Liebe Gemeinde,
Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde.
2
Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte
ihn.
3
Und der Versucher trat herzu und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn,
so sprich, dass diese Steine Brot werden.
4
Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3):
"Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden
Wort, das aus dem Mund Gottes geht."
5
Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte
ihn auf die Zinne des Tempels
6
und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es
steht geschrieben (Psalm 91,11-12): "Er wird seinen Engeln für
dich Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit
du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt."
7
Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5.Mose
6,16): "Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen."
8
Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg
und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit
9
und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst
und mich anbetest.
10
Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben
(5.Mose 6,13): "Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und
ihm allein dienen."
11
Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da atraten Engel herzu und
dienten ihm.
Wie
haben wir gerade in dem Lied gesungen: Für
Gottes Wort nehm ich mir Zeit, Minuten für die Ewigkeit. Wer Gottes
Wort hört und tut, ist klug und baut sein Leben gut.
Die
Zeit in der Wüste war für Jesus eine Vorbereitung für seinen
kommenden Weg. Es ist auch für uns gut, wenn wir immer wieder in die
Stille gehen. Nur wer sich zurückzieht, kann nach vorne Kraft
entfalten.
Jesus
bleibt in der Wüste 40 Tage und 40 Nächte. Eine vollkommene,
abgegrenzte Zeit. Wir kennen die Zahl aus anderen biblischen
Zusammenhängen: 40 Tage und Nächte steigen die Wasser der Sintflut.
40 Jahre lang isst Israel Manna in der Wüste. 40 Tage ist Jesus in
der Wüste. Die Wüste ist ein Ort, an dem nichts ablenkt. Gott mag
einem da begegnen, wie Mose. Aber auch der Versucher: Der Teufel.
Und
so tritt der Teufel zu Jesus und gibt ihm einen Rat. Er sagt: „Du
hast Hunger. Du bist doch Gottes Sohn. Das wurde dir doch eben bei
der Taufe bestätigt! Also: Ein Sohn Gottes kann doch alles. Sprich
und sage, dass aus diesen Steinen Brot werde!“ (großen
Stein und Brot zeigen).
Die
erste Versuchung geht ums Brot. Brot bedeutet mehr als das
Bäckerbrot. Brot, das bedeutet Leiblichkeit. Und eines der
wichtigsten Bedürfnisse zeigt der Leib im Hunger: er braucht
Nahrung. Wer Hunger hat, wird anfälliger für Verführungen.
Und
der Teufel sagt in die Hungersituation hinein: Selbst ist der Mann.
Setz deine Gaben für dich selber ein. Jesus, warte nicht, bis Gott
dir hilft. Mache aus Steinen Brot.
Liebe
Gemeinde! Wir kennen alle diese Wüstenzeiten. Zeiten, die uns
zermürben und in der die Kräfte schwinden. Wo wir Hunger haben an
Leib und Seele. Und der Versucher tritt heran und schmeichelt sich
bei uns ein: „Selbst ist der Mann. Selbst ist die Frau. Warte
nicht, bis Gott dir hilft. Er hilft ja doch nicht. Komm: Mach aus
Steinen Brot.“ Hilf dir selbst, so hilft dir Gott.
Jesus
aber hält dem Teufel entgegen: „Der
Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das
aus dem Mund Gottes geht.“
Es
ist wichtig, diese Antwort nicht falsch zu verstehen. Jesus sagt
nicht: „Der Mensch braucht überhaupt kein Brot.“ Er sagt auch
nicht: „Als Sohn Gottes leide ich überhaupt keinen Hunger. Ich
könnte problemlos nochmals 40 Tage fasten.“
Er
sagt schon gar nicht: „Das Irdische, das Materielle interessiert
mich nicht. Darüber bin ich erhaben.“
Nein,
so gerade nicht. Jesus, der Sohn Gottes, ist auch Mensch geworden wie
wir! Er hatte Hunger und Durst. Wie wir! Er weiß um die natürlichen
Bedürfnisse des Menschen und nimmt sie ernst. Aber das ist eben
nicht alles. Jesus sagt: „Der
Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jedem Wort, das
aus Gottes Mund geht.“
Jesus
weiß um ein Geheimnis menschlichen Lebens: Am Brot allein stirbt der
Mensch. Wer fürs Brot allein lebt, geht daran zugrunde. Das
Materielle allein macht nicht satt.
Es
gibt Kinder, die das teuerste Spielzeug haben. Denen alle
erdenklichen Freizeitvergnügen geboten werden. Und doch sind sie
allein. Unglücklich. Nicht geborgen.
