Predigt: Matthäus. 4, 1-11, 11.02.2024, Kreuzkirche Bayreuth

Liebe Gemeinde,

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde.

2 Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.
3 Und der Versucher trat herzu und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.
4 Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3): "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht."
5 Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels
6 und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11-12): "Er wird seinen Engeln für dich Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt."
7 Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5.Mose 6,16): "Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen."
8 Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit
9 und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.
10 Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5.Mose 6,13): "Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen."
11 Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da atraten Engel herzu und dienten ihm.

Wie haben wir gerade in dem Lied gesungen: Für Gottes Wort nehm ich mir Zeit, Minuten für die Ewigkeit. Wer Gottes Wort hört und tut, ist klug und baut sein Leben gut.
Die Zeit in der Wüste war für Jesus eine Vorbereitung für seinen kommenden Weg. Es ist auch für uns gut, wenn wir immer wieder in die Stille gehen. Nur wer sich zurückzieht, kann nach vorne Kraft entfalten.
Jesus bleibt in der Wüste 40 Tage und 40 Nächte. Eine vollkommene, abgegrenzte Zeit. Wir kennen die Zahl aus anderen biblischen Zusammenhängen: 40 Tage und Nächte steigen die Wasser der Sintflut. 40 Jahre lang isst Israel Manna in der Wüste. 40 Tage ist Jesus in der Wüste. Die Wüste ist ein Ort, an dem nichts ablenkt. Gott mag einem da begegnen, wie Mose. Aber auch der Versucher: Der Teufel.
Und so tritt der Teufel zu Jesus und gibt ihm einen Rat. Er sagt: „Du hast Hunger. Du bist doch Gottes Sohn. Das wurde dir doch eben bei der Taufe bestätigt! Also: Ein Sohn Gottes kann doch alles. Sprich und sage, dass aus diesen Steinen Brot werde!“ (großen Stein und Brot zeigen).
Die erste Versuchung geht ums Brot. Brot bedeutet mehr als das Bäckerbrot. Brot, das bedeutet Leiblichkeit. Und eines der wichtigsten Bedürfnisse zeigt der Leib im Hunger: er braucht Nahrung. Wer Hunger hat, wird anfälliger für Verführungen.
Und der Teufel sagt in die Hungersituation hinein: Selbst ist der Mann. Setz deine Gaben für dich selber ein. Jesus, warte nicht, bis Gott dir hilft. Mache aus Steinen Brot.

Liebe Gemeinde! Wir kennen alle diese Wüstenzeiten. Zeiten, die uns zermürben und in der die Kräfte schwinden. Wo wir Hunger haben an Leib und Seele. Und der Versucher tritt heran und schmeichelt sich bei uns ein: „Selbst ist der Mann. Selbst ist die Frau. Warte nicht, bis Gott dir hilft. Er hilft ja doch nicht. Komm: Mach aus Steinen Brot.“ Hilf dir selbst, so hilft dir Gott.
Jesus aber hält dem Teufel entgegen: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.“
Es ist wichtig, diese Antwort nicht falsch zu verstehen. Jesus sagt nicht: „Der Mensch braucht überhaupt kein Brot.“ Er sagt auch nicht: „Als Sohn Gottes leide ich überhaupt keinen Hunger. Ich könnte problemlos nochmals 40 Tage fasten.“
Er sagt schon gar nicht: „Das Irdische, das Materielle interessiert mich nicht. Darüber bin ich erhaben.“
Nein, so gerade nicht. Jesus, der Sohn Gottes, ist auch Mensch geworden wie wir! Er hatte Hunger und Durst. Wie wir! Er weiß um die natürlichen Bedürfnisse des Menschen und nimmt sie ernst. Aber das ist eben nicht alles. Jesus sagt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jedem Wort, das aus Gottes Mund geht.“
Jesus weiß um ein Geheimnis menschlichen Lebens: Am Brot allein stirbt der Mensch. Wer fürs Brot allein lebt, geht daran zugrunde. Das Materielle allein macht nicht satt.
Es gibt Kinder, die das teuerste Spielzeug haben. Denen alle erdenklichen Freizeitvergnügen geboten werden. Und doch sind sie allein. Unglücklich. Nicht geborgen.
In der Altenpflege hat es in den letzten Jahren vielerorts ein Umdenken gegeben. Es geht nicht nur darum, sauber und satt zu sein. Das allein reicht längst nicht aus. Zuwendung. Berührung. Ansprache, Beschäftigung, geistliche Begleitung- das sind Themen, die heute vorangebracht werden. Ein freundliches Lächeln. Die Menschen brauchen Nahrung für die Seele. 
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. So sagt Jesus.
Es spielt sich so vieles als lebenswichtiges Brot auf: Arbeit ist ganz wichtig auch für den eigenen Selbstwert. Aber noch wichtiger ist zu wissen: Ich bin Jesus unendlich viel wert. Unabhängig von meiner Arbeitsstelle.
Die Versetzung in der Schule ist ganz wichtig. Gesundheit ist ganz wichtig. Erfolg ist ganz wichtig. Aber noch wichtiger ist Jesus. Das Vertrauen auf ihn. Sein Wort. Seine Nähe. Seine Liebe. Seine Vergebung.
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Dieser Jesussatz, dem Teufel entgegengehalten reicht zunächst. Und so gibt sich der Versucher zunächst geschlagen. Die Steine dürfen Steine bleiben. Jesus wird kein Brotkönig werden. Leben bedeutet nicht nur, dass man satt wird.

