sondern in der Herrlichkeit Gottes, die jeden Glaubenden erwartet. Mit der Kraft dieser Hoffnung können wir den Leiden und Schmerzen unserer Zeit die Stirn bieten und den Kampf gegen alle Missstände aufnehmen.
Volkstrauertag. Das heißt Erinnern ja erinnern an die Leiden dieser Zeit, in der wir, unsere Eltern und Großeltern lebten und leben. Es war menschenverursachtes Leid, Unmenschlichkeit, Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Volkstrauertag, das ist Ernstnehmen von Gefühlen und Schmerzen und leben mit den Folgen, in der Hoffnung, dass dadurch neue Leiden und Ungerechtigkeiten weniger werden.
Paulus will dem Volk, das leidet und trauert eine Hoffnung geben, die trägt und sie an den Grund der Hoffnung erinnern, die im Glauben zur Gewissheit werden kann: Du, Gott, bist bei mir! Auch wenn ich durch ein langes dunkles Tal gehe und noch kein Licht am Ende sehe. Du bist da. Für mich! Mit deinem Trost und deiner Hoffnung. Im Bild des gekreuzigten Christus sehe ich, dass du, mein Herr, weißt, was Leiden heißt und dass du die Kraft schenkst, durchzuhalten.
In dem Ruf: Christus lebt! Der Herr ist auferstanden! leuchtet auch in meinem Seufzen das Licht der Hoffnung auf: Auch mein Leid wird ein Ende haben. Auch meine Schmerzen werden aufhören. - Das Seufzen der Kreatur wird einmal für immer verstummen. Du, mein Gott, wirst Tränen trocknen. Meine und die meiner Lieben. – Dessen darf ich gewiss sein. Weil dir alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden. Das tröstet! Das macht den Mund wieder fröhlich.
Am Ende meiner Predigt möchte ich Ihnen noch eine Erfahrung von erlebter Hilfe weitergeben, von der ich in den letzten Tagen erfahren habe: Bei unserer letzten Männerbrotzeit am 8. Oktober hat der Referent, Wilfried Jehle über die Arbeit mit Flüchtlingen im württembergischen Gammertingen berichtet. Das war sehr beeindruckend. Nach der Veranstaltung kam ein Teilnehmer auf ihn zu und drückte ihm einen Betrag von mehreren Hundert Euro in die Hand für diese Arbeit und für hilfsbedürftige Flüchtlinge.
Kurz darauf wurde Kriminalhauptkommissar Jehle, wieder zurück in Gammertingen, von einem afghanischen Asylanten berichtet, dass sein Heimatdorf von Taliban angegriffen worden ist und das Haus seiner Familie zerstört worden sei. Seine Mutter und Schwester lägen im Krankenhaus dort und müssten operiert werden, um die Granatsplitter aus ihren Körpern zu entfernen. Das geschieht dort aber nur gegen Barzahlung.
Zusammen mit dem Flüchtling berechnete Jehle die dabei vermutlich anfallenden Kosten. Sie kamen genau auf den bei uns gespendete Betrag, der dann auf zuverlässigen Kanälen übermittelt und zur Bezahlung der Behandlungskosten der Familie verwendet werden konnte. Jehle schrieb in seinem Bericht dazu: „Ich bin mir sehr sicher, dass mein Heiland sich ganz intensiv in unsre Arbeit hier in Gammertingen einbringt und ich bin sehr dankbar dafür, dass er liebe Leute dazu veranlasst sich ebenfalls hier einzubringen.“
Paulus schrieb: Ich bin gewiss… Ja wir dürfen im Glauben gewiss werden, dass der Heiland sich unserer Not annimmt und dass er unser Seufzen hört, unsere Tränen trocknet, unsere Not wendet. Er hat Mittel und Wege dazu. Da dürfen wir gewiss sein, auch wenn wir es im Augenblick noch nicht sehen können. Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen. Amen.
Verfasser: Martin Schöppel, Pfarrer, Dr.-Martin-Luther-Str.18, 95445 Bayreuth, Tel. 0921/41168