In
der Altenpflege hat es in den letzten Jahren vielerorts ein Umdenken
gegeben. Es geht nicht nur darum, sauber und satt zu sein. Das allein
reicht längst nicht aus. Zuwendung. Berührung. Ansprache,
Beschäftigung, geistliche Begleitung- das sind Themen, die heute
vorangebracht werden. Ein freundliches Lächeln. Die Menschen
brauchen Nahrung für die Seele.
Der
Mensch lebt nicht vom Brot allein. So sagt Jesus.
Es
spielt sich so vieles als lebenswichtiges Brot auf: Arbeit ist ganz
wichtig auch für den eigenen Selbstwert. Aber noch wichtiger ist zu
wissen: Ich bin Jesus unendlich viel wert. Unabhängig von meiner
Arbeitsstelle.
Die
Versetzung in der Schule ist ganz wichtig. Gesundheit ist ganz
wichtig. Erfolg ist ganz wichtig. Aber noch wichtiger ist Jesus. Das
Vertrauen auf ihn. Sein Wort. Seine Nähe. Seine Liebe. Seine
Vergebung.
Der
Mensch lebt nicht vom Brot allein. Dieser Jesussatz, dem Teufel
entgegengehalten reicht zunächst. Und so gibt sich der Versucher
zunächst geschlagen. Die Steine dürfen Steine bleiben. Jesus wird
kein Brotkönig werden. Leben bedeutet nicht nur, dass man satt wird.
Aber
dann ist der Teufel wieder zur Stelle. Es kommt die zweite
Versuchung: Jesus soll als Held gefeiert werden. Der Teufel nimmt
Jesus mit auf die Zinne des Tempels. Auf der einen Seite geht es auf
den Tempelplatz hinunter. Dort sind viele Menschen. Auf der anderen
Seite geht es 40 Meter ins Kidrontal hinunter.
„Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht
geschrieben: Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie
werden dich auf den Händen tragen.“
Jetzt geht es um Anerkennung. „Jesus,
wenn du hier hinunter springst - und dank deiner Schutzengel
überlebst: Dann bist du doch der gefeierte Mann. Dann bist du mit
einem Schlag der Held der Nation. Und, außerdem: Dann machst du es
doch allen viel leichter, an dich zu glauben. Ein sichtbarer Erweis
deiner Macht. Deines Glaubens. Deiner Stärke. Damit ist doch allen
geholfen.“
Ansehen
und Anerkennung ist nicht verwerflich. Wir alle brauchen das: Würde
und Ansehen. Dass wir als Menschen geachtet und als Personen
anerkannt werden. Aber nicht um jeden Preis. Dieses Mal benutzt der
Teufel sogar ein Bibelwort, um Jesus zu verführen. Der Teufel kennt
sich in der Bibel bestens aus. Aber er reißt dieses Wort aus dem
Zusammenhang. Das ist immer gefährlich. Und schon gar nicht darf ich
Gottes Wort nutzen, um selbst groß raus zu kommen oder mich
mutwillig in Gefahr zu begeben. Ich darf Gottes Liebe und Schutz
nicht einfordern oder ihn
zum
Handeln zwingen. Sonst wird Glaube zum Geschäft, etwa in dem Sinn:
„Ich glaube. Ich bin fromm. Ich lese die Bibel. Und du, Gott,
sorgst für meinen Schutz. Du bewahrst mich vor Unglück. Du machst
mich gesund. Du gibst mir, was ich wünsche.“ Dieses Tauschgeschäft
begegnet mir als Pfarrer manchmal in Gesprächen. Aber so einfach
geht es nicht. Wir haben mit Gott nicht zu verhandeln. Gott ist
souverän mit seinem Eingreifen. Wir können ihm nicht vorschreiben,
wann und wo er hilft, beschützt und tröstet. Und wir dürfen ihn
schon gar nicht herausfordern. Jesus kontert dem Teufel: „Du sollst
den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“
Dieses
Bibelwort steht wenige Zeilen nach dem israelischen
Glaubensbekenntnis: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieb haben,
von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“
Glaube
ist kein Geschäft, nicht: eine Hand wäscht die andere. Glaube ist
Beziehung, Vertrauen. Glaube ist einerseits Vertrauen auf Jesu
Verheißungen und Versprechen. Und gleichzeitig das Nachsprechen und
Nachbeten Jesu Worte aus dem Garten Gethsemane: „Vater, nicht wie
ich will. Sondern wie du willst.“
Glaube
ist auch nicht zuerst Glaube an die Wunder Jesu: Er gebietet Sturm
und Wasserwogen. Er vermehrt das Brot und macht Kranke gesund. Ganz
klar. Aber das ist längst nicht alles. Sondern Glaube ist das
Vertrauen auf den Gekreuzigten und Auferstandenen. Der für uns
stirbt. Und für uns lebt. Wir sind jetzt am Anfang der Passionszeit.
