Predigt: 1. Petrus 1, 13-21 am 03.03.2024, Kreuzkirche


Wir hören auf den Predigttext für den heutigen Sonntag aus dem 1. Petrusbrief, Kapitel 1, die Verse 13-21. Er macht das Thema des Sonntags stark, die Nachfolge:

Umgürtet eure Lenden und stärkt euren Verstand, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi. Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den Begierden hin, denen ihr früher in der Zeit eurer Unwissenheit dientet; sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel. Denn es steht geschrieben (3. Mose 19,2): »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.« Und da ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem Werk, so führt euer Leben, solange ihr hier in der Fremde weilt, in Gottesfurcht; denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt wurde, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen, die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn auferweckt hat von den Toten und ihm die Herrlichkeit gegeben, damit ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.
Liebe Gemeinde,
Umgürtet eure Lenden und stärkt euren Verstand, seid nüchtern. Hier bekommen wir gleich am Anfang gesagt, was Nachfolge bedeutet: Als Christ mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. Nüchtern, mit klarem Blick auf diese Welt und Zeit und auf Gott. Nicht abgehoben, nicht vergeistigt, nicht mit frommem Augenaufschlag und stets ein Halleluja auf den Lippen. Nein, nüchtern. Wörtlich übersetzt heißt es: Umgürtet die Hüften eures Verstandes. Dazu muss man wissen, wie damals die Menschen gekleidet waren, auch die Männer. Sie hatten lange Gewänder an, keine Hosen, aber dennoch mit Gürtel. Zum Aufbrechen, Laufen und Arbeiten band man sie mit einem Gürtel an der Hüfte hoch, um nicht zu stolpern. Wäre bei einem Talar manchmal auch nicht schlecht…. „Umgürtet die Hüften eures Verstandes“ heißt also: Seid als Nachfolger Jesu wache Zeitgenossen. Seht was dran ist und seid bereit anzupacken. Und nutzt dazu euren gesunden Menschenverstand.

Und dann wird gleich ein weiteres Kennzeichen von Nachfolge genannt: heilig sein. Heilig sein, das scheint ein gewaltiger Anspruch. Wie kann ich das? Ist das nicht bloß besonders Auserwählten vorbehalten?
“Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.” So steht es geschrieben, im Alten wie im Neuen Testament. Heilig sein: das gilt mitten im Leben in dieser Welt. Am Sonntag - und am Montag, am Dienstag wie am Mittwoch, am Donnerstag nicht weniger als am Freitag und am Samstag.
Kein Zweifel wird daran gelassen: unser Christsein muss existentielle und sichtbare Folgen auch im Alltag haben. Sonst läuft etwas schrecklich schief bei uns. Wenn wir einfach so leben, wie jeder andere auch, dann stimmt etwas nicht. Im Jakobusbrief heißt es an einer Stelle: „Seid aber Täter des Wortes und nicht Hörer allein, sonst betrügt ihr euch selbst.“ Insofern bedeutet heilig sein in der Nachfolge Jesu auch: nicht einfach angepasst sein. Nicht blind mit dem Strom schwimmen, sondern genau hinschauen. Nicht mit den Wölfen heulen, sondern genau hinhören, woher der Wind weht: ich meine den Wind des Heiligen Geistes. Also ganz konkret die Fragen: wo mache ich mit und wo nicht? Wo bin ich gerne dabei und wo nicht? Wo mache ich den Mund auf und wo schweige ich?
Heilig sein, bedeutet nicht, nun einfach irgendwelche in uns liegenden Kräfte zu mobilisieren und uns selbst aufzuschwingen in die Höhe. Das kann alles furchtbar anstrengend sein. Heilig sein bedeutet ganz schlicht: Gott ganz gehören. „Ihr sollt heilig sein“, bedeutet dann nicht mehr und nicht weniger als: „Euer Leben soll Gott gehören; lasst ihn über euer Leben verfügen und hört auf, euch eigenmächtig erlösen zu wollen.“
Man kann es auch ganz anschaulich ausdrücken: So wie ein Gerichtsvollzieher den Kuckuck auf bestimmte wertvolle Gegenstände in der Wohnung klebt und die Bewohner damit das Eigentumsrecht verlieren, so hat Gott seine Hand auf unser Leben gelegt und es zu seinem Eigentum erklärt. Das ist ein ganz großes Geschenk und eine ganz große Gnade. Deswegen schreibt Petrus auch: “Setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi!” Es geht also um ein Leben aus der Gnade Gottes!
Falls wir lieber Großes aus uns selbst wirken wollen, falls mir meinen, wir hätten unser Leben schon im Griff und brauchen keine Gnade, so führen wir zwar vielleicht nach außen erscheinend ein ganz ansehnliches Leben. Aber wie sieht es am Ende aus? Der Theologieprofessor Helmut Thielicke formuliert es so: uns könnte dann am Ende folgendes geschehen: Dass Gott unser Lebenswerk anschaut und darunterschreibt: “Brillante Leistung. Leider Thema verfehlt.” Und das ist tragisch. Schon in der Schule und noch viel mehr am Lebensende! Stell dir vor, Du hast dein Lebensthema verfehlt! Das ist doch bitter!

