Predigt am 28.01.2024 in der Kreuzkirche Bayreuth: 2.Kor.4, 6-10

Liebe Gemeinde, habt ihr einen Schatz? So einen richtigen Schatz? Na klar, wer verheiratet ist, hat auf jeden Fall einen Schatz oder? Mein Schätzchen oder mein Schatz, so sagen wir in einer liebevollen Ehe zueinander. Aber vielleicht haben Sie auch einen anderen Schatz. Ganz am Beginn meiner Dienstzeit vor über 20 Jahren habe ich auf der rauhen Schwäbische Alb so eine richtig alte Schwäbin beerdigt. Sie lebte nach dem alten, aber wahren schwäbischen Grundsatz: „was ich ausgeb, habe ich nicht mehr!“ Also hat sie lieber nicht viel ausgegeben. Sie lebte allein. Nach ihrem Tod fanden ihre Angehörigen in der Garage über 40000 Euro Bargeld. Ja, wenn manche das vorher gewusst hätten…. Wer von einem Schatz hört, wird neugierig.
Wer einen Schatz entdeckt, ist »aus dem Häuschen«. Wer einen Schatz besitzt, ist – wie auch immer – reich!
Von einem einzigartigen Schatz redet der Briefschreiber Paulus. Er ist überzeugt, dass nicht nur er, sondern auch seine Briefempfänger in Korinth, ja alle Christen diesen Schatz haben.
Freilich: Paulus denkt dabei nicht an den großen Lottogewinn. Er denkt auch nicht an einen geliebten Menschen. Er redet von einem anderen Schatz.
Wer den Schatz hat, von dem Paulus erzählt, der kann in den Widrigkeiten dieser Welt und seines Lebens anders bestehen. Es ist eben nicht ein Schatz unter vielen – vergleichbar oder austauschbar. Es ist dieser eine Schatz mit dem das Leben eines Menschen völlig anders wird. Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft stehen in einem anderen Licht. Im Gegensatz zu den Goldschätzen dieser Welt, die wir gerne geheim und für uns behalten, sollen – so Paulus – alle wissen, worin dieser Schatz besteht, wie er verpackt ist, und vor allem, woher er ihn hat.

Aber – hören wir selbst. Ich lese den Schatz- Predigttext für heute: 2.Kor. 4,6-10: Gott, der da sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. 7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, auf dass die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. 8 Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. 9 Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. 10 Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, auf dass auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.

Schauen wir heute in vier Schritten auf diesen Predigttext:

  1. Was für ein Schatz!
  2. Wir sind Schatzbesitzer!
  3. Den Schatz kann uns nichts und niemand nehmen!
  4. Der Schatz ist zum Weitergeben da

1. Was für ein Schatz!

»Wir haben diesen Schatz …« Was für eine steile Behauptung! Wir haben ihn schon. Wir werden ihn nicht erst bekommen. Diesen Schatz: gemeint ist Jesus Christus selbst und sein Wort. Wir haben ihn schon. Wir haben gerade Weihnachten gefeiert. Der Erlöser ist geboren. Das Evangelium ist da! Aber wie kommt es daher? Paulus spricht von einem irdenen Gefäß. Er verwendet das Bild vom zerbrechlichen Ton. Damit beschreibt er die miserable Aufmachung, worin dieser Schatz »eingewickelt« ist. Dazu können gehören: schlechtes Image, Schwächen, Unzulänglichkeiten, Fehler, Runzeln u.v.m. Mit solchen und anderen Macken kommt die Kirche, kommen Paulus und viele Botschafter Jesu anscheinend daher. Sie machen nicht viel her – so könnte man sagen. Das Bodenpersonal Gottes- ja das sind nach außen gesehen nicht immer die besten Werbeträger. Ja noch viel schlimmer: spätestens nach der Vorstellung der Missbrauchsstudie der EKD wissen wir: die ev. Kirche hat viel Grund sich schuldig zu geben. Da gibt es nichts zu verteidigen oder schön zu reden. Da gibt es nichts zu vergleichen. Da gibt es nur eines und das gilt für jeden in der Kirche, am meisten aber wohl für uns PfarrerInnen und Pfarrer: neu Demut lernen. Und sich um und um schuldig geben und um Vergebung bitten bei Gott und Menschen. Der Schatz in irdenen Gefäßen. Ja manchmal sind die Gefäße fast schon zerbrochen. Gerade auch beim Bodenpersonal Gottes. Heute wie damals.