Aber dann ist der Teufel wieder zur Stelle. Es kommt die zweite Versuchung: Jesus soll als Held gefeiert werden. Der Teufel nimmt Jesus mit auf die Zinne des Tempels. Auf der einen Seite geht es auf den Tempelplatz hinunter. Dort sind viele Menschen. Auf der anderen Seite geht es 40 Meter ins Kidrontal hinunter. „Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen.“
Jetzt geht es um Anerkennung. „Jesus, wenn du hier hinunter springst - und dank deiner Schutzengel überlebst: Dann bist du doch der gefeierte Mann. Dann bist du mit einem Schlag der Held der Nation. Und, außerdem: Dann machst du es doch allen viel leichter, an dich zu glauben. Ein sichtbarer Erweis deiner Macht. Deines Glaubens. Deiner Stärke. Damit ist doch allen geholfen.“
Ansehen und Anerkennung ist nicht verwerflich. Wir alle brauchen das: Würde und Ansehen. Dass wir als Menschen geachtet und als Personen anerkannt werden. Aber nicht um jeden Preis. Dieses Mal benutzt der Teufel sogar ein Bibelwort, um Jesus zu verführen. Der Teufel kennt sich in der Bibel bestens aus. Aber er reißt dieses Wort aus dem Zusammenhang. Das ist immer gefährlich. Und schon gar nicht darf ich Gottes Wort nutzen, um selbst groß raus zu kommen oder mich mutwillig in Gefahr zu begeben. Ich darf Gottes Liebe und Schutz nicht einfordern oder ihn
zum Handeln zwingen. Sonst wird Glaube zum Geschäft, etwa in dem Sinn: „Ich glaube. Ich bin fromm. Ich lese die Bibel. Und du, Gott, sorgst für meinen Schutz. Du bewahrst mich vor Unglück. Du machst mich gesund. Du gibst mir, was ich wünsche.“ Dieses Tauschgeschäft begegnet mir als Pfarrer manchmal in Gesprächen. Aber so einfach geht es nicht. Wir haben mit Gott nicht zu verhandeln. Gott ist souverän mit seinem Eingreifen. Wir können ihm nicht vorschreiben, wann und wo er hilft, beschützt und tröstet. Und wir dürfen ihn schon gar nicht herausfordern. Jesus kontert dem Teufel: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“
Dieses Bibelwort steht wenige Zeilen nach dem israelischen Glaubensbekenntnis: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieb haben, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“
Glaube ist kein Geschäft, nicht: eine Hand wäscht die andere. Glaube ist Beziehung, Vertrauen. Glaube ist einerseits Vertrauen auf Jesu Verheißungen und Versprechen. Und gleichzeitig das Nachsprechen und Nachbeten Jesu Worte aus dem Garten Gethsemane: „Vater, nicht wie ich will. Sondern wie du willst.“
Glaube ist auch nicht zuerst Glaube an die Wunder Jesu: Er gebietet Sturm und Wasserwogen. Er vermehrt das Brot und macht Kranke gesund. Ganz klar. Aber das ist längst nicht alles. Sondern Glaube ist das Vertrauen auf den Gekreuzigten und Auferstandenen. Der für uns stirbt. Und für uns lebt. Wir sind jetzt am Anfang der Passionszeit. Wenn wir uns das jetzt nicht klarmachen, wann dann?