Und das muss nicht sein. Jesus Christus hat alles getan, damit wir unsere echte Lebensbestimmung finden. Leben aus der “Gnade, die uns angeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi” – wer das tut, der möchte unter keinen Umständen darauf verzichten. Wer ein Leben mit Jesus nicht kennt, denkt vielleicht, er vermisse nichts – aber wenn er es kennt, wird er nicht mehr zurückwollen. So ist das ja manchmal: wenn wir etwas Neues, Besseres kennengelernt haben, möchten wir auf keinen Fall mehr zurück.

Ein kleines Beispiel: Im letzten Herbst ist unser VW Bus relativ kurzfristig durch extrem viele Reparaturen aufgefallen und ich war Dauergast in der Werkstatt. Irgendwann nahm mich der Werkstattmeister, der eigentlich eine Vorliebe für ältere Autos hat und Reparaturen bevorzugt, zur Seite und sagte: „Herr Wenzke, wie lange wollen Sie dieses Spiel noch machen? Ersetzen die ihn durch einen Neuen. Das macht keinen Sinn mehr. Versuchen Sie den alten noch gut zu verkaufen. Ich wollte das erst gar nicht.“ Und dann habe ich mich doch innerlich auf den Weg gemacht. Und so mussten wir relativ schnell einen jungen gebrauchten Bus suchen und haben ihn auch gefunden. Und inzwischen möchte ich auf keinen Fall mehr zurück und tauschen. Der Neue kann halt doch vieles besser.

So ist das schon in diesem banalen Beispiel. Wenn wir etwas Besseres kennen, wollen wir nicht mehr zurück. Wer ein Leben mit Jesus kennt, will in der Regel nicht mehr zurück. Denn ein Leben mit ihm ist reich und gibt einem viel.

Was Jesus mir gibt? Schon “ehe der Welt Grund gelegt wurde”, lagen in Ihm bereit Gnade, Erlösung, Hoffnung für mich! - um drei gewaltige theologische Begriffe aus unserem Abschnitt herauszuheben. Ein Leben mit Jesus gibt mir Gnade, Erlösung und Hoffnung. Ein Lied von Manfred Siebald fasst es in die schlichten Worte:

Es ist Gnade, dass wir zu Jesus kommen dürfen und er uns seine Hände hinstreckt. Es ist Erlösung, dass Jesus am Kreuz für uns gestorben ist. Und es ist Hoffnung, dass wir nicht so bleiben müssen, wie wir sind. Jesus macht uns neu!
Unser Leben ist kostbar, liebe Gemeinde, denn wir sind teuer erkauft. Der Preis, der für uns bezahlt wurde, kann uns nicht kalt lassen: “Ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.”