Vielleicht kennen Sie jene Anekdote von einer Gemeinde, die einen neuen Pfarrer suchte. Der Kirchenvorstand war sehr kritisch und hatte schon eine Reihe von Bewerbern abgelehnt: der eine predigte nicht gut genug, der andere besaß nicht die rechte Würde, der dritte hatte eine zu eigenwillige Theologie ... Der Vorsitzende war verzweifelt. Und in einer Sitzung, als gerade wieder über einen Kandidaten der Stab gebrochen worden war, sagte er: »Tja, nun habe ich hier nur noch eine Bewerbung. Aber sie klingt nicht sehr Vertrauen erweckend. Der Mann schreibt: Leider sei er nicht ganz gesund und seine Krankheit habe ihm in der Gemeindearbeit schon manchmal ernstlich zu schaffen gemacht. Und auch sonst, müsse er gestehen, sei er nicht gerade das Ideal eines Pfarrers. Er habe zwar eine ausgedehnte Erfahrung, aber er habe es nie sehr lange in seinen Gemeinden ausgehalten, nur ein einziges Mal seien es immerhin drei Jahre gewesen. Auch habe er öfter ernstlichen Streit mit Amtsbrüdern und bestimmten kirchenpolitischen Gruppen in der Gemeinde bekommen. Organisation sei nicht seine starke Seite und er stehe in dem Ruf, gelegentlich sogar zu vergessen, wen er getauft habe.

Andererseits habe er Anlass zu glauben, dass er ein recht guter Theologe sei, und er fühle eine Berufung zur Verkündigung des Evangeliums. Und wenn die Gemeinde es mit ihm versuchen wolle, dann wolle er ihr dienen, so gut er könne.

Der Kirchenvorstand war empört. Wie konnte es ein so kränklicher, offenkundig streitsüchtiger und gedächtnisschwacher Mann wagen, sich ernstlich zu bewerben! Die Abstimmung ergab, dass man ihn erst gar nicht zur Probepredigt einladen wolle. – Der Vorsitzende seufzte und schloss die Akten. »Ich habe mir das schon gedacht«, sagte er. »Aber Sie sollen doch wenigstens den Namen dieses beklagenswerten Mannes wissen. Es ist nämlich der Apostel Paulus.«

In der Tat erging es dem Apostel Paulus damals in Korinth nicht viel anders, als in dieser Anekdote. In der von ihm gegründeten Gemeinde waren Mitarbeiter aufgetaucht, die ihm jegliche apostolische Autorität absprachen. Sie meinten: So eine schwächliche Figur wie Paulus könne ja wohl kaum ein glaubwürdiger Zeuge des Evangeliums sein. Paulus würden die Gaben und Zeichen eines Apostels fehlen. In seinen Briefen spucke er große Töne, aber wenn man ihn »live« erlebe, sei er schwach und seine Rede kläglich. Er habe keine Vollmacht und Christus sei nicht in ihm. Diese und eine ganze Reihe anderer Vorwürfe machten ihm seine Gegner in Korinth. Sie müssen den Apostel sehr verletzt haben. Man spürt es, wenn man den 2. Korintherbrief liest. Gegen einige Anschuldigungen setzt Paulus sich zur Wehr, andere wiederum lässt er stehen. Da bekennt er sich zu seinen Schwächen und versucht sie erst gar nicht zu verbergen. Das begegnet uns selten, dass jemand zu seinen Defiziten steht. Aber was für eine Wohltat wäre es, wenn es heute mehr solcher Menschen gäbe, die zu ihren Schwächen stehen, statt anderen ständig etwas vorzumachen oder gar die Falschen für die eigenen Fehler verantwortlich zu machen. Paulus konnte dies, weil er erkannt hat, dass Gottes Kraft in den Schwachen mächtig ist. Paulus hat erkannt, dass Gott irdene Gefäße wie uns unvollkommene Menschen dazu benützt, um ihnen den Schatz des Evangeliums anzuvertrauen und es so aller Welt zu bezeugen. Paulus schreibt in unseren Versen: Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. Die eher zerbrechliche Hülle, oder das fragile Wesen sind auch uns nicht fremd. Wie oft sind wir – ähnlich wie Paulus es beschreibt – zerbrechlich, angefochten, von Sorgen und Nöten getrieben. Ängstlich und zweifelnd fragend und zagend, verschämt und versteckt. Mit solchen Typen, in solcher Verpackung, kommt Gottes Botschaft – sein Schatz – durch uns zur Welt.