Wenn wir uns das jetzt nicht klarmachen, wann dann?
Schauen
wir uns noch die dritte
Versuchung an. Hier geht es um fast grenzenlose Macht.
Hier
zeigt der Teufel sein wahres Gesicht. Er redet Jesus nicht mehr als
den Sohn Gottes an. Ganz unverhohlen fordert er: „Bete mich an!“
Was
für eine Versuchung für Jesus! Er kann alle Macht, alle
Herrlichkeit haben, ohne den Weg ins Leiden zu gehen. Der Satan geht
aufs Ganze: „Jesus, fall vor mir nieder! Das ist doch die Chance.
Alle Macht, alle Herrlichkeit der ganzen Welt gehört dir. Du bist
angesehen. Du bist geachtet! Am Kreuz bist du verflucht. Da wirst du
verspottet und ausgelacht. Das ist der Weg des Scheiterns! Bei mir
bist du auf der Seite des Sieges. Auf, Jesus, knie nieder! Bete mich
an.“
Aber
Jesus widersteht. Er sieht dich. Er sieht mich! Er sieht, wie wir an
die Macht des Bösen versklavt sind. Das Gute wollen wir, aber wie
oft tun wir das Schlechte. Das Böse! Jesus sieht uns beladen mit
Sünde und Schuld. Er sieht in unser Innerstes, in unsere Herzen und
sieht die Dunkelheit, die uns umgibt. Jesus sieht diese verlorene
Menschheit und sagt: „Pack dich, Teufel! Nur eines gilt auf dieser
Erde: Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein
dienen.“
Es
geht um den Namen Gottes. Um sein Reich. Und um seinen Willen. Es
geht darum, dass Gott zum Zuge kommt. Das ist der Wille des Vaters,
dass der Sohn gehorsam ist und nicht den Weg der Macht geht, sondern
den Weg ans Kreuz!
Wenige
Jahre später auf Golgatha: Da wird Jesus noch einmal versucht. Genau
mit denselben Worten des Teufels. Gaffend und johlend steht die Menge
unter dem Kreuz. Auch die Hohepriester und Schriftgelehrten, die
Obersten des Volkes sind gekommen. Sie versuchen Jesus und rufen laut
aus: „Steig doch herab vom Kreuz, wenn du der König Israels bist,
dann glauben wir! Du hast doch gesagt, dass du der Sohn Gottes bist!“
Der Teufel mag das Kreuz nicht. Er will alles tun, damit nur das
nicht geschieht: Dass Jesus für uns stirbt. Und dass Menschen an den
gekreuzigten auf auferstandenen Jesus glauben und sich vergeben
lassen. Doch Jesus bleibt treu. Die Geschichte im Matthäusevangelium
endet damit, dass der Teufel geht und die Engel Gottes kommen und
Jesus dienen. „Da öffnete sich der Himmel, und die Engel dienten
ihm.“
Liebe
Gemeinde! Jesus wurde für uns versucht, damit wir das Heil bekommen.
Und was ist mit unseren Versuchungen? Wir brauchen uns nicht zu
wundern! Versuchungen gibt es. Auch bei uns. Jesus will, dass wir ihm
nachfolgen und da gehören Versuchungen dazu. Es geht jedes Mal um
die Frage: bleibe ich meinem Gott treu? Oder versuche ich, meinen Weg
ohne ihn zu gehen? Die Frage ist letztlich bei Jesus und uns die
gleiche. Der Teufel will immer versuchen, einen Keil zwischen uns und
Gott zu treiben. Jesus will aber, dass wir in seiner Spur bleiben.
Wem folgen wir nach? Jesus hat sich auf die Seite Gottes gestellt. Er
ist seinem Vater treu geblieben. Und eröffnet uns damit den Mund und
das Herz zum Lob Gottes. Unvorstellbar, wenn er sich anders
entschieden hätte. Aber Jesus hat sich für den Leidensweg
entschieden, damit wir leben. Er stirbt und wir dürfen leben.
Darüber kann man nur staunen. Und von Herzen einstimmen in den
Lobgesang: Ich danke meinem Gott. Amen.
Verfasser: Pfarrer Friedemann Wenzke, Dr. Martin Luther Str. 18, 95445 Bayreuth, Tel. 0921 41168/ E-Mail: friedemann.wenzke@elkb.de