Ich höre und lese das und kann nur darauf antworten, wie Martin Luther es in Auslegung zum zweiten Glaubensartikel formuliert hat: “Ich glaube, dass Jesus Christus, wahrhaftiger Gott vom Vater in Ewigkeit geboren und auch wahrhaftiger Mensch von der Jungfrau Maria geboren, sei mein Herr, der mich verlornen und verdammten Menschen erlöset hat, erworben, gewonnen von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels; nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen, teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben; damit ich sein eigen sei und in seinem Reich unter ihm lebe und ihm diene in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit, gleichwie er ist auferstanden vom Tode, leben und regieret in Ewigkeit. Das ist gewisslich wahr.”

Nicht mit Gold oder Silber, sondern mit dem teuren Blut von Christus sind wir erkauft! Das heißt doch, dass wir Erlöste sind, freigekauft und nicht länger fremden Mächten und Herren ausgeliefert. Dass wir aufatmen dürfen, weil uns Schuld und Versagen nicht länger niederdrücken können.
Weil wir erlöst sind, darum ist der Grundton unseres Lebens die Freude. Die Botschaft des Engels auf dem Feld von Bethlehem hieß: „Siehe, ich verkündige euch große Freude“. Das Evangelium ist immer zuerst und immer wieder neu frohe Botschaft und kein niederdrückendes Gesetz.

Wir gehören Gott. Das ist unser Grund zur Freude. Und diese Freude wird auch nicht dadurch genommen, dass wir heilig sein sollen. Dass wir heilig sind, heißt eben nicht, wir bilden eine fromme Leistungsgesellschaft. Das ist ja genau die Spannung, die die Bibel immer wieder aufzeigt: Da ist einerseits ein Gott, der mir alles vergibt, der mich begnadigt und erlöst und dem es zugleich nicht egal ist, wie ich lebe. Er will, dass ich heilig lebe. Er will, dass ich lebe, wie er es will. Jesus hat dich erlöst, damit du überhaupt erst leben kannst, wie Gott sich das vorstellt. Nicht damit Gott zufrieden ist, sondern dass es Dir, deinen Mitmenschen und dieser Welt gut geht. Wir lassen uns hineinnehmen in den Raum seiner Heiligkeit, auch in diesem Gottesdienst, und dann spiegelt sich sein Heiligsein mit der Zeit unweigerlich in uns wider.

Noch einmal ein Zitat von Martin Luther dazu: “Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind´s noch nicht, wir werden´s aber. Es ist noch nicht getan oder geschehen, es ist aber im Gang und im Schwang. Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg. Es glüht und glänzt noch nicht alles, es reinigt sich aber alles.”
Wir leben immer schon aus dem Vergangenen, das Gott getan hat, und immer schon auf Zukünftiges hin, das Gott tun wird.
“Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.” Gott wirkt das an dir und mir, wir wären sonst jetzt nicht an diesem Ort. Schauen wir auf Christus, und falls die Zuversicht uns doch verlässt, schauen wir umso mehr auf Ihn!

Ich schließe mit zwei Versen aus einem Passionslied von Justus Gesenius, das in unserem Gesangbuch unter der Nummer 82 steht:
“Wenn meine Sünd mich kränken, o mein Herr Jesu Christ, so lass mich wohl bedenken, wie du gestorben bist und alle meine Schuldenlast am Stamm des heilgen Kreuzes auf dich genommen hast.

Drum sag ich dir von Herzen jetzt und mein Leben lang für deine Pein und Schmerzen, o Jesu, Lob und Dank, für deine Not und Angstgeschrei, für dein unschuldig Sterben, für deine Lieb und Treu.”
Amen.

Verfasser: Pfr. Friedemann Wenzke, Dr. Martin Luther Str. 18, 95445 Bayreuth, Tel: 0921/41168