Genau dadurch, so argumentiert Paulus, wird eben dieser Schatz so wichtig, weil diese Kostbarkeit in scheinbar bedeutungsloser, zerbrechlicher Hülle, in gewöhnlicher oft banaler und nebensächlicher Form transportiert wird. Genau darum können sich die Empfänger dieser Botschaft, dieses kostbaren Schatzes, voll und ganz auf den Inhalt, das Wesentliche konzentrieren. Dieser Schatz soll im Mittelpunkt stehen, nicht die Verpackung, nicht wir. Das ist übrigens auch der Sinn des Talars. Es soll nichts geben, was an unserer Person die Aufmerksamkeit auf sich zieht, darum verhüllen wir uns gewissermaßen. Es ist also verkehrt, wenn manche Pfarrer denken, der Talar macht sie irgendwie wichtiger und würdiger. Genau andersherum: wir treten zurück und die Botschaft wird wichtiger.

Mit dieser äußeren, zerbrechlichen Form, mit dem irdischen Gefäß, sind wir auch ganz an der Seite Jesu. Obwohl Jesus der Sohn Gottes ist, kam er nicht auf hohem Ross, sondern auf einem armseligen Esel und im harten Holz der Krippe von Bethlehem herein in diese Welt. Er war »der Allerverachtetste«.

Obwohl er für die Menschen das Heil brachte, wurde er heillos an den Rand gedrängt, aus der Stadt getrieben und schließlich aufs Kreuz gelegt. So kommt Gottes Sohn zu uns. Er selbst ist der Schatz! Und die Worte des Evangeliums. »In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis«, so sagt es Paulus den Kolossern. Gottes Wort richtet und tröstet, es ermutigt und nimmt an, es begleitet und sendet, es fordert und fördert. Was für ein Schatz!


2. Wir sind Schatzbesitzer

Wir sind Schatzbesitzer – freilich mit zerbrechlicher Verpackung, aber wir sind und bleiben Schatzbesitzer, weil Gott ihn uns gegeben hat.
Paulus weist darauf hin, dass Gott es ist, der es hell werden lässt in den Dunkelheiten dieser Welt. Ganz am Anfang der Erde, am Anfang des Lebens, ruft Gottes Wort in die Finsternis: Es werde Licht! Und es ward Licht. So kann man es auch persönlich erleben. Vom Licht Gottes erhellt, fällt der Christenverfolger Paulus vom hohen Ross und wird zum Christuszeugen für die Welt. Heute, am letzten Sonntag nach Epiphanias, leuchtet dieser helle Schein, zur Welt gekommen in der Nacht von Bethlehem, noch einmal neu auf. Er erinnert uns daran, dass unser Leben in einem neuen Horizont steht, erleuchtet vom Licht des Lebens. »Beglänzt von seinem Lichte hält uns kein Dunkel mehr, von Gottes Angesichte kam uns die Rettung her“ – so heißt es in einem Nachweihnachtslied. „Beglänzt von seinem Lichte hält uns kein Dunkel mehr“ nimm dir doch diesen Satz mit aus der Weihnachtszeit, die heute zu Ende geht. Dich hält kein Dunkel mehr auf deinem Lebens- und Glaubensweg. Weil Du von Gottes Licht bescheint, gewärmt, getröstet, umgeben bist, hält dich kein Dunkel mehr. Du bist ein Kind des Lichts und kein Schattengewächs.


3. Den Schatz kann uns nichts und niemand nehmen

Wir sind Schatzbesitzer und diesen Schatz kann und darf und niemand nehmen. Paulus schreibt: „denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ Diesen Schatz kann uns keine Tiefe des Lebens rauben. Paulus benennt Bedrohungen sehr drastisch mit folgenden Worten: wir sind bedrängt, verängstigt, verfolgt, unterdrückt, vom Tode bedroht. Solche Lebenserfahrungen in vielfachen und grässlichen Formen sind uns nicht fremd. Wir brauchen nur jeden Tag Nachrichten zu sehen, oder die Zeitung aufzuschlagen. Verfolgung: zu Tausenden stranden Menschen aus afrikanischen und asiatischen Ländern bei uns, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen. Teilweise auch, weil sie um ihres Glaubens willen verfolgt werden und um ihr Leben fürchten. Von Ängsten und Sorgen umgetrieben ist unser Leben bei schwierigen Lebenssituationen oder zerbrechenden Beziehungen. So manches Mal sind wir, wie Paulus, am Rande des Todes. Etwa wenn der Krebs im Nachbarhaus oder in der eigenen Familie Einzug gehalten hat, oder wenn ein tödlicher Autounfall oder eine Herzattacke einen lieben Menschen aus unserer Mitte gerissen hat. Wer so angeschlagen, so angefochten, so vom Tode bedroht ist, wer so am Ende ist, kann der noch Hoffnung haben?