Schauen wir uns noch die dritte Versuchung an. Hier geht es um fast grenzenlose Macht.
Hier zeigt der Teufel sein wahres Gesicht. Er redet Jesus nicht mehr als den Sohn Gottes an. Ganz unverhohlen fordert er: „Bete mich an!“
Was für eine Versuchung für Jesus! Er kann alle Macht, alle Herrlichkeit haben, ohne den Weg ins Leiden zu gehen. Der Satan geht aufs Ganze: „Jesus, fall vor mir nieder! Das ist doch die Chance. Alle Macht, alle Herrlichkeit der ganzen Welt gehört dir. Du bist angesehen. Du bist geachtet! Am Kreuz bist du verflucht. Da wirst du verspottet und ausgelacht. Das ist der Weg des Scheiterns! Bei mir bist du auf der Seite des Sieges. Auf, Jesus, knie nieder! Bete mich an.“
Aber Jesus widersteht. Er sieht dich. Er sieht mich! Er sieht, wie wir an die Macht des Bösen versklavt sind. Das Gute wollen wir, aber wie oft tun wir das Schlechte. Das Böse! Jesus sieht uns beladen mit Sünde und Schuld. Er sieht in unser Innerstes, in unsere Herzen und sieht die Dunkelheit, die uns umgibt. Jesus sieht diese verlorene Menschheit und sagt: „Pack dich, Teufel! Nur eines gilt auf dieser Erde: Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.“
Es geht um den Namen Gottes. Um sein Reich. Und um seinen Willen. Es geht darum, dass Gott zum Zuge kommt. Das ist der Wille des Vaters, dass der Sohn gehorsam ist und nicht den Weg der Macht geht, sondern den Weg ans Kreuz!
Wenige Jahre später auf Golgatha: Da wird Jesus noch einmal versucht. Genau mit denselben Worten des Teufels. Gaffend und johlend steht die Menge unter dem Kreuz. Auch die Hohepriester und Schriftgelehrten, die Obersten des Volkes sind gekommen. Sie versuchen Jesus und rufen laut aus: „Steig doch herab vom Kreuz, wenn du der König Israels bist, dann glauben wir! Du hast doch gesagt, dass du der Sohn Gottes bist!“ Der Teufel mag das Kreuz nicht. Er will alles tun, damit nur das nicht geschieht: Dass Jesus für uns stirbt. Und dass Menschen an den gekreuzigten auf auferstandenen Jesus glauben und sich vergeben lassen. Doch Jesus bleibt treu. Die Geschichte im Matthäusevangelium endet damit, dass der Teufel geht und die Engel Gottes kommen und Jesus dienen. „Da öffnete sich der Himmel, und die Engel dienten ihm.“

Liebe Gemeinde! Jesus wurde für uns versucht, damit wir das Heil bekommen. Und was ist mit unseren Versuchungen? Wir brauchen uns nicht zu wundern! Versuchungen gibt es. Auch bei uns. Jesus will, dass wir ihm nachfolgen und da gehören Versuchungen dazu. Es geht jedes Mal um die Frage: bleibe ich meinem Gott treu? Oder versuche ich, meinen Weg ohne ihn zu gehen? Die Frage ist letztlich bei Jesus und uns die gleiche. Der Teufel will immer versuchen, einen Keil zwischen uns und Gott zu treiben. Jesus will aber, dass wir in seiner Spur bleiben. Wem folgen wir nach? Jesus hat sich auf die Seite Gottes gestellt. Er ist seinem Vater treu geblieben. Und eröffnet uns damit den Mund und das Herz zum Lob Gottes. Unvorstellbar, wenn er sich anders entschieden hätte. Aber Jesus hat sich für den Leidensweg entschieden, damit wir leben. Er stirbt und wir dürfen leben. Darüber kann man nur staunen. Und von Herzen einstimmen in den Lobgesang: Ich danke meinem Gott. Amen.

Verfasser: Pfarrer Friedemann Wenzke, Dr. Martin Luther Str. 18, 95445 Bayreuth, Tel. 0921 41168/ E-Mail: friedemann.wenzke@elkb.de