Wer erfüllt ist von diesem Schatz – Christus –, wer erhellt ist vom Licht Gottes, wird durch diese Kraft schon mal am Boden liegen, aber nicht immer am Boden liegen bleiben, weil Christus auferstanden ist. Wer von dem Schatz Christus erfüllt ist, der wird mit der Kraft des Auferstandenen auch in den Tiefen des Lebens bestehen. Es ist ein Kampf ohne Frage. Aber ein Kampf, wo der Sieg schon vollbracht ist. Es wird darauf ankommen, dass wir den hellen Schein Gottes in unser Leben hereinlassen, so dass es durchscheinend wird wie bei farbigen Kirchenfenstern. Sie erzählen nur dann ihre bunte Geschichte, wenn das Licht durch sie hindurch leuchtet. Die Lichtstrahlen Gottes beleuchten und erhellen unser buntes Leben und zeigen den Schatz, von dem wir leben. Auch in aller Gebrochenheit und in allem Stammeln werden wir so zu Wegweisern des Lebens und zu Sendboten Christi.


4. Der Schatz ist zum Weitergeben da

Als Schatzbesitzer und Lichtempfänger sind wir Christen Wegweiser zum Leben. Wir leben aus der Fülle der Kraft Gottes. Damit können wir hingehen zu den Menschen. Besonders zu denen, die im Dunkeln sind. Zu denen, die an sich und der Welt verzweifeln. Zu denen, die hoffnungslos sind und ihr Leben wegwerfen möchten. Zu denen, die alles zurücklassen mussten und auf der Flucht bei uns gestrandet sind. Auch Menschen in unserer digitalvernetzten Welt voller Technik sehnen sich nach solchen Menschen, die etwas zu bieten haben was mehr ist als Anonymität und schnelle Nachrichten, die genau so schnell, wie sie kommen auch wieder verschwinden. Als Schatzbesitzer sind wir eingeladen, die Botschaft vom Leben Menschen zu bringen, die sich nur noch als Nummer vorkommen und doch von Gott bei ihrem Namen gerufen sind. Wir sind berufen und befähigt und gesandt, dieses Licht hinein zu tragen in die Dunkelheiten dieser Welt. Deshalb machen sich Christen auf und bringen Licht, wo die Dunkelheit regiert: in die Krankenhäuser und Gefängnisse, in die Flüchtlingsheime und Suchtkliniken, in die Häuser von alleinlebenden Menschen genauso wie in die Tafelläden und die Secondhand-Shops, wo Menschen sich aufhalten, die wenig oder nichts haben. Erhellt von diesem hellen Schein und gefüllt mit diesem Schatz können Menschen durchscheinend werden. Erhellt von diesem Licht können wir auch für die Freiheit und Demokratie unseres Landes eintreten und sollen es auch tun.
Lassen wir uns nicht als Christen, als Gemeinde, als Kirche in die Ecke der Bedeutungslosigkeit drängen. Unser Glaube hat Kraft.

Eine kleine Geschichte dazu am Schluss:
Sagt einer zum anderen: „Das Christentum hat nichts erreicht. Obwohl es schon 2000 Jahre alt ist, ist die Welt nicht viel besser geworden. Es gibt noch zu viel Böses und böse Menschen!“
Der andere erwidert und zeigt auf ein ungewöhnlich schmutziges Kind, das am Straßenrand im Dreck spielte. „Seife hat auch nichts erreicht. Es gibt immer noch Schmutz und schmutzige Menschen in der Welt.“ „ Ja,“ sagt der andere: „Weißt Du das denn nicht: Seife nützt nur, wenn sie angewendet wird.“ „Eben“, sagt der andere, „Christentum auch.“

Also: lasst uns Gottes Wort und diese Predigt anwenden. Amen.

Verfasser: Pfarrer Friedemann Wenzke, Dr. Martin Luther Str. 18, 95445 Bayreuth, Tel: 0921/41168/ E-Mail: friedemann.wenzke@elkb.de